Brexit und Wahl: Stürmische Zeiten in Großbritannien

Als Asterix und Obelix die Briten besuchten, trafen sie auf ein seltsames Inselvolk, das eine hervorstechende Eigenschaft besaß: keine Angst vor Autoritäten. Mein Pilum ist härter als Ihr Sternum. Keine Angst vor unklaren Mehrheiten bei der Brexit-Wahl.

Furchtlos in die Krise

Diese Furchtlosigkeit haben die Briten jetzt gerade zum zweiten Mal in einem Jahr bewiesen. Erst entschieden sie mehrheitlich, die Europäische Union zu verlassen, was den eigenen Eliten nicht passte. Gestern entschieden sie dann, ihrer konservativen Premierministerin die Gefolgschaft zu versagen, als diese um eine bessere Verhandlungsposition für den Brexit bat, in Form einer größeren Mehrheit im Parlament. Theresa May bekam sie nicht, sie verlor sogar die absolute Mehrheit. Sie hatte nicht begriffen, dass es den Briten beim Weg aus der EU im Wesentlichen um soziale Fragen ging und geht.

Furchtlosigkeit allein ist nicht klug. Und die Briten werden in den kommenden Wochen große Schwierigkeiten haben, eine funktionierende Regierung zu bilden. Ohne klare Mehrheiten verhandelt es sich schwer. Andererseits: Das Votum der Bevölkerung ist auch eine Absage an den ganz harten Brexit, wie May ihn bisher verfochten hat.

Wir Europäer werden dann große Probleme haben, mit einer womöglich sehr wackeligen Regierung in London tragfähige Lösungen für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU zu verhandeln.

Brexit und deutsche Arbeitsplätze

Das ist nicht nur große Politik. Das geht vielen hierzulande auch direkt ans Portemonnaie. Den einen, weil sie für eine der 800 britische Firmen hierzulande arbeiten, die schwer mit solcher Unsicherheit leben können. Ausbaden müssen es oft die Beschäftigten. Den anderen, weil sie bei deutschen Firmen arbeiten, für die der britische Markt wichtig ist.

Und dass sind ebenfalls sehr viele. 28 der 30 Dax-Firmen haben in Großbritannien eine Tochter. 1.400 deutsche Firmen mit mehr als 400.000 Beschäftigten gibt es nach einer Zählung der Deutsch-Britischen Handelskammer insgesamt in Großbritannien.

Deutsche Firmen exportierten vergangenes Jahr für 86 Milliarden Euro nach Großbritannien, allein 27 Milliarden Euro die Automobil-Branche. Fast jedes zweite neue Auto, das in Großbritannien verkauft wird, stammt von einer deutschen Marke. Das sichert hierzulande Arbeitsplätze – und die sind spürbar unsicherer, sobald sich die Handelsregeln zwischen uns und Großbritannien ändern.

Und dann sind da noch die Briten, die hierzulande leben, und die Deutschen, die in Großbritannien arbeiten, studieren, forschen – oder auch nur Urlaub machen. Und sicher die Banker in Frankfurt am Main und anderswo, für die der Bankenstandort London eine wichtige, aber jetzt wackelige Bezugsgröße ist.

Vorbild Großbritannien beim Verbraucherschutz

Manchmal sind die Briten auch Bezugspunkt beim Schutz der Kunden: In Verbraucherfragen sind britische Behörden oft langmütig, schlagen dann aber umso härter zu. Die für Kunden so nachteiligen Restschuldversicherungen sind in Deutschland kaum reguliert. In Großbritannien dagegen müssen diese inzwischen strenge Standards einhalten. Sonst können Kunden den Vertrag zurückgeben. Britische Kunden nutzten das und haben in den vergangenen Jahren Verträge im Wert von mehr als 25 Milliarden Pfund zurückgegeben und erhielten ihr Geld zurück.

Brexit im Finanztip Newsletter

Wir alle werden in den kommenden Monaten und Jahren mit Sorge über den Kanal schauen. Über die unmittelbaren Auswirkungen für Ihr Portemonnaie halten wir Sie im Newsletter http://www.finanztip.de/finanztip-e-mail/ auf dem Laufenden. Zum Beispiel über die Frage, wie gut und wie sicher Ihr Festgeld weiterhin bei den Close Brothers noch ist. Es ist sicher! Und 1,1 Prozent sind aktuell ein gutes Angebot. Die britische Einlagensicherung ist trotz allem weiter gut.

Im Auge behalten wir auch, ob Ihre britischen Lebensversicherungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wo Kursänderungen beim britischen Pfund womöglich doch Ihre Haushaltskasse beeinflussen und ob es neue Reiseregelungen gibt.

In diesem Sommer wird das Reisen nach Großbritannien wahrscheinlich zunächst einmal deutlich preiswerter. Das Pfund ist gefallen. Und da könnte noch mehr kommen.

Und auf die Insel reisen – wie Asterix und Obelix –, das lohnt sich. Die Briten bleiben ein liebenswertes Völkchen, vielleicht ein bisschen mehr am Rande Europas, aber deswegen nicht weniger liebenswert.

Hermann-Josef Tenhagen
Autor

Stand:

Als Chefredakteur verantwortet Hermann-Josef Tenhagen alle Inhalte und die grundsätzliche Ausrichtung von Finanztip. Er war 15 Jahre Chefredakteur bei der Zeitschrift Finanztest (Stiftung Warentest). Davor war er unter anderem Nachrichtenchef der Badischen Zeitung und stellvertretender Chefredakteur bei der taz. Er studierte Politik, Volkswirtschaft, Pädagogik und Literaturwissenschaften.

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