Offene Immobilienfonds Warum jetzt vieles für einen Verkauf spricht
Finanztip-Experte für Bank und Börse
Das Wichtigste in Kürze
So gehst Du vor
Sicherheit in der Anlage und gute Aussichten für die Rendite – das ist das Versprechen von offenen Immobilienfonds. Viele Privatanleger haben diese beiden Argumente in der Vergangenheit überzeugt. Die Anteile an offenen Immobilienfonds haben in Deutschland einen offiziellen Wert von rund 130 Milliarden Euro, also rund ein Zehntel des gesamten Fondsmarktes für Privatanlegerinnen und -anleger.
Wir erklären Dir, wie Immobilienfonds funktionieren und ob Dein Geld dort vielleicht nicht mehr sinnvoll investiert ist. Die Kaufkosten und jährlichen Verwaltungskosten waren immer schon hoch. Hinzu kommen heute Zweifel, ob die Immobilien in den Fonds angesichts der eher düsteren Aussichten für die Immobilienmärkte tatsächlich den Wert haben, mit dem sie in den Büchern stehen.
Erst hat Corona die Büros geleert; viele sind auch heute nicht annähernd so voll wie früher. Dann setzte die rasche, kräftige Zinswende dem Immobilienmarkt zu. Beide Faktoren können Immobilienfonds stark treffen.
Wir sehen hier Risiken, die Du kennen solltest. Denk deshalb über einen Verkauf nach. Um Dich bei der Abwägung zu unterstützen, erklären wir, wie ein Verkauf funktioniert und welche Besonderheiten es zu beachten gibt.
Verkaufen ist nämlich nicht so einfach wie bei Aktien- oder Rentenfonds. Bei offenen Immobilienfonds kannst Du Deine Anteile zwar grundsätzlich zu einem selbst gewählten Zeitpunkt wieder an die Fondsgesellschaft verkaufen. Dabei bist Du aber an starre Regeln gebunden. Du musst Anteile an einem offenen Immobilienfonds mindestens 24 Monate lang behalten. Und es gibt eine zwölfmonatige Kündigungsfrist, bis Du dann auch Dein Geld bekommst. Beispiel: Einen im Februar 2023 gekauften offenen Immobilienfonds kannst Du frühestens im Februar 2024 kündigen, um ihn dann zum Februar 2025 an die Fondsgesellschaft zurückzugeben. Es gibt aber eine Ausnahme für ältere Fondsanteile: Hast Du den Fonds schon vor dem 21. Juli 2013 gekauft, kannst Du 30.000 Euro pro Halbjahr ohne Kündigungsfrist aus dem Fonds holen.
Anteile an offenen Immobilienfonds kann man auch über die Börse verkaufen, dann spielen diese Fristen ebenfalls keine Rolle. Der an der Börse erzielbare Preis kann aber deutlich von der Bewertung der Fondsgesellschaft abweichen. Ein Abschlag von 5 oder 10 Prozent und mehr ist keine Seltenheit.
Mehr Einzelheiten liest Du unter Verkaufsfristen bei offenen Immobilienfonds.
Offene Immobilienfonds sind Anlageprodukte, in denen eine größere Gruppe von Immobilien (Objekten) zusammengefasst ist. Du investierst also nicht nur in ein einzelnes Gebäude, sondern in eine Vielzahl, ein sogenanntes Portfolio von Immobilien. Größere Fonds umfassen manchmal über 100 Objekte. Beliebt sind neben Büros auch Einkaufszentren, Hotels oder Krankenhäuser. Das verteilt das Risiko breiter. Wenn sich eine Immobilie schlechter entwickelt als erhofft, können die übrigen dies hoffentlich ausgleichen.
Wie auch bei Aktienfonds und anderen Fondstypen kannst Du in den Jahresberichten nachsehen, welche Immobilien konkret einem Fonds gehören. Darunter sind auch prominente Liegenschaften. Dem Fonds Hausinvest der Commerzbank Real gehört beispielsweise die Hälfte des größten Einkaufszentrums Europas, Westfield London, sowie der Omniturm in Frankfurt. Der Deka Immobilien Europa ist unter anderem Eigentümer des Frankfurter Tower 185, dem vierthöchsten Gebäude Deutschlands, und der Einkaufszentren Neumarkt-Galerie in Köln und Das Schloss in Berlin-Steglitz. Dem Unilmmo Europa gehörten beispielsweise das Chilehaus in Hamburg und das Holiday Inn in Warschau.
Name | Objektanzahl | Fondsvermögen in Mio. € | Auflage | Einstiegskosten | Laufende Kosten |
---|---|---|---|---|---|
Deka Immobilien Europa (ISIN: DE0009809566) | 139 | 18.144 | 20.2.1997 | 5,26 % | 2,79 % |
Hausinvest (ISIN: DE0009807016) | 157 | 17.218 | 7.4.1972 | 5 % | 0,84 % |
Uniimmo Europa (ISIN: DE0009805515) | 101 | 15.671 | 1.4.1985 | 5 % | 1,3 % |
Uniimmo Deutschland (ISIN: DE0009805507) | 87 | 13.929 | 1.7.1966 | 5 % | 1,2 % |
Westinvest Interselect (ISIN: DE0009801423) | 102 | 10.354 | 2.10.2000 | 5,26 % | 2,87 % |
Quelle: Scope Fund Analysis (Stand: 5. Juni 2023)
Möchtest Du Dich genauer damit beschäftigen, welche Gebäude in Deinem Fonds enthalten sind, kannst Du in die Jahresberichte der Fondsgesellschaft schauen. Dort findest Du auch die aktuelle Liquiditätsquote, also den Anteil am Fondsvermögen, der nicht in Immobilien investiert ist, sondern als Geldreserve zur Verfügung steht.
In offene Immobilienfonds kannst Du auch mit kleinen Beträgen investieren. Du erteilst beispielsweise eine Kauforder über etwa 2000 Euro in Deinem Wertpapierdepot. Nun gibt es zwei Wege, den Immobilienfonds zu kaufen: entweder direkt von der Fondsgesellschaft, also beispielsweise der Deka, der Union Investment oder der Commerz Real; oder über einen Börsenplatz wie Xetra (Börse Frankfurt) oder Tradegate.
Mit dem Preis eines offenen Immobilienfonds ist es aber so eine Sache. Der Börsen-Verkaufspreis kann sich deutlich vom Preis unterscheiden, den die Fondsgesellschaft verlangt. Eine Finanztip-Stichprobe mit mehreren großen offenen Immobilienfonds zeigte, dass der Börsenpreis seit Frühling 2020 oft um 5 Prozent niedriger lag als der von der Fondsgesellschaft festgestellte Wert (Nettoinventarwert oder NAV). Seit Mitte 2022 bewegen sich die Abschläge sogar um 10 Prozent. Das deutet darauf hin, dass die Anlegerinnen und Anleger an der Börse der aktuellen Bewertung durch die Fondsgesellschaften nicht zustimmen oder für die nächsten Monate mit fallenden Bewertungen rechnen.
Der deutliche Unterschied zwischen Börsenpreis und Ausgabepreis wiederholt sich auch beim Verkauf (Herbst 2023). Mehr darüber, was man beim Verkauf offener Immobilienfonds beachten muss, liest Du im nächsten Abschnitt.
Offene Immobilienfonds sind juristisch Sondervermögen. Die Immobilien werden also treuhänderisch verwaltet und liegen getrennt vom eigenen Vermögen der Fondsgesellschaft. Wenn diese zahlungsunfähig werden würde, könnten Anlegerinnen und Anleger trotzdem auf ihre Anteile zugreifen. Bei Aktien, Anleihen und aus ihnen bestehenden Fonds ist das übrigens genauso.
In der Finanzkrise 2008 verloren viele offene Immobilienfonds stark an Wert. Anlegerinnen und Anleger gaben in großer Zahl Anteile zurück. Das zwang die Fondsgesellschaften zu ungeplanten Immobilienverkäufen, um genug Geld für die Rückzahlung zu bekommen. Solche Notverkäufe geschahen unter Zeitdruck und brachten in der Regel geringere Erlöse ein als vor der Krise kalkuliert. Immobilien lassen sich eben nicht so leicht verkaufen wie Aktienanteile, ETFs oder Staatsanleihen. Für einige Fonds musste sogar die Rücknahme ausgesetzt werden, das heißt, die Kundinnen und Kunden konnten ihre Anteile nicht zum offiziellen Wert an die Fondsgesellschaft zurückverkaufen. Mehrere Fonds wurden abgewickelt und die Anlegenden mussten teilweise jahrelang auf Rückzahlungen warten.
Seit 2013 gelten strengere Regeln, mit denen der Gesetzgeber solche Liquiditätsprobleme bei offenen Immobilienfonds verhindern möchte. Anlegerinnen und Anleger müssen ihre Anteile eines offenen Immobilienfonds nach dem Kauf mindestens 24 Monate lang behalten, bevor sie sie wieder an die Fondsgesellschaft verkaufen. Sie müssen außerdem mit einer Frist von zwölf Monaten diesen Verkauf ankündigen. Diese Kündigung ist verbindlich, es ist nicht mehr möglich, sich anders zu entscheiden. Der Verkaufspreis ergibt sich dann aus der offiziellen Fondsbewertung am Verkaufstag.
Etwas besser ist die Situation für Anlegende, die schon 2013 Anteile an einem offenen Immobilienfonds besaßen. Genauer: Wenn Du vor dem 21. Juli 2013 gekauft hast, gibt es für Dich einen Freibetrag von 30.000 Euro, den Du pro Halbjahr nutzen kannst. Du kannst dann also jeweils 30.000 Euro ohne Wartezeit von der Fondsgesellschaft (KAG) erlösen.
Du kannst Anteile an offenen Immobilienfonds auch über die Börse verkaufen. Der Kurs an der Börse entspricht aber häufig nicht dem Preis, den die Fondsgesellschaft Dir zahlen müsste. Dein Depotanbieter stellt Dir Ordergebühren in Rechnung, so wie auch beim Verkauf von Aktien oder ETFs. Der Rückkaufpreis wird hier Geldkurs oder Bid genannt. Wie auch bei Aktien und ETFs solltest Du auf eine möglichst hohe Liquidität achten, das bedeutet, dass Du einen Börsenplatz und eine Uhrzeit wählst, zu der möglichst viele Kaufinteressierte da sind. Tendenziell ist das zu den klassischen Börsenöffnungszeiten (Montag bis Freitag, 9:00 Uhr bis 17:30 Uhr) der Fall sowie an den stark frequentierten Börsen Xetra, Tradegate oder Stuttgart. Informationen über die Handelshäufigkeit der letzten Stunden, Tage und Wochen findest Du im Online-Brokerage Deiner Bank.
Achtung: Je nachdem, bei welchem Anbieter Dein Depot mit dem Immobilienfonds liegt, kannst Du diesen gar nicht direkt an einer Börse verkaufen. Die großen Fondsgesellschaften wie Deka oder Union Investment haben spezielle Depots, in denen nur sie selbst als Transaktionspartner bereit stehen. Du hast aber die Möglichkeit, ein Zweitdepot ohne laufende Gebühr zu eröffnen und Deinen Fonds dorthin zu übertragen, wenn Du über eine Börse verkaufen möchtest. Der Übertrag ist innerhalb Deutschlands gebührenfrei und kann eine bis drei Wochen Zeit benötigen.
Schaust Du Dir den Preis an, den Fondsgesellschaften (KAG) für Anteile von offenen Immobilienfonds verlangen beziehungsweise bieten, fällt eines sofort auf: Die Kursgrafik wirkt wie mit einem Lineal gezeichnet. Über Jahre steigt der Anteilswert nahezu kontinuierlich an, es gibt nur minimale Schwankungen. Einzige Ausnahme sind die Tage, an denen der Fonds Geld an die Anlegenden ausschüttet (oft einmal jährlich) – dann sinken die Kurse um diesen Betrag.
Sobald Du vom Chart der Fondsgesellschaft auf einen Börsenplatz umschaltest, ändert sich das Bild völlig und Du fragst Dich vielleicht zunächst, ob es sich immer noch um denselben Fonds handelt. In Stuttgart, bei Xetra und Co. ist der Kurs eines offenen Immobilienfonds viel volatiler, er hat ähnliche Schwankungen wie ein Aktienkurs oder der eines ETF. Der Blick auf die Skala in Euro zeigt: Seit mehreren Jahren liegt der gebotene Börsenpreis (Geldkurs) ein ganzes Stück unter dem Rücknahmepreis der Fondsgesellschaft. Die Schere geht seit 2022 noch weiter auf und liegt bei großen Immobilienfonds bei 10 Prozent und mehr. In dieser Zeit begann die Zinswende der Europäischen Zentralbank, die Kredite in kurzer Zeit stark verteuerte und den Immobilienmarkt in vielen Bereichen zum Stillstand gebracht hat.
Warum ist das so? Mach Dir bewusst, wie ein „aktueller“ Wert einer Immobilie bestimmt wird. Wir haben die Anführungszeichen hier bewusst verwendet. Denn entscheidend ist der gezahlte Preis, wenn ein Gebäude in neue Hände kommt – aber dieser wird ja endgültig erst bei einem Immobilienverkauf vereinbart. Dazwischen gibt es zwar regelmäßige Gutachten (vierteljährlich durch zwei Gutachter (§§ 250 und 251 KAGB), die als Basis für die Bestimmung des Gebäudewerts dienen. Die Bewertung einer Immobilie lässt sich aber absolut nicht mit der Bewertung eines Unternehmens vergleichen, wo es viel mehr Daten über Umsätze, Gewinne und die Entwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche gibt. Die scheinbar kontinuierliche Bewertung des Gebäudebestands im Immobilienfonds ist also in vielerlei Hinsicht nur sehr grob, solange es keine Verkäufe gibt.
In seiner Marktstudie Offene Immobilienfonds aus dem Juni 2023 schreibt das Analysehaus Scope hierzu: „Transaktionsstarre behindert Preisfindung und drückt auf die Stimmung der Anbieter“ und führt weiter aus: „Die Transaktionen an den Gewerbeimmobilienmärkten sind nahezu zum Erliegen gekommen. Durch die anhaltende Transaktionsstarre ist die Preisfindung noch nicht abgeschlossen und mögliche Entwicklungen sind daher noch nicht in den Bewertungen der Fondsportfolios abgebildet“. Anders ausgedrückt – wo keine Transaktionen stattfinden, gibt es keine Referenzpreise. Im Moment weiß daher niemand, zu welchem Preis eine Immobilie verkauft werden könnte.
Wir schauen uns drei Beispielpersonen an, um aus den vorherigen Überlegungen konkrete Entscheidungen abzuleiten, wenn Du verkaufen möchtest und nach dem passenden Weg suchst. KAG ist die Abkürzung für Kapitalanlagegesellschaft, auch Fondgesellschaft genannt.
Einen Ratschlag, der für alle Besitzerinnen und Besitzer von Immobilienfonds passt, gibt es nicht. Schau Dir die Verkaufsoptionen in diesen drei Beispielfällen an und überlege, welche Konstellation auf Deinen Kauftermin zutrifft. Dann solltest Du folgende Aspekte berücksichtigen:
Machen wir ein mögliches Beispiel noch mit Zahlen konkret:
Charlotte hat 100 Anteile eines Immobilienfonds. Sie könnte diese entweder an die Fondsgesellschaft (KAG) zurückgeben, indem sie jetzt kündigt. Der Rücknahmepreis heute beträgt 100 Euro. Ihr Bestand hat also einen theoretischen Wert von 10.000 Euro. Entscheidend für die Rückgabe an die KAG ist aber der Rücknahmepreis in einem Jahr, nach Ablauf der Kündigungsfrist, den sie natürlich nicht kennt.
An der Börse könnte sie aktuell 90 Euro pro Anteil bekommen und müsste bei ihrem Broker 30 Euro Ordergebühr dafür zahlen. Sie würde also 8.970 Euro bekommen. Diesen Betrag könnte sie theoretisch für ein Jahr als Festgeld anlegen und beispielsweise 4,2 Prozent Zinsen dafür erhalten. Nach einem Jahr wären das 9.346 Euro.
Die große Frage ist also: Wird der Rücknahmewert der KAG in einem Jahr über oder unter 9.346 Euro liegen, also dem alternativ erzielbaren Ertrag? Hierzu lassen sich leider nur Vermutungen anstellen. Eine Strategie könnte sein, einen Teil über die Börse und einen Teil über die KAG zu verkaufen, um so einen Mittelwert zu erreichen.
In diesem Beispielszenario haben wir Steuern außer Acht gelassen. Je nach verfügbarem Sparerpauschbetrag sind sowohl auf den Fondsgewinn wie auf die Festgeldzinsen Steuern zu zahlen.
Weitere Ratgeber: Tagesgeld, Festgeld, Indexfonds
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