Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung Nutzungsausfall entschädigen lassen statt Mietwagen nehmen

Expertin für Recht - Dr. Britta Beate Schön
Dr. Britta Beate Schön
Finanztip-Expertin für Recht

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer unverschuldet in einen Autounfall verwickelt wird, kann sich für die Dauer der Reparatur einen Mietwagen nehmen und die Kosten vom Verursacher zurückverlangen.
  • Alternativ kannst Du auch eine sogenannte Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung einfordern.
  • Die Höhe der Entschädigung wird in aller Regel anhand des Werts Deines Autos berechnet – mithilfe der Schwacke-Liste. Du bekommst danach zwischen 23 und 175 Euro pro Tag.
  • Wäre ein Mietwagen billiger gewesen, darf die Ver­si­che­rung die Entschädigung trotzdem nicht kürzen.
  • Mit der Entschädung fährst Du meist besser – insbesondere wenn die Schuldfrage beim Unfall nicht eindeutig geklärt ist. Sonst läufst Du Gefahr, die Mietwagenkosten teilweise selbst zahlen zu müssen.

Auf dem Weg zum Einkaufen nimmt Dir jemand die Vorfahrt. Das Auto ist kaputt und muss erstmal repariert werden. Dann kannst Du Dir einen Mietwagen bezahlen lassen oder aber auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen und eine sogenannte Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung verlangen.

Viele Geschädigte verschenken oft mehrere Hundert Euro, weil sie ihren Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht oder in viel zu geringem Umfang geltend machen. In vielen Fällen ist die Entschädigung die bessere Variante – doch dabei gibt es einiges zu beachten. Die gegnerische Haftpflicht hat nämlich ein Interesse daran, die Kosten so gering wie möglich zu halten.

Bares statt Mietwagen

Während die Mietwagenpreise von 2010 bis 2014 laut Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation fast ausschließlich gesunken sind, wurden die Tagespauschalen für die Entschädigung nicht reduziert. Du solltest daher prüfen, ob Du mit einer Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung besser gestellt bist als mit einem Mietwagen.

Beispiel: Handelt es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um einen Alfa Giulietta 2.0 JTDM 16V , 1 Jahr alt, hast Du einen Anspruch auf Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung nach Schwacke-Tabelle 2013, Gruppe F, von 50 Euro pro Tag. Bei zehn Tagen Reparatur bekommst Du von der Ver­si­che­rung 500 Euro Entschädigung.

Mietest Du stattdessen einen Mittelklassewagen an, muss die Ver­si­che­rung deutlich weniger zahlen. Du findest einen Mietwagen für 10 Tage in der entsprechenden Klasse auf den Mietwagenportalen Check24, billiger-mietwagen.de oder happycar.de schon für weniger als 300 Euro.

Du kannst Dir die Entschädigung auszahlen lassen und bist völlig frei in der Verwendung des Geldes. Benötigst Du das Auto nicht jeden Tag oder kannst Du problemlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen, ist die Nutzungsentschädigung immer sinnvoller.

Ist die Schuldfrage beim Unfall nicht eindeutig geklärt, solltest Du Dich auf jeden Fall für die Nutzungsentschädigung entscheiden. Dann übernimmt die gegnerische Haft­pflicht­ver­si­che­rung die Kosten für den Mietwagen nämlich eventuell nicht oder nur teilweise. Bei einem Mitverschulden zahlt die Autoversicherung des Unfallgegners zumindest den entsprechenden Anteil der Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung. Insoweit erhältst Du nur weniger Geld, brauchst aber selbst nichts zusätzlich zu zahlen.

Tipp: Lass Dich von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht vertreten. Der regelt die ganzen Formalitäten mit der gegnerischen Ver­si­che­rung und stellt sicher, dass all Deine Rechte und Ansprüche eingefordert werden. Die Anwaltskosten übernimmt die gegnerische Ver­si­che­rung. Wie Du einen Anwalt findest, liest Du in unserem Ratgeber. Eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung kann sich durchaus lohnen. Dabei gibt es auch Versicherer, bei denen Du nur eine Ver­kehrs­rechts­schutz­ver­si­che­rung abschließen kannst.

Emp­feh­lungen aus dem Ratgeber Rechts­schutz­ver­si­che­rung

Wir haben im Sommer 2023 Rechtsschutztarife mit den Bausteinen Privat, Beruf und Verkehr untersucht. Unsere Emp­feh­lungen aus diesem Test sind:

Zum Ratgeber

Voraussetzung für Entschädigung

Als Geschädigter musst Du darlegen, dass Du Dein Fahrzeug während der Reparatur auch tatsächlich benutzt hättest, etwa weil Du jeden Morgen mit dem Auto zur Arbeitsstelle fährst.

Ferner musst Du auch in der Lage gewesen sein, Dein Auto zu benutzen. Falls Du wegen des Unfalls krankgeschrieben bist oder gar im Krankenhaus liegst, wird das schwierig. Es genügt in diesen Fällen aber auch, wenn Du zum Beispiel Familienangehörigen zugesagt hättest, das Auto auch benutzen zu können (KG Berlin, Urteil vom 29. September 2005, Az. 12 U 235/04).

Dauer der Zahlung

Die Entschädigung wegen Nutzungsausfall wird für die Dauer der Reparatur des Autos oder bei Totalschaden für die Zeit der Ersatzbeschaffung gezahlt. Meist bestimmt das ein Gutachter. Gewöhnlich geht er dabei von einer Dauer von 14 Tagen aus, danach gibt es nur in Ausnahmefällen noch Geld von der Ver­si­che­rung. Aber: Auch für die Dauer der Schadensfeststellung und während Du überlegst, ob und wo Du den Wagen reparieren lässt, bekommst Du die Entschädigung (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013, Az. VI ZR 263/11).

Lass Dir von der Werkstatt oder dem Verkäufer unbedingt bestätigen, wie lange die Reparatur oder die Ersatzbeschaffung dauern wird oder gedauert hat.

Höhe der Entschädigung

Was Du von der gegnerischen Ver­si­che­rung für den Nutzungsausfall gezahlt bekommst, richtet sich nach der Fahrzeugkategorie, Leistung und Ausstattung Deines Unfallwagens. Bei der Berechnung der Entschädigung richten sich die Ver­si­che­rungen und die Gerichte meist nach der Schwacke-Liste für Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gungen.

Übersicht Entschädigungshöhe

GruppenEntschädigung pro Tag
Gruppe A23 €
Gruppe B29 €
Gruppe C35 €
Gruppe D38 €
Gruppe E43 €
Gruppe F50 €
Gruppe G59 €
Gruppe H65 €
Gruppe J79 €
Gruppe K119 €
Gruppe L175 €

Quelle: Sander-Danner/Küppersbusch (Stand: 2016)

Die Liste, die auch nach den Autoren „Sander-Danner/Küppersbusch“ benannt wird, wird jährlich aktualisiert und ist kostenpflichtig. In dem Tabellenwerk sind sämtliche gängigen Fahrzeugtypen aufgelistet und in Gruppen mit unterschiedlichen Tagessätzen eingeteilt.

Herabstufung bei älteren Autos - Fahrzeuge, die älter als 5 Jahre sind, werden der Einfachheit halber in die nächst niedrigere Ausfallgruppe eingestuft. Bei einem Fahrzeugalter ab 10 Jahren erfolgt eine Abstufung um zwei Klassen. Ganz einheitlich wird das allerdings nicht gehandhabt. Im Einzelfall gewähren die Richter auch bei älteren Fahrzeugen die volle Entschädigung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Juli 2008, Az. I-1 W 24/08).

Dann darf die Ver­si­che­rung die Entschädigung kürzen

In einigen Fällen darf die Ver­si­che­rung die Entschädigung reduzieren. Aber nicht jede Kürzung solltest Du Dir gefallen lassen.

Zweitwageneinwand - Versicherer versuchen sich die Entschädigung zu sparen, wenn in der Familie des Geschädigten ein Zweitwagen vorhanden ist. Die Rechtsprechung gewährt auch in diesen Fällen eine Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung, falls das zweite Fahrzeug von einem Angehörigen ständig genutzt wird und es dem Geschädigten nicht zur Verfügung steht (AG Geldern, Urteil vom 22. Juli 2013, Az. 3 C 27/13). Aber: Ist das Unfallfahrzeug etwa ein Kombi und der Zweitwagen ein kleiner Smart, ist dem Geschädigten die Nutzung des anderen Fahrzeugs nicht zumutbar.

Niedrigere Mietwagenkosten führen nicht zur Kürzung - Dauert die Reparatur länger, ist für die Ver­si­che­rung ein Mietwagen oft günstiger als die Entschädigung. Je länger Du mietest, desto günstiger ist nämlich der Tagessatz. Du bist aber nicht dazu verpflichtet, immer die für die Ver­si­che­rung günstigere Variante zu wählen. Selbst wenn die Ver­si­che­rung einen Mietwagen zu einem niedrigeren Preis angeboten hat, darf sie die Nutzungsentschädigung nicht einfach auf den Mietwagenpreis kürzen (OLG Koblenz, Urteil vom 13. Februar 2012, Az. 12 U 1265/10).

Keine Entschädigung bei gewerblich genutztem Fahrzeug - Für gewerblich genutzte Fahrzeuge ist die Entschädigung grundsätzlich ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 21, Januar 2014, Az. VI ZR 366/13). Du bekommst dann Deinen Verdienstausfall ersetzt, in dessen Berechnung die Kosten für einen Mietwagen einfließen. Ausnahme: Du hast das Fahrzeug sowohl privat als auch gewerblich genutzt. Hier kannst Du die private Nutzung anteilig geltend machen.

Das musst Du bei den Mietwagenkosten beachten

Auch wenn Du Dich nach dem Unfall für einen Mietwagen entscheidest, musst Du ein paar Dinge beachten, damit Du nicht bei Vorlage der Rechnung an die gegnerische Ver­si­che­rung Schwierigkeiten bekommst.

Tarifvergleich - Du hast die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. So verlangt die Rechtsprechung, dass der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte zum Beispiel die Mietwagentarife vergleichen muss und nicht den teuersten Tarif wählen darf. Den Tarifvergleich musst Du dem Gericht auch nachweisen. Hast Du ein Fahrzeug ohne Vergleich angemietet, kann es passieren, dass die Ver­si­che­rung Dir nicht die gesamten Kosten ersetzt, sondern nur die erforderlichen. Der Bundesgerichtshof lässt eine Schätzung sowohl anhand der Schwacke-Liste Mietwagenpreise als auch mit dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel zu (BGH, Urteil vom 12. April 2011, Az. VI ZR 300/09). Die erstattungsfähigen Beträge nach der Schwacke-Liste sind im Regelfall deutlich höher als die der Fraunhofer-Tabelle.

Die Fraunhofer-Liste beruht im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage, die Schwacke-Liste auf einer nicht anonymisierten, örtlich genaueren Anbieterabfrage. Das Oberlandesgericht Hamm hat keine der Listen isoliert angewendet, sondern einen Mit­tel­wert gebildet. In dem Sachverhalt, den das Gericht zu klären hatte, ergab die Fraunhofer-Liste einen Mietpreis von rund 490 Euro, die Schwacke-Liste hingegen auf einen Preis von 1.140 Euro. Das Gericht hielt einen Mit­tel­wert von rund 816 Euro für angemessen (OLG Hamm, Urteil vom 18. April 2016, Az. 9 U 142/15).

Tipp: Zahlt die gegnerische Ver­si­che­rung nur einen Teil der Mietwagenkosten, musst Du nicht draufzahlen, wenn Du von der Autovermietung nicht darüber aufgeklärt wurdest, dass der höhere Mietpreis von der Ver­si­che­rung eventuell nicht in voller Höhe erstattet wird. Der Vermieter bleibt dann auf den Kosten sitzen (BGH, Urteil vom 10. Januar 2007, Az. XII ZR 72/04).

Keine Herabstufung in der Mietwagenklasse - Auch wenn Dein Auto schon einige Jahre alt war, kannst Du ein Fahrzeug der gleichen Mietwagenklasse wählen. Eine Herabstufung des Wagentyps wie bei der Nutz­ungs­aus­fall­ent­schä­di­gung findet nicht statt, denn Autovermietungen bieten keine älteren Fahrzeuge an.

Nur geringer Fahrbedarf - Bei geringem Bedarf zur Nutzung eines Autos besteht in der Regel kein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Die Grenze wird bei 20 km pro Tag angesetzt. Dann kann sich der Geschädigte mit Taxis oder öffentlichen Verkehrsmitteln behelfen. Er kann dann nur den dafür erforderlichen Betrag verlangen. Einziger Ausweg: Der Geschädigte weist nach, dass er auf die ständige Verfügbarkeit eines Autos angewiesen ist (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013, Az. VI ZR 290/11). Ein Rentner, der auf dem Land lebt und für notwendige Arztbesuche ein Auto braucht, kann zum Beispiel trotz geringem Fahrbedarf ein Auto anmieten, urteilte das Amtsgericht Bremen (Urteil vom 13. Dezember 2012, Az. 9 C 330/11).

Ersparte Abnutzung des eigenen Wagens - Auch wenn es auf den ersten Blick schwer einzusehen ist, kann es sein, dass die gegnerische Ver­si­che­rung einen Teil der Mietwagenkosten abzieht, weil Du wegen des Mietwagens Deinen Wagen gewissermaßen geschont hast. Es kommt hier immer auf den Einzelfall an. Obwohl Dein Auto mittlerweile ein Unfallwagen ist, haben die Gerichte Abzüge zwischen 3 und 20 Prozent der Mietwagenkosten zugestanden. (OLG Köln, Urteil vom 8. Januar 1993, Az. 19 U 99/92: 20 %; OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Mai 2000, Az.  9 U 672/00: 3 %).

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