Pflegende Frau küsst Ehemann auf die Wange
Bild: Wavebreakmedia / GettyImages

Mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig und es werden immer mehr. Doch es fehlen Pflegekräfte, und pflegende Angehörige müssen sich durch ein Dickicht kleinteiliger Regelungen kämpfen. Für die Pflege im Heim zahlen Betroffene mittlerweile mehr als 2.000 Euro im Monat.

Dieser Probleme wollte sich die Große Koalition annehmen – und hat kurz vor der nächsten Wahl doch nur ein Reförmchen zustande gebracht. Wir haben uns für Dich angeschaut, was sich mit dem neuen Gesetz in der Pflege ändert und welche Unterstützung es bereits gibt.

 

1. Kleine Entlastung für Pflegeheimbewohner

Für die Pflege im Heim erstattet die Pflegeversicherung monatlich bis zu 2.005 Euro. Die Bewohner zahlen zudem einen Eigenanteil für die Betreuung sowie Kost und Logis. Dieser variiert je nach Bundesland zwischen 1.400 und 2.000 Euro. Da diese Kosten aber nicht jeder stemmen kann, soll ab 2022 der Eigenanteil sinken:  im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 und danach um 70 Prozent.

Spürbare Entlastung dürfte diese Regelung aber nur einigen Bewohnern bringen, denn der Großteil stirbt bereits im ersten oder zweiten Jahr des Heimaufenthalts. Zur Finanzierung der Reform zahlen Kinderlose ab kommendem Jahr 0,1 Prozentpunkte mehr für die Pflegeversicherung.

 

2. Pflegende Angehörige gehen leer aus

Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt. Die Pflegekasse zahlt den Angehörigen dann ein Pflegegeld oder übernimmt Kosten für einen ambulanten Pflegedienst. Die Leistungen für Pflegedienste steigen 2022 um 5 Prozent. Eine ursprünglich geplante Erhöhung des Pflegegelds hat die Koalition aus Kostengründen gestrichen.

 

Tochter besucht Mutter im Pflegeheim
Bild: IMAGO / Markus van Offern

3. Diese Zuschüsse kannst Du nutzen

Pflegenden Angehörigen bleibt deshalb nur, bestehende Hilfen so gut wie möglich zu nutzen. So kannst Du neben den regulären Leistungen für die ambulante Pflege jährlich bis zu 3.386 Euro Zuschuss für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege bekommen.

Für Hygieneprodukte wie Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel gibt es derzeit monatlich 60 Euro. Und mit dem Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat lassen sich Hilfen im Haushalt und Alltag finanzieren. Hast Du den Entlastungsbetrag bisher nicht ausgeschöpft, kannst Du Restsummen aus dem laufenden Jahr immer noch bis Ende Juni des Folgejahres nutzen. Wegen Corona ist die Frist sogar verlängert.

Hilfen gibt es auch, wenn in der Wohnung Umbauten nötig sind, um die Pflege zu erleichtern. Die Pflegekasse zahlt bis zu 4.000 Euro, zum Beispiel für einen Treppenlift oder eine barrierefreie Dusche. Welche Unterstützungsangebote für Dich infrage kommen und wie Du sie beantragst, kann eine Pflegeberatung kostenlos für Dich klären.

 

4. Hilfe, falls Dir die Kosten über den Kopf wachsen

Falls Du nicht in der Lage bist, die Kosten für die Pflege aufzubringen, kannst Du „Hilfe zur Pflege“ beantragen. Bevor Du diese Leistung bekommst, musst Du jedoch Dein Vermögen bis auf 5.000 Euro aufbrauchen. Kinder müssen nur dann im Rahmen des sogenannten Elternunterhalts für die Pflegekosten ihrer Eltern einstehen, wenn ihr Jahreseinkommen 100.000 Euro übersteigt.

 

 

5. Lohnt sich eine Pflegezusatzversicherung?

Auf diese Frage gibt es leider keine einfache Antwort. Es ist sinnvoll, für den Pflegefall vorzusorgen. Allerdings sind die Beiträge für Pflegezusatzversicherungen zuletzt deutlich gestiegen. In einigen Fällen hat sich der Beitrag sogar verdoppelt.

Die Versicherung hilft nur, wenn Du sicher bist, dass Du sie im Rentenalter auch noch zahlen kannst. Alternativ kannst Du versuchen, genug anzusparen, um Pflegekosten zu stemmen. Welche anderen Vorsorge-Möglichkeiten es gibt, erklären wir in unserem Ratgeber zur Pflegezusatzversicherung.

 

Zum Ratgeber

Julia Rieder
Autor

Stand:

Julia Rieder kümmert sich als Redakteurin um Versicherungsthemen. Während ihres Volontariats bei Finanztip sammelte sie Hörfunk-Erfahrung beim Inforadio. Vorher war sie in den Redaktionen von Frontal 21, der Berliner Zeitung und dem Online-Magazin politik-digital tätig. Ihr Studium der Politikwissenschaft hat Julia an der Freien Universität Berlin mit einem Master abgeschlossen.

5 Kommentare

  1. Es ist natürlich toll, wenn die Pflegekasse die gesamten Kosten für den ambulanten Pflegedienst übernimmt. Wie viel die Kasse übernimmt, kommt vermutlich auf den Pflegegrad der Person an. Bei meiner Oma wurden damals die gesamten Kosten übernommen.

  2. Ich finde es super, wenn nach neuen Strukturen in der häuslichen Pflege gesucht wird. Meine Großeltern möchten auch so lange wie möglich zu Hause betreut werden und dort wohnen bleiben. Bekannte von mir haben nun auch eine 24 Stunden Betreuung für die Großmutter engagiert und bisher läuft es super.

  3. Ich habe eine Frage, wie der Eigenanteil sinkt, wenn jemand Anfang 2022 bereits 2 oder 3 Jahre im Pflegeheim wohnt. Sind die tatsächlichen Jahre des Bewohners relevant oder wird ab 2022 neu gezählt.

    1. Hallo Jonas,

      bereits vorhandene Zeiten der stationären Versorgung in einem Heim sollen angerechnet werden (angefangene Monate werden voll angerechnet). Das heißt, Pflegebedürftige, die schon länger im Heim sind, starten direkt mit einem höheren Zuschuss. Die Pflegeeinrichtung, die den Pflegebedürftigen versorgt, meldet zum 1. Januar 2022 die bisherige Pflegedauer, rechnet den Zuschuss mit der Pflegekasse ab und stellt den Pflegebedürftigen nur den verbleibenden Eigenanteil in Rechnung.

      Viele Grüße,
      Julia Rieder

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