Klaus Müller
Bild: Yasmina Aust/VZBV e.V., dpa

Wenn Sie einen Diesel von VW, Audi, Skoda oder Seat mit dem Betrugsmotor EA189 besitzen oder besessen haben, dann können Sie noch immer gegen den Volkswagen-Konzern vorgehen. Wie genau, können Sie sich noch überlegen – und sich sogar noch umentscheiden. Bis Ende der Woche sollten Sie sich aber endgültig festlegen. Es gibt vier Wege, gegen Volkswagen vorzugehen: die Musterfeststellungsklage, der Widerrufsjoker sowie die Einzelklage ohne und mit Prozessfinanzierung. Wir haben die Vor- und Nachteile zusammengestellt und erklären Ihnen, wie Sie vorgehen können:

 

Variante 1: die Musterfeststellungsklage

Sie haben noch Zeit bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 30. September – auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie sich bis Freitag, den 27. September, ins Klageregister eintragen.

Vorteile:

· Sie haben die Verjährung gehemmt und wahren Ihre Rechte gegen Volkswagen.

· Sie haben kein Kostenrisiko.

· Sie müssen zunächst keinen Anwalt nehmen, eine Anmeldung genügt.

· Wenn es zu einem Vergleich käme, würden Sie ohne weiteren Aufwand profitieren. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) als Kläger hat bereits erklärt, für einen Vergleich offen zu sein.

Nachteile:

· Die Musterfeststellungsklage könnte sich lange hinziehen, falls das Verfahren zum Bundesgerichtshof (BGH) geht.

· Selbst wenn der BGH feststellt, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatz erfüllt sind, müssen Sie wahrscheinlich nochmal Ihren persönlichen Schaden einklagen. Besonders ärgerlich wäre das, wenn ein Ersatz für gefahrene Kilometer abgezogen würde, weil dann am Ende womöglich nicht viel Geld für Sie herauskommt.

· Die Musterfeststellungsklage ist eine neuartige Klage-Variante. Falls der VZBV verliert, steht Ihnen kein anderer Weg mehr zur Verfügung.

· Sie sind einer von (bislang) 430.000 Klägern und haben keinen besonderen Ansprechpartner.

Fazit: Für alle, die das Risiko und die Kosten einer Einzelklage scheuen. Auch für die, die ohne weiteres Risiko ein Zeichen gegen Volkswagen setzen wollen, dass sie sich als Kunden nicht folgenlos betrügen lassen. Mehr dazu hier.

 

VW
Bild: tstajduhar, iStock.com

 

Variante 2: der Widerrufs-Joker

Falls Sie Ihr Auto auf Kredit gekauft haben und der Kredit Ihnen von Ihrem Autohaus vermittelt wurde, besteht sehr wahrscheinlich ein „verbundenes Geschäft“. Sehr viele dieser Verträge enthalten Formfehler, die es Ihnen möglich macht, den Kredit zu widerrufen. Und damit auch Ihr Auto zurückzugeben.

Vorteile:

· Die Rechtslage ist eindeutig: Wenn der Vertrag Sie nicht richtig über Ihr Widerrufsrecht aufgeklärt hat, können Sie das Auto zurückgeben.

· Haben Sie den fehlerhaften Vertrag erst ab Sommer 2014 abgeschlossen, kann sich der Widerruf besonders lohnen. Denn dann müssen Sie bei der Rückgabe wahrscheinlich nicht mal etwas für die Nutzung des Autos zahlen.

Nachteile:

· Falls Sie keine Rechtsschutzversicherung haben, tragen Sie das Risiko des Prozesses.

· Sie müssen sich selbst einen Anwalt suchen. Dafür hat Finanztip aber eine Liste empfehlenswerter Anwälte zusammengestellt.

Fazit: Falls Sie einen der fehlerhaften Verträge haben, sollten Sie diesen Weg vorziehen. Er ist wirtschaftlich interessanter – und eine wirkliche Strafe für VW. Mehr dazu hier.

 

Variante 3: die Einzelklage

Sie müssten spätestens bis zum Jahresende Klage einreichen, damit die Verjährung gehemmt ist.

Vorteile:

· Sie kommen wahrscheinlich schneller zu einer Lösung als mit der Musterfeststellungsklage. Derzeit berichten viele Rechtsanwälte davon, dass Volkswagen in der zweiten Instanz oft einem Vergleich zustimmt. Allerdings ist nicht sicher, ob der Konzern bei dieser Strategie bleibt.

· Es gibt bereits sehr viele Urteile zugunsten von VW-Geschädigten, die Gerichte kennen sich mit dieser Art der Klage aus.

· Sie haben mit Ihrem Rechtsanwalt einen Ansprechpartner, der für die individuelle Durchsetzung Ihrer Rechte kämpft.

Nachteile:

· Sie tragen das Risiko, dass Ihr Prozess verloren geht und Sie die Gerichtskosten und die Kosten der Anwälte zahlen. Derzeit müssen Kläger in der Regel noch in die zweite Instanz, selbst wenn das Landgericht ihnen Recht gegeben hat. Allerdings haben Sie kein Kostenrisiko, falls Sie rechtsschutzversichert sind. Es kann jedoch passieren, dass Ihr Versicherer Ihnen nach dem Prozess den Vertrag kündigt.

· Sie müssen sich für einen Rechtsanwalt entscheiden. Das ist nicht ganz leicht.

Fazit: Für Rechtsschutzversicherte ist die Einzelklage der Königsweg! Mehr dazu hier.

 

Variante 4: die Einzelklage – mit einer Prozessfinanzierung

Es gibt einige Kanzleien, die eine Individualklage mit Prozessfinanzierung anbieten. Dafür müssen Sie auf rund 30 Prozent einer möglichen Entschädigung verzichten. Das bieten zum Beispiel Gansel, Baum Reiter & Kollegen sowie Myright an.

Vorteile:

· Wenn Sie eine Prozessfinanzierung fest zugesagt bekommen, haben Sie kein Kostenrisiko, falls der Prozess verloren geht. Der Finanzierer übernimmt wie eine Rechtsschutzversicherung die Kosten.

Nachteile:

· Der Prozessfinanzierer rechnet genau nach und finanziert nur Fälle, die für ihn wirtschaftlich interessant sind. Diejenigen, die das Auto schon verkauft haben, bekommen sicher keine Zusage. Auch bei einem Gebrauchtwagen sieht es eher schlecht aus.

· Die Vertragsbedingungen der Prozessfinanzierer sehen in der Regel vor, dass er seine Zusage nur mit Einschränkungen gibt, zum Beispiel nur für die erste Instanz.

· Bisweilen sind die Zusagen so unklar, dass Verbraucher denken, Sie haben eine verbindliche Zusage, die sich dann aber tatsächlich nur auf einen Teil des Verfahrens bezieht. Ein Finanzierer kann nämlich in der Regel immer aussteigen.

· Sollten Sie den Prozess gewinnen, behält der Prozessfinanzierer einen Anteil von rund 30 Prozent.

Fazit: Für alle, die nicht rechtsschutzversichert sind und die kein Kostenrisiko, aber möglichst schnell zu einem Ergebnis kommen wollen. Sie sollten eine Zusage für die Klage in der ersten und zweiten Instanz erhalten. Mehr dazu hier.

 

Zum Ratgeber Klagen gegen VW im Abgasskandal

Britta Beate Schön
Autor

Stand:

Britta Beate Schön ist bei Finanztip für sämtliche Rechtsthemen zuständig. Die promovierte Juristin und Rechtsanwältin war als Leiterin der Rechtsabteilung bei Finanzdienstleistern wie der Telis Finanz AG und der Interhyp tätig. Vorher lehrte und forschte sie in Japan als DAAD-Junior-Professorin für deutsches und Europarecht. Ihr Studium absolvierte sie in Münster, Genf, Regensburg und Leipzig.

3 Kommentare

  1. ja ich habe einen audi baujahr 1996 ich weiss aber nicht ob der dazu gehört 1,4 liter mit automatic

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