Heute werde ich in Berlin beim „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ über Transparenz, Kundenorientierung und Verbraucherschutz bei den Lebensversicherern diskutieren. Moderieren soll die Veranstaltung Bert Rürup. Erwartet werden auch Peter Schwark vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten.

Um es kurz zu machen: Mit ihrer aktuellen Strategie haben die Versicherer kaum eine Chance, Kunden Gutes zu tun. Die Kunden sollten sich fernhalten. Und zwar umso ferner, je weniger Geld sie zur Verfügung haben. Das ist bedauerlich, denn eigentlich ist mehr Altersvorsorge erforderlich.

Meine Skepsis hat mindestens vier Gründe:

Die Demografie, die bei Geringverdienern gegen die eigene Altersvorsorge spricht

Gerade Kunden mit niedrigen Einkommen haben im Schnitt weniger von ihrer Rente. Die Lebenserwartung des ärmsten Fünftels der Rentner liegt bei Männern und Frauen um rund 10 Jahre niedriger als die des reichsten Fünftels. Einzahler mit geringem Einkommen zahlen in ein System, in dem die Einzahler mit hohem Einkommen deutlich länger die Vorzüge der Rente genießen. Diese Zahlen hat das Robert-Koch-Institut in einer Studie ermittelt.

Altersvorsorgeprodukte, die nicht verständlich sind

Schon zu Beginn des Riester-Zeitalters hat die Berlin-Brandenburger Akademie der Wissenschaften mit einer mehrjährigen Studie gezeigt, dass Riester-Verträge selbst für Experten kaum verständlich sind. Gemeinsam mit den alten Kollegen bei Finanztest haben wir in mehr als einem Jahrzehnt wahrscheinlich einer Million Sparern das richtige Verständnis von Riester beigebracht. Aber was ist mit den anderen 15 Millionen Sparern?

Der hohe Preis, den die Versicherungsbranche ihren Kunden abknöpft

Erst gestern hat mir ein Aktuar aus einem Lebensversicherungsunternehmen erklärt, wie schwer sich die Branche und seine Firma heute tue, Kunden beim Altersvorsorge-Sparen wenigstens den Kapitalerhalt zu garantierten. Einer der Gründe ist, dass Kunden die Vertriebskosten ihrer Verträge gleich am Anfang bezahlen (Zillmerung). Mit dieser Hypothek fällt es schwer, vernünftige Renditen zu erreichen. Es ist eine bemerkenswerte Eigenheit der Lebensversicherer, dass sie ihren Kunden vorweg so viel Geld abknöpfen. Versicherte müssen bei ihren Verträgen auf diese Weise in tiefroten Zahlen mit dem Sparvorgang beginnen. Abhilfe schaffen eigentlich nur die in der Branche unbeliebten Nettopolicen.

Die Unverfrorenheit, mit der Versicherer Kunden und Politik zum Besten haben

Im vergangenen Februar hat der Bundesgerichtshof geurteilt: Kunden stünden bei einer abgelaufenen Lebensversicherung nicht etwa Schlussüberschüsse und zusätzlich Bewertungsreserven zu, sondern nur, was dem Versicherer nach eigenem Gusto und nach der eigenen Art der Verrechnung vorschwebt. Bissige Journalisten titelten daraufhin: „Bundesríchter schützen Allianz-Reserve vor Kunden“. Das Urteil war deshalb so bemerkenswert, weil die Versicherungsbranche vorher zwei Jahre lang vor Parlamentariern gebarmt hatte, wie sehr ihr die Pflicht, ZUSÄTZLICH Bewertungsreserven auszuzahlen zu müssen, zusetzen würde. Auf einmal ist von ZUSÄTZLICH gar nicht mehr die Rede.

Die Situation ist verfahren. Eigentlich wäre mehr Altersvorsorge nötig. Aber von den 400.000 Besuchen, die 2015 auf unserer Seite das Thema Lebensversicherung anklickten, interessierten sich schon über 100.000 nur für das Thema Lebensversicherung kündigen. Gerade mal 120.000 haben sich für die Riester-Förderung interessiert.

Versicherer, ändert was! So jedenfalls kann man eure Produkte den Kunden nur schwer empfehlen.

Hermann-Josef Tenhagen
Autor

Stand:

Als Chefredakteur verantwortet Hermann-Josef Tenhagen alle Inhalte und die grundsätzliche Ausrichtung von Finanztip. Er war 15 Jahre Chefredakteur bei der Zeitschrift Finanztest (Stiftung Warentest). Davor war er unter anderem Nachrichtenchef der Badischen Zeitung und stellvertretender Chefredakteur bei der taz. Er studierte Politik, Volkswirtschaft, Pädagogik und Literaturwissenschaften.

3 Kommentare

  1. Der Artikel trifft es auf den Punkt: Es fehlt die Transparenz. Aus meiner Sicht müsste hier auch der Gesetzgeber mal aktiv werden und bestimmte Regularien auf den Weg bringen, damit die Provisionsabhängigkeit nicht mehr so groß ist.

  2. Hallo Herr Tenhagen,
    wenn Sie nicht wirklich wissen wie alt sie werden – das kann ja wenn ich in Rente bin reichen, dass ich am ersten Tag versterbe oder ich werde 100 Jahre alt – wie sichere ich mir ähnlich wie bei der gesetzlichen Rente eine lebenslange Absicherung? Sie schreiben immer nur eine Rentenversicherung ist ähnlich einer kapitalbildenden Lebensversicherung – aber was löst mir mein Problem der Langlebigkeit? Bei jedem anderen Produkt das mir bekannt ist – ist entweder das Geld aus oder sogar bei der Immobilie entstehen irgendwann mal wieder Kosten – vom Haus kann ich ja auch nicht herunterbeißen. Ich arbeite selber bei einer Versicherung und lese Test – Finanztest und eben Ihren Newsletter. Sicherlich haben Sie in manchen Dingen recht – aber selbst sogenannte Verbraucherschützer kommen jetzt auch auf die Idee die Rentenversicherung ist nicht schlecht – Fonds lösen die Probleme auch nicht. Wenn ich jetzt schon von Fonds schreibe komme ich auch nicht darum herum zu sagen, dass die Menschen hier auch nicht gerade davon überzeugt sind – gerade dann wenn das Geld benötigt wird – ist es auch so, dass die Aktienmärkte fallen können und nicht gerade wenig. Wer von den „einfachen“ Leuten kümmert sich denn wirklich so um seine Aktien bzw. Fondsanlage? Gerade diese Menschen verkaufen bzw. kaufen dann oft zum falschen Zeitpunkt. Vielen fällt dann auch noch ein, dass Sie das verfügbare Kapital eines Fonds oder Bankkontos für etwas anderes verwenden und nicht den Zinseszinseffekt nutzen (gut der ist gerade nicht so hoch) – aber das Geld wird dann doch mal schneller für etwas anderes verwendet als für die Altersvorsorge. Die Rentenversicherung wird nicht so schnell aufgelöst. Ich habe hier sicherlich ein paar Themen angeschnitten – aber ich bin mir sicher, für viele Menschen ist eine Rentenversicherung eine sehr gute Lösung.

Comments are closed.

* Was der Stern bedeutet:

Wir wollen mit unseren Empfehlungen möglichst vielen Menschen helfen, ihre Finanzen selber zu machen. Daher sind unsere Inhalte kostenlos im Netz verfügbar. Wir finanzieren unsere aufwändige Arbeit mit sogenannten Affiliate-Links. Diese Links kennzeichnen wir mit einem Sternchen (*).

Bei Finanztip handhaben wir Affiliate-Links aber anders als andere Websites. Wir verlinken ausschließlich auf Produkte, die vorher von unserer unabhängigen Experten-Redaktion empfohlen wurden. Nur dann kann der entsprechende Anbieter einen Link zu diesem Angebot setzen lassen. Geld bekommen wir, wenn Du auf einen solchen Link klickst oder beim Anbieter einen Vertrag abschließt.

Ob und in welcher Höhe uns ein Anbieter vergütet, hat keinerlei Einfluss auf unsere Empfehlungen. Was Dir unsere Experten empfehlen, hängt allein davon ab, ob ein Angebot gut für Verbraucher ist.

Mehr Informationen über unsere Arbeitsweise findest Du auf unserer Über-uns-Seite.