
Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzieren gemeinsam die Rentner – was vor 50 Jahren noch leicht zu stemmen war, ist inzwischen ein Kraftakt. Mit dem Renteneintritt der besonders geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten zehn Jahren (Babyboomer) wird das Problem noch größer. Heute versorgen 1,8 Beitragszahler einen Rentner, im Jahr 2030 werden es voraussichtlich nur noch 1,5 Beitragszahler sein. Vor knapp 50 Jahren waren es 4. Schon heute pumpt der Staat jedes Jahr mehr als 100 Milliarden Euro Steuergelder in die Deutsche Rentenversicherung (DRV).
Die letzte große Reform gab es vor 20 Jahren: Damals wurden die Riester-Rente für Angestellte und die Rürup-Rente für Selbstständige eingeführt. Der Plan war, die Renten nicht mehr komplett aus der Rentenkasse zu finanzieren. Jeder sollte parallel auch privat fürs Alter vorsorgen – mit Förderung des Staates. Das hatte allerdings nicht den gewünschten Effekt. Seit die Sparzinsen im Keller sind, fressen die hohen Kosten der meisten Riester-Verträge die Rendite auf.
Nur die Hälfte der Beschäftigten hat eine Betriebsrente; und die eigenen vier Wände als Alterssicherung sind für immer weniger Bundesbürger bezahlbar. Es geht also in der kommenden Wahlperiode darum, das Altersvorsorge-System mit gezielten Schritten über Jahre zu stabilisieren.
In diesem Sonder-Newsletter schauen wir auf die Ideen und Forderungen der Parteien vor der Bundestagswahl. Und vor allem darauf, was diese für Dich konkret bedeuten könnten:
Rentenpolitische Pläne der Parteien im Bundestag
Um die gesetzliche Rente in Zukunft finanzieren zu können, müssen entweder die Einnahmen erhöht oder die Ausgaben gesenkt werden. Die Stellschrauben bei den Ausgaben, an denen die Parteien drehen können: Rentenniveau, Renteneintrittsalter und der Anteil privater Vorsorge. Bei den Einnahmen sind es Beitragssatz und Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Doch längst nicht alle Wahlprogramme beinhalten belastbare Zahlen, welche Ausgaben-Schraube wie weit gedreht werden soll. Noch vager sind die Ideen zur Finanzierung.
Wie hoch soll das Rentenalter sein?
SPD: höchstens 67 Jahre
CDU: 67 Jahre
Grüne: 67 Jahre
Linke: 65 Jahre
FDP: flexibel (ab 60 Jahre)
AfD: äußert sich im Parteiprogramm weder zu diesem noch zu den folgenden Punkten konkret.
Was bedeutet das für Deinen Renteneintritt?
Das Alter, ab dem Du ohne Abschläge in Rente gehen kannst, liegt in Deutschland derzeit bei 67 Jahren. Ein späteres Rentenalter würde der gestiegenen Lebenserwartung Rechnung tragen und gleichzeitig die Rentenkasse entlasten, weil alle länger einzahlen, bevor sie Rente beziehen könnten. Beispielsweise mit 68 Jahren.
Hast Du mindestens 35 Jahre gearbeitet (und in die Rentenkasse eingezahlt), könntest Du auch dann mit 67 in Ruhestand gehen. Deine Rente ist dann etwas geringer. Als angestellte Durchschnittsverdienerin liegt die Differenz bei 37 Euro netto pro Monat. Hast Du bereits 45 Arbeitsjahre auf dem Buckel, kannst Du sogar schon jetzt abschlagsfrei bis zu zwei Jahre früher als gesetzlich vorgesehen in Rente gehen. Unabhängig davon, wie hoch das Eintrittsalter ist.

Wie hoch soll der Beitragssatz zur Rente sein?
Keine der Parteien äußert sich vor der Wahl zu diesem Aspekt. Offenbar wollen sich alle offenhalten, den Beitragssatz bei Bedarf zu verändern. Bislang gilt der Beschluss der alten Koalition, 20 Prozent des Einkommens bis 2025 nicht zu überschreiten.
Was bedeutet der Beitragssatz für Dich?
Eine Möglichkeit, das Rentensystem zu stabilisieren, ist die Anhebung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung. Das ist der Anteil, den Du als Angestellter zusammen mit Deiner Arbeitgeberin von Deinem Gehalt an die Rentenversicherung zahlst, um die heutigen Renten zu finanzieren. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent, je zur Hälfte bezahlt von Arbeitnehmerin und Arbeitgeber.
Eine Erhöhung auf 20 Prozent, bei der weiterhin beide Seiten gleich viel zahlen, würde sich für einen Durchschnittsverdiener (Bruttojahreseinkommen von etwa 41.500 Euro) nur wenig auswirken: 16 Euro weniger im Portemonnaie jeden Monat. Eine Erhöhung auf 22 Prozent wäre dagegen schon eher spürbar. Unser Durchschnittsverdiener hätte dann pro Monat 40 Euro weniger zur Verfügung. Da es sich um einen Prozentsatz handelt, ist das Minus für Geringverdiener kleiner, für Gutverdiener größer.
Wie hoch soll das Rentenniveau sein?
SPD: mindestens 48 Prozent
CDU: keine Angabe
Grüne: mindestens 48 Prozent
Linke: 53 Prozent
FDP: keine Angabe
Was bedeutet das Rentenniveau für Dich?
Das Rentenniveau gibt an, wie viel Prozent des letzten Einkommens ein sogenannter Eckrentner (45 Arbeitsjahre beim deutschen Brutto-Durchschnittslohn von derzeit rund 41.500 Euro) im Ruhestand als Rente vor Steuern bekommt. Aktuell liegt es bei 48 Prozent, was 1.325 Euro entspricht. Netto bleibt ein etwas höherer Prozentsatz übrig, abhängig von der Höhe des Einkommens. In diesem Fall sind es 1.225 Euro.
Ein Beispiel, was das konkret bedeutet: Eine deutsche Durchschnittsverdienerin hat jeden Monat netto 2.270 Euro zur Verfügung. Nehmen wir an, sie gibt 1.900 Euro aus – das orientiert sich am Durchschnitt laut Statistischem Bundesamt. Dann hat sie von ihrem Gehalt jeden Monat 370 Euro übrig. Etwa zum Sparen.
Wenn sie dieses Jahr in Ruhestand geht, bekommt sie eine Rente von 1.225 Euro. Zwar reduzieren sich auch ihre Ausgaben – im Durchschnitt auf 1.600 Euro –, doch auch dafür reicht ihr die Rente nicht. Nach Abzug der Kosten entsteht jeden Monat ein dickes Minus in Höhe von 375 Euro.
Rechenbeispiel
Gehalt | Rente | |
Euro monatlich | 2270 | 1225 |
AUSGABEN | 1900 | 1600 |
Wohnen und Energie | 750 | 750 |
Ernährung | 350 | 250 |
Urlaub | 200 | 100 |
Freizeit | 150 | 100 |
Bekleidung | 100 | 50 |
Mobilität | 100 | 50 |
Telekommunikation | 100 | 100 |
Versicherungen | 100 | 50 |
Gesundheit | 50 | 150 |
Einnahmen | 2270 | 1225 |
Ausgaben | 1900 | 1600 |
Ergebnis | +370 | -375 |
(Quelle: Finanztip-Berechnung)
Unabhängig davon, welche Parteien nach der Wahl die Regierung bilden, und unabhängig von den geplanten Maßnahmen: Die Rente vieler Arbeitnehmer wird nicht ausreichen, um den Lebensstandard auch nur annähernd zu halten. Unklar ist auch, ob die künftigen Rentenerhöhungen immer die Inflation ausgleichen können. Die Rechnung könnte also noch etwas ungünstiger ausfallen.
Du musst damit rechnen, im Ruhestand deutlich weniger Geld zu haben. Daher ist es umso wichtiger, dass Du selbst für Dich vorsorgst. Viele Menschen sparen seit der Stärkung der privaten Vorsorge bereits mit einer Betriebsrente, einem Riester– oder einem Rürup-Vertrag für den Ruhestand an.
Was haben die Parteien mit der Riester-Rente vor?
SPD: Einführung eines kostengünstigen Standard-Produkts
CDU: Einführung eines kostengünstigen Standard-Produkts
Grüne: Riester-Rente durch Bürgerfonds ersetzen
Linke: Riester-Rente in Deutsche Rentenversicherung überführen
FDP: Aktienrente zusätzlich zur Riester-Rente einführen

Lohnt sich Riestern noch?
Die Parteien der Großen Koalition haben in den vergangenen Jahren eine dringend nötige Reform der Riester-Rente versäumt, obwohl sie eine angekündigt hatten. Ihre Idee für die kommende Legislaturperiode lautet nun, die Kosten für die Sparer durch ein Standard-Produkt zu reduzieren. Die FDP fordert, Riester zu erhalten und zusätzlich eine Aktienrente einzuführen. Die Grünen planen, die vielfältigen, aber teuren Riester-Produkte durch einen einheitlichen Bürgerfonds zu ersetzen. Die Linke will zum ursprünglichen System ohne Riester zurück, in dem sich die Renten allein aus dem Umlageverfahren der DRV speisen (mit einem höheren Rentenniveau von 53 Prozent).
Für Dich ist wichtig: Grundsätzlich ist die private Vorsorge ein gutes zweites Standbein. Kündige Deine Verträge nicht überstürzt, auch wenn Du mit der bisherigen Entwicklung unzufrieden sein solltest. Gut möglich, dass bessere Produkte auf den Markt kommen, in die Du wechseln kannst. Neue Lebens- oder Rentenversicherungen solltest Du erst einmal nicht abschließen, sondern abwarten. Schiebe die private Vorsorge aber nicht zu lange hinaus.
Unser Tipp: Aktiensparen und Rente optimieren
Hast Du noch mehr als 15 Jahre bis zum Ruhestand, ist auch das Sparen mit Aktien eine Option für Dich. Am einfachsten funktioniert das mit einem Fonds-Sparplan in weltweit gestreute Indexfonds (ETFs). Und zwar mit regelmäßigen Einzahlungen über viele Jahre. Wir begleiten Dich bei den ersten Schritten.
Unabhängig von den Reformen einer neuen Bundesregierung: Es gibt schon jetzt ein paar Möglichkeiten, Deine Rente zu verbessern. Sowohl bevor Du in Rente gehst, indem Du freiwillig in die Rentenkasse einzahlst. Oder indem Du Dir Pflegezeiten anrechnen lässt, wenn Du Dich um Angehörige kümmerst. Aber auch in der Rente hast Du Möglichkeiten. Du kannst zum Beispiel etwas Geld hinzuverdienen.
Manche wollen auch früher in Rente gehen, haben gut vorgesorgt. Wie Du das geschickt machen kannst, ohne zu große Abschläge zu erleiden, haben wir hier aufgeschrieben. Weitere Informationen findest Du im Ratgeber zur gesetzlichen Rentenversicherung und in unserer Rentenserie.
Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien:
Wenn Du an den Details interessiert bist, findest Du hier die Wahlprogramme. Sie sind allerdings ordentliche Schmöker: 140 eng bedruckte Seiten sind es etwa bei der CDU/CSU, sogar 272 Seiten bei den Grünen.
Weitere Artikel zur Wahl 2021:
Klimapolitik
Bau- und Wohnpolitik
Martin Klotz ist bei Finanztip für die Themenbereiche Altersvorsorge und Einkommenssicherung verantwortlich. Schon in seiner Zeit als selbstständiger Finanzplaner schaute er den Versicherern genau auf die Finger und kennt die Stolperfallen von Verträgen. Neben Wirtschaftsthemen brennt Martin vor allem für Sport. In diesem Ressort startete er 2007 auch seine Laufbahn im Radio, parallel zum Studium der Wirtschaftswissenschaften und Journalistik.
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Hallo. Es wird immer ein ganz wichtiger Punkt vergessen. Das sind die Krankenkassenbeiträge. Sofern man noch privat vorgesorgt hat mit Riester oder
Firmenfinanzierten Vorsorge, fällt seit 2004 nicht 7% sondern über 18% Krankenkassenbeiträge an. Das haben wir Ulla Schmidt von der SPD zu verdanken. Das war die Ministerin, der man in mabeja den Dienst pkw geklaut
Hat, den sie sich hat nachkommen lassen.Derzeit gibt es 6 Millionen Verträge die dies betrifft. Damals waren die Krankenkassen knapp bei Kasse, dies hat sich geändert. Gekniffen sind alle die
Privat vorgesorgt haben.
Danke für diese Information, sehr wichtig.
Dennoch gibt es eine unkorrekte bzw. Falsche Passage:
„Hast Du mindestens 35 Jahre gearbeitet (und in die Rentenkasse eingezahlt), könntest Du dennoch mit 67 in Ruhestand gehen. Deine Rente ist dann etwas geringer.“
Was soll hier das „dennoch“? Wie vorher im Artikel erklärt, gilt selbstverständlich das Renteneintrittsalter mit 67!, oder nicht?
Bei diesem wichtigen Thema wären klare eindeutige Aussagen wichtig.
Ansonsten benutze ich gerne Finanztip als Ratgeber in allen fragen.
Sehr geehrte Frau Emmerich,
in dem angesprochenen Absatz berechnen wir, was passiert, wenn ich bei einem gesetzlichen Renteneintrittsalter von 68 Jahren dennoch mit 67 Jahren in Rente gehen möchte. Daher die Formulierung. Wir haben die Textstelle etwas weiter konkretisiert, damit sie noch besser zu verstehen ist.
Herzliche Grüße