Aktien bei sinkendem Kurs verkaufen und wieder zurückkaufen? (Umgang mit dem Verlusttopf)

  • Frage

    Kann es sinnvoll sein, eine erworbene Aktie - mit der man gerade in der Verlustzone ist - zu verkaufen und sofort wieder zurückzukaufen? (Thema herausgezogen aus Verkauf von Altfonds)


    Angenommen

    • Die Kauf- und Verkaufskosten können in Relation zum Wert der Aktien vernachlässigt werden


    A) DIE AKTIE ERHOLT SICH WIEDER


    Szenario #1

    • Ich habe Aktie X in 2023 für 500 Euro gekauft
    • Sie sinkt in 2023 auf 400 Euro
    • Ich verkaufe 2023 bei 400 Euro und kaufe sofort bei 400 Euro zurück
    • Ich mache 2023 damit einen Verlust von 100 Euro
    • Der Wert der Aktie steigt 2024 wieder auf 500 Euro
    • Ich verkaufe 2024 zum Preis von 500 Euro
    • Ich mache damit 2024 einen Gewinn von 100 Euro
    • => 100 Euro Verlust 2023 + 100 Euro Gewinn 2024 = 0 Euro Gesamtgewinn

    Das scheint also ein Nullsummenspiel zu sein(?)


    Szenario #2

    • Wenn ich parallel zur Aktie X (s.o.) dauerhaft eine zweite Aktie Y als Dividendenpapier halte, die mir jährlich 300 Euro Dividendengewinn bringt, dann:
    • Die 100 Euro Verlust für Aktie X aus 2023 werden damit verrechnet und der Gewinn von 2023 reduziert sich auf 200 Euro
    • Die 100 Euro Gewinn für Aktie X aus 2024 addieren sich für 2024 und ergeben einen Gesamtgewinn in 2024 von 400 Euro
    • => in Summe für 2023 und 2024 zusammen ergibt sich lediglich eine Verschiebung von Gewinnen. Zusammen sind es 600 Euro. Genausoviel Gewinn wäre als Dividende auch für Aktie Y alleine über die beiden Jahre angefallen.

    Das scheint mir auch ein Nullsummenspiel zu sein(?)



    B) DIE AKTIE ERHOLT SICH NICHT WIEDER


    Szenario #3a (auch hier das Zusammespiel von Aktie X und Aktie Y)

    • Wenn die Aktie X sich nicht erholt und ich sie in 2024 zu 400 Euro verkaufe (warum auch immer ich mich entschliesse, nicht zu auf eine bessere Kursentwicklung in der Zukunft zu warten), dann:
    • Habe ich 2023 einen Gesamtgewinn von 200 Euro gemacht
    • Habe ich 2024 einen Gesamtgewinn von 300 Euro gemacht
    • Für 2023 und 2024 zusammen eine Gesamtgewinn von 500 Euro

    Szenario #3b

    • Hätte ich die Aktie schon 2023 für 400 Euro abgestossen, dann:
    • Hätte ich 2023 einen Gesamtgewinn von 200 Euro gemacht
    • Hätte ich 2024 wieder einen Gesamtgewinn von 300 Euro gemacht
    • Für 2023 und 2024 zusammen eine Gesamtgewinn von 500 Euro

    Szenario #3a und Szenario 3b laufen auf dasselbe hinaus - ich realisiere eine Verlust von 100 Euro (bzw. mindere meinen Gewinn um 100 Euro)



    B) DIE AKTIE ERHOLT SICH NICHT WIEDER UND ICH MACHE IN DEN FOLGEJAHREN LEIDER VERLUSTE, KEINE GEWINNE MEHR


    Wenn ich im Jahr 2024 insgesamt keinen Gewinn mache sondern im Gesamtergebnis einen Verlust - vielleicht wegen ungünstiger Bedingungen am Aktienmarkt, wo auch Aktie Y keine Dividende abwirft (als Annahme) - dann:


    Szenario #4a

    • Wenn ich Aktie X in 2023 zu 400 verkauft und wieder zu 400 Euro zurückgekauft habe, dann habe ich in 2023 eine Gesamtgewinn von 200 Euro gemacht, und hierauf 25% KapESt gezahlt: 50 Euro
    • Aktie X mache ich in 2024 keinen Gewinn/Verlust - denn ich verkaufe sie wieder zu 400 Euro

    -> 200 - 50 = 150 Euro netto Gewinn für 2023/2024


    Szenario #4b

    • Wenn ich die Aktie X in 2023 nicht verkaufe und sofort wieder zurückkaufe, dann habe ich in 2023 über Aktie Y 300 Euro Gewinn gemacht und hierauf 25 KapEst gezahlt: 75 Euro
    • Für Aktie X mache ich in 2024 eine Verlust von 100 Euro (und weitere Annahme: diesen Verlust bekomme auch auch 2026 nicht ausgeglichen)

    -> 300 - 75 - 100 = 125 Euro netto Gewinn für 2023/2024



    D.h. wenn ich durch Verkauf und sofortigen Rückkauf einer z.Zt. verlustbringenden Aktie X diesen Verlust vorziehen kann, in ein Jahr mit ansonsten positiven Gesamtgewinn, dann wird dieser Verlust steuermindernd für die KapEst. D.h. meine verminderte KapEst in 2023 bezahlt quasi einen Teil meines Verlustes von Aktie X. Dieser Effekt tritt aber nur auf, wenn ich den ansonsten im Folgejahr anfallenden Verlust nicht im selben Jahr - oder im Folgejahr (2025) - mit Gewinnen ausgleich kann.


    Ist das so richtig? Oder habe ich etwas übersehen?

  • Ist das Verbot der Verrechnung von Aktienverlusten mit Dividendengewinnen schon aufgehoben? Ich war der Meinung, dass die Sache noch anhängig ist. Dann wären einige Szenarien hinfällig.

    Und schon wieder etwas gelernt.

    Deshalb mag' ich dieses Forum.
    Ich muss eingestehen, dass ich von solch einem "Verbot der Verrechung von Aktienverlusten mit Dividendengewinnen" nix wusste.

    Und dieses Verbot lässt sofort eine Menge neue Fragen bei mir hochkommen, die ich aber lieber in einem separaten Thread diskutieren würde, damit wir hier nicht den Fokus auf die ursprüngliche Frage verlieren.


    Angenommen, wir ersetzen gedanklich meine Formulierung oben für Aktie Y als Dividendenpapier durch irgendwelche anderen Aktienhandel mit Aktien Y[i], welche die Gewinne ermöglichen, die dem Verlust von Aktie X gegenüberstehen.
    Wie sieht es dann mit meinen Szenarien oben aus?

  • Einschub: blöder Fehler von mir:


    Zitat

    Zum einen gibt es einen Aktienverlustverrechnungstopf und zum anderen den Allgemeinen Verlustverrechnungstopf.


    Aktienverlustverrechnungstopf:

    • Gewinne aus Aktien
    • Verluste aus Aktien

    Allgemeiner Verlustverrechnungstopf:

    • Gewinne & Verluste aus den übrigen Assetklassen
    • Zinsen
    • Dividenden

    Das sind die zwei separaten Verlusttöpfe - da wurde schon mehrfach drauf hingewiesen.

  • Die Sache mit der Verlustverrechnung wird vom BFH als verfassungswidrig angesehen und hat sie deshalb dem BVerfG vorgelegt. Dort liegt es seit 2020. https://www.bundesfinanzhof.de…ine/detail/STRE202110103/


    Mit dem Wachstumschancengesetz sollte das beseitigt werden, ich finde es aber in der Bundestagsdrucksache nicht . https://dserver.bundestag.de/btd/20/086/2008628.pdf


    Kleiner Tipp: ETF-Verluste vs. Dividenden und Zinsen geht.


    Zur Frage mit den Szenarien: Die Börsenweisheit "Verluste begrenzen - Gewinne laufen lassen" gilt mMn auch hier. Die Folgefrage ist, wie lange man die Verluste vor sich herschieben möchte. Ich tendiere dazu, das im Kalenderjahr glattzuziehen. Ansonsten ist die rechtliche Konstruktion tatsächlich ein Nullsummenspiel. Da bei den Szenarien einem Verlustvortrag tatsächlich abgeführte Steuer entgegen stehen würde wäre ich wenig motiviert den Verlust nicht auszugleichen.

  • Eine Annahme "ich mache in den Folgejahren keine Gewinne mehr" halte ich für unrealistisch, zumindest langfristig.


    Jeder Verlustvortrag (oberhalb des Sparerfreibetrages) ist nur eine verschobene Steuerzahlung. Eine bewusste Realisierung eines Verlustes würde ich nur machen, wenn zeitnah eine Verrechnung mit Gewinnen möglich ist.

  • Jeder Verlustvortrag (oberhalb des Sparerfreibetrages) ist nur eine verschobene Steuerzahlung. Eine bewusste Realisierung eines Verlustes würde ich nur machen, wenn zeitnah eine Verrechnung mit Gewinnen möglich ist.

    Im Prinzip ja. Sinn macht die Aktion, wenn man den Freistellungsauftrag in einem zukünftigen Jahr absehbar nicht ausnutzt, oder mit dem zu versteuernden Einkommen (Kapitalerträge+Bruttolohn abzüglich Vorsorgeaufwand und Sparerfreibetrag) unterhalb des Grundfreibetrags landet und somit mögliches steuerfreies Einkommen verschenkt.


    Um die separierte Verlusttopfrechnung zu umgehen, kann man auch ausschließlich in dividendenlose Aktien (Tesla, HelloFresh) investieren. Dann hat man auch mit ausländischer Quellensteuer und Vorabpauschale (bei ETF) nichts am Hut. Manche Zeitgenossen verwenden die amerikanischen Big 7 auch als Tagesgeldersatz.

    Oder man kann den Freistellungsauftrag am Jahresanfang gezielt für Aktienverkaufsgewinne nutzen, wenn man später im Jahr noch andere Kapitalerträge hat.


    Es gibt übrigens noch den Verlusttopf für wertlos ausgebuchte Wertpapiere. Der wird nur beim Finanzamt geführt, mit maximal 20.000 Euro Absetzbarkeit pro Jahr. Da kann es Sinn machen, kurz vor dem Aussetzten des Börsenhandels das Schrottpapier noch abzustoßen, damit der Verlust im Aktientopf bei der Bank landet. Oder umgekehrt.