[Arbeitsrecht] Kurzarbeit nicht möglich - Unternehmen stellt uns vor die Wahl - was tun?

  • Hallo liebes Finanztip Forum,


    ich weiß nicht, wen ich sonst um Rat fragen soll. Aber das Thema dürfte in der gegenwärtigen Wirtschaftslage in Deutschland sicher einige interessieren und betreffen.


    Ich werde mich kurz fassen. Unserem Unternehmen geht es seit einigen Monaten wirtschaftlich nicht so gut, aber bis Dezember haben wir immerhin schwarze Zahlen geschrieben. Liegen aber weit hinter den wirtschaftlichen Erwartungen der Muttergesellschaft in Japan zurück. Unsere Sales opportunities sind laut Sales weiterhin positiv, aber in der Praxis werden wir wohl auf unabsehbare Zeit weiterhin rote Zahlen schreiben.


    Da unsere opportunities weiterhin positiv - auf dem Papier - sind, kann laut dem Chef keine Kurzarbeit beantragt werden. Das Unternehmen verlangt nun von jedem Mitarbeiter eine Entscheidung - auf freiwilliger Basis - aber natürlich der Wink mit dem Zaunpfahl. Folgende Optionen stehen zur Auswahl. Welche ist die beste von den Übeln? (Natürlich hält mich langfristig nichts mehr in der Firma)

    1. Minusstunden aufnehmen und frei haben, bei gleichem Gehalt

    (Unklar wie viele Minusstunden man machen darf / soll und wie das später im Jahr gehandelt wird…man kann ja keine 40h oder mehr ins minus gehen, das kann keiner mehr reinarbeiten oder wie ist das, wenn AG oder AN kündigen – muss man dann das Geld zurückzahlen?)


    2. In Teilzeit gehen und weniger verdienen

    3. Unbezahlten Urlaub nehmen (schlechte Idee - steht nicht wirklich zur Debatte)

    4. Jahresurlaub aufbrauchen (noch schlechtere Idee - steht nicht wirklich zur Debatte)


    Um das Ganze noch etwas komplexer zu machen. Vor einigen Monaten habe ich mich beim AG mit der Idee gemeldet, statt einer Gehaltserhöhung nur noch 32h statt 40h bei gleichem Gehalt zu arbeiten. Darüber ist noch nicht entschieden worden.


    Mein Kompromissvorschlag wäre nun, dem AG ein letztes mal entgegen zu kommen und vorzuschlagen, für 3 Monate in TZ mit weniger Gehalt zu arbeiten - unter der Prämisse wenn ich danach in 32h weiterarbeiten kann, aber wieder mein ursprüngliches Gehalt erhalte. So wie ich es vor kurzem in meiner Gehaltserhöhungsidee vorgeschlagen habe.


    Eine zweite Alternative Idee ist, 8 Minusstunden pro Woche zu nehmen, 32 Stunden zu arbeiten und trotzdem den vollen Lohn zu erhalten. Wieder mit der Prämisse, dass nach 3 Monaten auf 32h bei vollem Lohn ohne Minusstunden umgestellt wird. Die angefallenen Minusstunden kann ich dann in TZ wieder reinarbeiten. Dies wäre natürlich bei 96 h Minusstunden über 3 Monate kumuliert sehr viel Minus h.

  • Hallo Finanzfranzhans,


    erst einmal gefragt:

    Ist das Unternehmen tarifgebunden? Da gibt es für solche Fälle oft schon einen Lösungskorridor.

    Gibt es einen Betriebsrat, der die Eckpunkte für alle Mitarbeiter verhandelt oder kämpft jeder für sich allein (und ggf. auch noch gegen den Kollegen)?


    Gruß Pumphut

  • Hi, wir sind nicht tarifgebunden.


    Wir sind kein großes Unternehmen in EU ca. 100 Mitarbeiter, 40-50 am Standort. Der BR ist kein kämpfender, sondern eher Abnicker, der hier und da mal was sagt, größenteils aber der GF zustimmt.


    In der Betriebsvereinbarung steht folgendes, anscheinend hat der BR bis zu 400h zugestimmt. Das "Angebot" des AG zu den oben genannten Optionen ist aber auf "freiwilliger Basis".


    "Zeitschulden von 160 bis 600 Std. sind aufgrund betrieblicher Gegebenheiten, wie z.B. schlechte Auslastung der Produktion, mit Zustimmung des zuständigen Vorgesetzten und nach Zustimmung des Betriebsrates zulässig"

  • Hallo,


    ich bin auf der Seite von Finanzfranzhans. Wir reden hier vorrangig nicht über eine rechtliche Frage, sondern um die Frage, das Wohlwollen des Arbeitgebers (Chefs) zu erhalten, möglichst in den Grenzen des Arbeitsrechts. Was hilft es, Recht zu bekommen, wenn man bei der Entlassung der erste ist – selbstverständlich aus rein objektiven Gründen. Wenn die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wurde, ist es Zeit für den Anwalt.


    Ich kann und will hier keinen Rat zu den Varianten geben. Aber m.E. sollte es die sein, die Ihnen den Arbeitsplatz am ehesten sichert, auch wenn sie ggf. finanziell nicht die Beste ist. Und parallel sollten Sie selbstverständlich nach einer anderen Stelle Ausschau halten; was derzeit sicher nicht ganz einfach ist.


    Viel Erfolg und Gruß Pumphut

  • Ein Kumpel von mir ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und der erzählt mir andauernd, wie er Unternehmen auseinandernimmt.

    Wenn ich deinen Fall lese, dann würde ich mir in deinem Fall einen ebensolchen Fachanwalt in deiner Nähe aufsuchen und dem ein paar Hundert Euro für seine Einschätzung bezahlen.

    Ggf. rät er dir ja z.B. dazu bestimmte "Beweise" für ein rechtswidriges Handeln deines Arbeitgebers schon jetzt zu sammeln. Denn wenn es dann um Entlassungen etc geht, bist du gut vorbereitet.

    Alles natürlich im Verborgenen. Die "schmutzigen" Tricks kennt ein kompetenter Fachanwalt für Arbeitsrecht. Und bei der dummen Vorgehensweise deines AGs wären die miener Meinung nach auch angebracht.

  • Kostet halt eine Stange Geld, deshalb informiere ich mich gerne selber dazu und frage in diesem Forum.

    Ein Erstgespräch kostet nicht die Welt. Damit hast du aber eine Grundlage, was für deinen speziellen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung gilt.

    Folgende Optionen stehen zur Auswahl. Welche ist die beste von den Übeln? (Natürlich hält mich langfristig nichts mehr in der Firma)

    Ganz ehrlich...wenn du ohnehin deinen Abgang planst, würde ich mich einfach stur stellen und 40h zur Arbeit kommen. Dass auch mal ein paar Monate weniger Aufträge reinkommen, ist das normale unternehmerische Risiko und nicht das Problem der Mitarbeiter.

  • Wow. Das wäre eine saftige Gehaltserhöhung von 25 %! Kein Wunder ist darüber noch nicht. entschieden worden ;)

    Mein Gehalt liegt unter dem Median. Habe auch von einem Kollegen, der damals gekündigt hat noch eine Position obendrauf genommen, die mich ein paar h pro Woche kostet. Zuerst wollte ich eine Gehaltserhöhung, aber als die wirtschaftliche Lage immer schlechter wurde, habe ich mich für diesen Vorschlag entschieden.


    Das Arbeitspensum bleibt für mich gleich, ich habe es angeboten. Es gibt niemanden, der meine Arbeit macht, Einzelposition. Der AG hat also keinen großen Nachteil, da er immer noch relativ wenig für die 1 1/2 Stellen bezahlt, aber die Arbeit gemacht wird. Wenn ich gehe braucht er 2 Leute dafür und darf das doppelte ausgeben. Anderes Thema.

  • Ich verstehe die Ausgangslage nicht und frage aus Neugier:

    Unserem Unternehmen geht es seit einigen Monaten wirtschaftlich nicht so gut, aber bis Dezember haben wir immerhin schwarze Zahlen geschrieben. Liegen aber weit hinter den wirtschaftlichen Erwartungen der Muttergesellschaft in Japan zurück. Unsere Sales opportunities sind laut Sales weiterhin positiv, aber in der Praxis werden wir wohl auf unabsehbare Zeit weiterhin rote Zahlen schreiben.

    Habt ihr jetzt bis Dezember schwarze Zahlen geschrieben, aber ab Januar (der ja noch nicht rum ist) erwartet ihr rote Zahlen und das dann auf unabsehbare Zeit weiterhin?


    Hallo liebes Finanztip Forum,


    Unsere Sales opportunities sind laut Sales weiterhin positiv, aber in der Praxis werden wir wohl auf unabsehbare Zeit weiterhin rote Zahlen schreiben.


    Da unsere opportunities weiterhin positiv - auf dem Papier - sind, kann laut dem Chef keine Kurzarbeit beantragt werden.

    Wieso kann Sales irgendetwas positives behaupten, das im Gegensatz zu "auf unabsehbare Zeit weiterhin rote Zahlen" steht?

    Und wer kann wem gegenüber keine Kurzarbeit wegen der Prognosen von Sales beantragen? Die Firma gegenüber den Eigentümern? Oder ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig und würde die wegen Zahlen von Sales einen Antrag auf Kurzarbeit ablehnen?


    Alle dann vom AG vorgeschlagenen Optionen laufen darauf hinaus, dass man weniger oder nicht arbeitet und dann dafür entweder auch kein Geld bekommt, oder Minusstunden ansammelt, damit man dann ranklotzen kann, falls und wenn die von Sales prognostozierten Aufträge wirklich kommen?


    Sollen da die AN der betroffenen Firma direkt herangezogen werden, anstatt das über Kurzarbeitergeld wenigstens auf die Versichertengemeinschaft bei der Bundesagentur für Arbeit zu übertragen?

    Warum?

  • Wieso kann Sales irgendetwas positives behaupten, das im Gegensatz zu "auf unabsehbare Zeit weiterhin rote Zahlen" steht?

    Weil wir das im Sales ständig machen :) Geschäftsleitungen mögen bei der Budgetplanung des Vetriebs keine "roten Zahlen". Interessenkonflikte halt. Und dann kommen sie plötzlich doch mal um die Ecke, die roten Zahlen, die Vetrieb schon im letzten Jahr versucht hat anzukündigen. Dann ist Polen offen. Normale Mechanismen. ;)

    1. Minusstunden aufnehmen und frei haben, bei gleichem Gehalt

    .....

    wie ist das, wenn AG oder AN kündigen – muss man dann das Geld zurückzahlen?)

    ....

    Bei uns ist in einer Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeitkonten, Arbeitszeit und deren Erfassung geregelt, dass bei Ausscheiden aus dem Unternehmen (unabhängig wie) nicht abgefeierte Plusstunden ausgezahlt werden und nicht aufgeholte Minusstunden verfallen.


    Habt ihr auch eine Betriebsvereinbarung oder anderes Dokument, wo die Arbeitszeiten und deren Erfassung sowie Arbeitszeitkonten geregelt sind?

  • Bei uns ist in einer Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeitkonten, Arbeitszeit und deren Erfassung geregelt, dass bei Ausscheiden aus dem Unternehmen (unabhängig wie) nicht abgefeierte Plusstunden ausgezahlt werden und nicht aufgeholte Minusstunden verfallen.


    Habt ihr auch eine Betriebsvereinbarung oder anderes Dokument, wo die Arbeitszeiten und deren Erfassung sowie Arbeitszeitkonten geregelt sind?

    Ja, aber da steht aber nicht drin, wie mit Minusstunden bei Kündigung umgegangen wird.

  • Das hier geschriebene

    Arbeitszeiterfassung: Kann der Arbeitgeber Minusstunden bei Kündigung vom Gehalt abziehen?
    Wer weniger als vertraglich vereinbart arbeitet, sammelt Minusstunden. Was geschieht im Fall einer Kündigung mit Minusstunden? Und dürfen sie mit Urlaub…
    www.handelsblatt.com


    Sollte immernoch gelten.


    Interessant ist neben dem unteren Absatz dass minus Stunden bei Kündigungen vom Gehalt abgezogen werden können, wenn nicht anders vereinbart oder ausgeglichen werden könne vor allem dieses, dass wäre dann entsprechend deinerseits zu dokumentieren wenn du einen Lohnabzug wenn du gekündigt hast nicht hinnimmst, bzw. Wenn du die minus Stunden löschen lassen willst.


    Zitat

    Minusstunden durch den Arbeitgeber verursacht: Was gilt hier?

    Wenn der Arbeitgeber selbst die Verkürzung der Arbeitszeit anordnet, weil es keine Arbeit gibt oder aufgrund eines Stromausfalls, dürfen die anfallenden Minusstunden dem Arbeitnehmer gemäß § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht angerechnet werden. Diese Minusstunden sind unverschuldet, was bedeutet, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall keine Nachteile erleiden darf, wie etwa Stunden- oder Lohnabzug.

  • Das Problem bei uns ist aber, dass der AG keine Minusstunden anordnet, sondern auf "Freiwilligkeit uns aus den genannten Optionen selbst auswählen lässt.


    Er legt dann seine Verantwortung / schlechte Wirtschaftlichkeit auf uns, die AN um. Bzw setzt uns auch etwas die Pistole auf die Brust, wer keine von den "freiwilligen" Optionen auswählt, ist natürlich komplett unten durch.


    Bei Kündigung des AN würde dann folgendes zutreffen - wenn ich Option 1 wählen würde, da die Minusstunden freiwillig von mir genommen wurden - obwohl die schlechte Wirtschaftlichkeit des AG Schuld ist.


    "Minusstunden bei Kündigung

    Kündigt der Arbeitnehmer oder wird ihm gekündigt, muss er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses seine Minusstunden durch Überstunden ausgleichen. Ist das nicht geschehen, darf der Arbeitgeber diese mit dem letzten Gehalt verrechnen. Ist kein Arbeitszeitkonto vereinbart, darf der Arbeitgeber auch keine Gehaltskürzung vornehmen."


    Wäre interessant wie das rechtlich aussieht und ob dieser Trick des AG tatsächlich vor Gericht standhält.