Warum kommt die Aktienkultur hierzulande nicht ins Rollen?

  • Liebe Community,

    ich frage mich seit geraumer Zeit, warum nicht viel mehr Menschen in Deutschland den Aktien-/ Kapitalmarkt zur Geldanlage nutzen. Fehlende Mittel und Bildung reichen mir als Gründe nicht aus. Immerhin haben die Deutschen 2,2 Billionen € ihres Ersparten in Anlageformen wie dem Girokonto rumzuliegen, welche keine Gewinne abwerfen (DZ Bank 10/24). Außerdem gibt es seriöse und unabhängige Finanzbildung, auf welche man kostenlos zugreifen kann. Weitere gute Gründe haben die Entwicklungen durch die Neobroker mit sich gebracht - kostenlose Sparpläne und Depotführung, einfache Handhabung, geringe Mindest-Anlagesumme.


    Die Gründe fürs Nicht-Anlegen würde ich wie folgt zusammenfassen, bitte ergänzt eure Meinung:

    - Teil der Gesellschaft kann oder will nicht sparen

    - fehlende Bildung und fehlende Vorbilder zum Anlegen

    - Angst vor dem Risiko

    - schlechte Erfahrungen einer ganzen Generation (Telekom)

    - Image des Aktionärs als gierig


    Hintergrund meiner Frage ist, dass ich selbst aus einer Familie ohne Aktienkultur komme, ich mich aber mit den ersten Gehältern in das Thema reingelesen und es erfolgreich umgesetzt habe. Ich glaube daher, dass das noch viel mehr Menschen schaffen können, die somit selbst etwas gegen die Wirtschaftskrise tun. Ich frage mich, welche Ergänzung es noch zu den guten bestehenden Angeboten braucht, damit das Anlegen für mehr Leute in Frage kommt.


    Danke für eure Beiträge

    LG Florian

  • Elena H.

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Du fragst hier im Forum eines Fackelverteilers warum so viele Leute im Dunkeln sitzen. 8o

    Zum Glück saßen vielen von uns auch lange Zeit im Dunkeln.


    Im Prinzip würde ich sagen, eine Kombination aus allen genannten Punkten. Manche können nicht sparen, sei es wegen Lebensstil oder mangelndem Einkommen. Aktien haben in Deutschland nicht so den tollen Ruf. Neben 80 Millionen Hobby-Kapitalismuskritikern spielen da sicherlich auch die Erfahrungen der Dotcom-Krise eine Rolle, als das letzte Mal so richtig Aktienstimmung im Land war. Da haben sich viele Leute die Finger verbrannt.

    Letztendlich muss man sich auch bewusst sein, dass das Thema private Altersvorsorge über sehr lange Zeit doch eher optional war. Und als man es zu Schröder-Zeiten dann aus der Ecke geholt hat, hat man dringlichst versucht, die Börse zu vermeiden. Auch dem Genossen der Bosse war die Börse suspekt, seiner Partei ohnehin. Das Signal, dass Börse riskant ist, kam durchaus bei der Bevölkerung an und kurze Zeit später hat man sich in der Finanzkrise natürlich bestätigt gefühlt...

  • Meine Wahrnehmung ist eine andere. Bei den jüngeren ist es inzwischen praktisch normal einen ETF Sparplan zu haben.

    Bei der älteren Generation ist das noch etwas anderes, wobei sich auch hier vermehrt die Einsicht durchsetzt, dass Aktien durchaus sinnvoll sein können, wenn es kaum Zinsen gibt.

    Auf der anderen Seite ist finanzielle Bildung sicher ein Problem und auch generell der Umgang mit Geld und die Möglichkeit überhaupt Geld zu sparen.

  • Ich glaube, diese Zahlen stimmen sowieso nicht. Es gibt Millionen von Menschen, die sich als Kreissparkassen- oder VolksbankkundInnen über alle möglichen Konstrukte am Aktienmarkt zu hohen Gebühren beteiligt haben

  • Ich glaube, die Ursache ist tiefer.


    Lange hat man darauf vertraut, dass die Rente sicher und ausreichend hoch ist. Wofür also eigene Rücklagen bilden?

    Irgendwann kam das Thema auf, dass die gesetzliche Rente nicht reicht und man Dinge wie bAV oder Riester braucht. Und da hat man dann dem geglaubt, bei dem man seit Jahrzehnten das Sparbuch hat.


    Solange überhaupt kein Problembewusstsein existiert, dass Fest- und Tagesgelder nur in wenigen ausgewählten Zeiträumen die Inflation geschlagen haben, besteht auch kein Bedarf, über Alternativen nachzudenken.


    Analog bei Riester und bAV - da besteht heute wenig Problembewusstsein, dass die meisten Verträge nur Geld vernichten.

  • Aktien, Fonds und Gedöns werden als "wartungsintensiver" wahrgenommen als KLV, bAV und BSV. Vielleicht ist es das.


    Welches Depot?

    Welche Fonds?

    Ausschüttend oder thesaurierend?

    (Das sind ja nur ein paar exemplarische Fragen.)

  • Ich würde eher sagen, dass der Staat die zusätzliche Altersvorsorge über Aktien boykottiert hat. Hätte man die frühere Spekulationsfrist nicht komplett abgeschafft, sondern vorsorgefreundlich umgestaltet (z.B. in der Art "steuerfrei nach 20 Jahren und ab 65"), wären mehr Leute eingestiegen. Aber volles Verlustrisiko und dann noch versteuern. Das schreckt ab.

  • Aktien, Fonds und Gedöns werden als "wartungsintensiver" wahrgenommen als KLV, bAV und BSV. Vielleicht ist es das.


    Welches Depot?

    Welche Fonds?

    Ausschüttend oder thesaurierend?

    (Das sind ja nur ein paar exemplarische Fragen.)

    Ich glaube, bis zu diesen Fragen kommen die meisten gar nicht.

  • Die Gründe fürs Nicht-Anlegen würde ich wie folgt zusammenfassen, bitte ergänzt eure Meinung:

    Ich spreche mal von mir selbst. In meinen Zwanzigern hat mich Geldanlage überhaupt nicht interessiert, weil mich auch Altersvorsorge nicht interessiert hat.

    Geld kam mehr als genug rein, ich sah keinen Grund darin, die Überschüsse besser anzulegen, das Leben war auch so gut.

    Außerdem wusste ich auch gar nicht wie. Ich dachte, um an der Börse anzulegen, müsse man ständig Geschäftsberichte lesen und jeden Tag seine Anlage überwachen. Es war so 2009, wo ich mal kurz über ein Sparkassenangebot (Deka Fonds) nachgedacht hatte, aber abgelehnt hatte, weil ich nicht verstanden hatte, was man mir verkaufen wollte und die "Arbeit", die ich damit dann gehabt hätte nicht haben wollte. Mangelnde Bildung war also tatsächlich ein Faktor.


    Ich glaube viele haben einfach keine Lust sich tiefer mit Geldanlage zu beschäftigen (ähnlich wie mit Steuern und Versicherungen). In meiner Familie ist man zufrieden, wenn man ein Festgeld bei der Sparkasse hat, das reicht. Altersvorsorge macht man vielleicht mit privaten Rentenversicherungen oder bAV.


    Man kann sich auch fragen, was ein hohes Vermögen eigentlich bringt. Geld hat auch irgendwann einen Grenznutzen.

    Ein ca. 60-jähriger meinte mal zu mir: "50k € auf der Bank reichen mir."

  • Ich hätte es im Detail etwas anders formuliert, bin aber im Grunde Deiner Meinung.


    Immerhin 50% unserer Gesellschaft leben von der Hand in den Mund, sie geben stets alles aus, was hereinkommt. Ich erinnere mich an die Dame, die eine Strategie ausarbeiten wollte, wie sie für die kaputte Waschmaschine spart.


    Die Aktienanlage, generell die eigene finanzielle Beteiligung an der Wirtschaft, hat einen unglaublich schlechten Ruf im Land, wie auch Dividenden (also der Kapitalertrag) gerade bei denen, die sich selbst für die Guten halten, sehr verpönt sind. Der Lohn des starken Arms des Werktätigen ist immer zu wenig, für den Empfänger aber immer gut, desgleichen die Erträge des Universalsparinstruments des Guten - des Festgeldes. Aber wehe, einer kauft Aktien! Dann stellt man ihn erst als geisteskranken Spieler dar ("Ich müßte verrückt sein, mein schwer erarbeitetes Geld ins Casino zu tragen!"), und wenn er den Kapitalertrag bekommt - dem Kapitalertrag eines Festgeldes in einer Art so unähnlich nicht - dann beschimpft man ihn als Kapitalisten.


    Risiko und Chance sind Geschwister. Der gute Deutsche kennt aber nur die böse Schwester. Die Chance sieht und nutzt er nicht.


    In diese Sparte gehört noch das übertriebene Sicherheitsdenken und -streben sowie die Geldillusion ("Meine Riesterbeiträge sind garantiert. In 30 Jahren bekomme ich mein Geld garantiert zurück!"). Nur ist es dann halt nur noch die Hälfte wert.


    Vor 25 Jahren wollte man die Deutschen zu Aktionären machen. Das ist in der Massenpanik ziemlich danebengegangen. Wer sich von der Hysterie ferngehalten hat, konnte gute Gewinne machen, selbst mit der Deutschen Telekom.



    Ich kenne das, ich war lang genug Sicherheitsanleger, hätte niemals auch nur eine Mark in die Börse gesteckt. Da wache ich eines Morgens auf - und alles ist weg! Nicht mit mir!


    Da sagte mein Referenzfinanzer: "Wie soll denn das gehen? Die gesamte Weltwirtschaft in einer einzigen Nacht pleite? Mercedes und BASF, Airbus und l'Oréal, Microsoft, Procter & Gamble und Exxon? Und womit wickeln sie morgen dann ihre Kinder und wo tanken sie?" Das leuchtete mir ein. Ich habe mein Geld an die Börse getragen, erst zögerlich ("Man soll nur Geld an die Börse bringen, auf das man im schlimmsten Fall verzichten kann!"), dann weniger zögerlich. Ich habe es nicht bereut. Mein (konservatives!) Börsenengagement hat ein Vielfaches dessen gebracht, was das gute Festgeld gebracht hat.


    Aber zu diesem Schluß muß jeder selber kommen, jemanden zu drängen, bringt es nicht.


    Im Moment fangen die Börsen an zu wackeln, wie sie es im letzten Juli und Oktober getan haben. Die Bitcoin-Anleger dieses Forums schieben Panik, weil die Kurse um irgendwas Einstelliges zurückgegangen sind und sehen sich dem Ruin bereits nah.


    Etwas aushalten können muß man schon als Aktionär.


    Wer gut schlafen will, kaufe Renten, wer gut essen will, kaufe Aktien.


    Den Deutschen ist wohl der Schlaf das Wichtigste. Das wird es wohl sein!

  • An welcher Stelle siehst Du die Leute scheitern?


    Schon beim strukturellen Plus für den Monat?

    Teilweise auch das. Aber auch die mit dem strukturellen Plus schaffen es vielfach nicht an die Börse, ich denke aus Ignoranz im Sinne von Unwissen, aus Skepsis oder sogar aus Ängstlichkeit. Aber das hat Achim Weiss eben ja schon viel besser ausformuliert.

  • Ich kann das nur in einem sehr eingeschränkten Kreis beurteilen, da das Thema Geld doch oftmals gemieden wird.


    Meine Eltern sind mit ü70 recht offen gegenüber Fonds, aber schon ewig Sparkassenkunden und daher auch mit zweifelhaften Positionen im Depot (Stichwort off. Immofonds). Der Erfolg ist über die Jahre daher bei weitem nicht so groß, wie er sein könnte. Inzwischen aber nur noch kleiner Bestand, wird abmoderiert...


    Dann habe ich zwei Bekannte (beide u30), die fünfstellige Cashsummen ohne konkretes Ziel horten. Beide auch eher genügsame Menschen, die nicht über ihren Verhältnissen leben.

    Der eine hat mich schonmal wegen Anlage gefragt. Als ich erwähnt habe, dass bei einer -sinnvollen- Anlage an der Börse auch Phasen mit Verlusten zu verkraften sein müssen, hat das eine spürbare Abwehrreaktion produziert. Auch das Angebot, einfach mal mit einem kleinen Sparplan bei einem Neobroker zum Probieren/Kennenlernen zu starten, wurde mit dem Argument "ich weiß nicht, wo ich eine Pin zum Perso habe" und "ich komme nicht dazu, auf der Behörde eine neue Pin zu beantragen" quasi stillgelegt. Seit mehreren Monaten. Ich dränge mich da aber auch nicht weiter auf, obwohl es wirklich schmerzt, einen stattlichen Betrag auf einem unverzinsten Girokonto rumgammeln zu wissen...

    Die andere hat zwar ein kostenloses Girokonto und sich bei Trader Republic ein Depot eröffnet, aber auch da liegt das Geld nur auf dem Verrechnungskonto rum, das Depot ist leer. Reicht ihr, nach ihrer Aussage. Schade, aber auch da kann man natürlich niemanden drängen.


    Als letztes noch eine gut verdienende Familie (Eltern + 2 Kinder), wo der leider recht bildungsferne Ehemann/Vater der Kinder alles vorzugeben müssen denkt und für alles "nen Kumpel hat, der sich da auskennt". Naja, viele dieser Spezialisten haben sich irgendwann als Luftnummern herausgestellt, bei manchen wird er das wohl nie erkennen. 🤷🏻‍♂️ Die Ehefrau hat es aufgegeben, gegen ihn zu argumentieren und da er scheinbar keinen Kumpel hat, der ihn in Richtung Aktien berät, wird teils wirklich sinnbefreit in die eigene Immobilie investiert und jedes Jahr maximal sondergetilgt. Depots dürften hier auch nicht vorhanden sein, eher Bausparverträge...


    Insgesamt fällt es mir schwer, hier den einen konkreten Punkt zu finden, der für diese Scheu vor der Börse trifft. Jeder hat wohl seine Geschichte, seine Gründe... als gelernter Bankkaufmann ist mir das Thema Börse schon länger geläufig, aber auch bei mir hat es einige Jahre gebraucht, bis mir klar wurde, dass der eigene Arbeitgeber auch für seine Angestellten nicht Vermögensaufbau oder maximalen Wissensaufbau zum Ziel hat.

  • Ich spreche mal von mir selbst. In meinen Zwanzigern hat mich Geldanlage überhaupt nicht interessiert, weil mich auch Altersvorsorge nicht interessiert hat.

    Geld kam mehr als genug rein, ich sah keinen Grund darin, die Überschüsse besser anzulegen, das Leben war auch so gut.

    Bei mir war das ähnlich. Gescheitert ist es nicht am „strukturellen Plus“ 😁 Referat Janders , sondern daran, dass ich keine Ahnung hatte, wie man Geldanlage sinnvoll angeht.


    In meiner Jugend gab es noch Zinsen auf Tagesgeld. Im Studium gab es keine großen Beträge zum Sparen. Im ersten Job kam dann sehr schnell sehr viel Geld zusammen, und das sammelte sich eben so auf dem Girokonto bzw. Tagesgeld (wobei es ohnehin quasi keine Zinsen gab) an.


    Ich bin gegenüber Verkäufern im Allgemeinen und Finanzprodukte-Verkäufern im Besonderen immer schon skeptisch gewesen, deshalb habe ich weder Riester noch Bausparvertrag noch Lebensversicherung abgeschlossen (rückblickend: zum Glück!).


    Ich hatte schon dieses latente schlechte Gewissen, ich „müsste eigentlich“ was tun, für die Altersvorsorge und ganz generell mit dem Geldberg auf dem Girokonto, der irgendwann von fünf- zu sechsstellig anwuchs. Den Rat der Eltern (eine Immobilie!) fand ich nicht so prickelnd, ich hatte noch keine Ahnung, wo ich langfristig landen würde und auch absolut keine Lust, Vermieter zu sein, mir reichte mein 50+ Stunden-Job an Stress.


    Lustigerweise hat dann tatsächlich unser Immobilienkauf (zwischenzeitlich „sesshaft“ geworden) mich zu Aktien gebracht. Da floss erstmal fast alles an Erspartem rein. Aber dann sammelte sich wieder Geld an. Und die Frage war, was tun damit? Ich habe mit Sondertilgungen rumgerechnet, aber bei einem Zinssatz von 0,54% auf 15 Jahre wäre das Quatsch gewesen. Und dann habe ich etwas recherchiert und bin tatsächlich bei ETFs gelandet.

  • Wenn alle in Aktien investieren würden würde sich die die Rendite auf viel mehr Schultern verteilen. Also schön den Mund halten und stumm weiter investiert bleiben. 🤫😜


    Finanzbildung ist einfach nicht gewollt. Schaut euch einfach die Finanzbildungsinitiative vom Bund an.


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    Mit Geld und Verstand empfiehlt die Arbeitnehmersparzulage und die Steuererklärung zu machen.


    Meine Frau ist Berufsschullehrerin und unterrichtet unter anderem auch Wirtschaft. Auf dem Lehrplan steht aber nix von großer Finanzieller Bildung.


    Die großen Kapitalgesellschaften die ihr Geld mit dem unwissenden Sparenden verdienen lassen sich ungern die Butter vom Brot nehmen. Dies wissen sie auch durch Lobbyarbeit zu verhindern und so wird das Feigenblatt der Finanziellen Bildung mit Geld und Verstand genannt.


    Der Onkel Hartmut erklärt das ganz gut in seinem Blog:

    Pseudo-Finanzbildung - Prof. Dr. Hartmut Walz
    Pseudo-Finanzbildung schadet Verbrauchern und der Gesellschaft. Ist die sog. Initiative Finanzielle Bildung daher nur eine reine Feigenblatt-Initiative?
    hartmutwalz.de


    Und das Team von Finanzwende zeigt die Lobbyausgaben der Finanzindustrie deutlich auf:

    https://www.finanzwende.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Auswertung_Die_Macht_der_Finanzlobby-im_zweiten_Jahr_des_Lobbyregisters.pdf


    Nach Lektüre der beiden Links dürfte sich eigentlich niemand mehr wundern warum viele Deutsche „investionsdoof“ bleiben und dies auch ohne Eigeninitiative bleiben werden.


    Etliche Haushalte in Deutschland haben auch überhaupt nix zu ihm investieren und da ist die kaputte Waschmaschine schon ein Problem. Dem Niedriglohnsektor sei Dank.


    Das ganze wird dann auch noch erschwert mit dem doofsten aller Sprüche: „Über Geld spricht man nicht“.


    Völlig Emotionsgeladenes Thema dieses Geld und investieren. Ich habe schon so einigen Leuten helfen können mit dem investieren anzufangen, aber einige sind ihrer Sparkasse und Versicherungsverkäufern hörig und da kann man dann nichts machen. Es ist deren Geld und deren Entscheidung.


    Meine Nichten und Neffen bekommen zum 18 Geburtstag ETF Anteile von uns übertragen. Dazu müssen sie ein Depot eröffnen und selbst das sorgte schon für Diskussionen bei den Eltern, da diese sowas nicht kennen und die Börse sei Teufelszeugs.


    Es ist noch ein langer Weg, aber zum Glück gibt’s ja einige die diesen Weg beleuchten und ausschildern. Dazu zähle ich auch Fininztip die jedem der den Weg zum finanziellen Selbstentscheider gehen will an die Hand nimmt und den Weg gut ausleuchtet. Nur ein Fuß vor den anderen setzten das müssen die Menschen schon alleine.


    Euch gute Finanzentscheidungen.

  • - [...] fehlende Vorbilder zum Anlegen

    - Angst vor dem Risiko

    Risiko und Chance sind Geschwister. Der gute Deutsche kennt aber nur die böse Schwester. Die Chance sieht und nutzt er nicht.

    Den Umgang mit Geld übernimmt man unbewusst aus dem Elternhaus. Auf diesem Weg überträgt sich Sicherheitsdenken über Generationen hinweg. Und obwohl nun schon ein ganzes Jahrhundert her haben sich Weltkriege, Zerstörung, Vertreibung und Hyperinflation tief ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt.

  • Ich denke, vielen fehlt auch das Bewusstsein, was Inflation bedeutet. Vielen geht es darum, „wenigstens“ ihr selbst einbezahltes Geld wieder zu bekommen, dann sind sie meist schon zufrieden. Den Wertverlust beachtet kaum jemand.

    Daher sind viele auch mit wenig Rendite und viel Sicherheit zufrieden, einfach weil das Problem nicht erkannt wird. Ich vermute auch, die Geschichte Deutschlands hat dazu beigetragen, dass hier das Sicherheitsbedürfniss so hoch ist. Dazu kommt noch, dass zumindestens aus meiner Beobachtung im ländlichen Raum das Wort des Sparkassen-/Voba Vetreters fast schon sakralen Wert hat.

  • Und obwohl nun schon ein ganzes Jahrhundert her haben sich Weltkriege, Zerstörung, Vertreibung und Hyperinflation tief ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt.

    Bei den aktuellen politischen Entwicklungen bin ich mir da nicht so sicher. Zumindest scheint die Bildung da nicht anknüpfen zu können.

  • Interessantes aber vermutlich komplexes und vielschichtiges Thema

    ich frage mich seit geraumer Zeit, warum nicht viel mehr Menschen in Deutschland den Aktien-/ Kapitalmarkt zur Geldanlage nutzen.

    Wenn die mir zuletzt bekannte Zahl von lediglich 17% zutrifft (Prozentzahl der Menschen in Deutschland, die (in irgendeiner Form) in Aktien investiert sind), dann ist das für eine (jedenfalls noch) Industrienation ein deprimierender Wert.

    - Teil der Gesellschaft kann oder will nicht sparen

    Dem ist fraglos so.


    Bei dem Anteil "will nicht sparen" und/oder "will nicht (langfristig) investieren" für mich immer wieder ein Faszinosum: Leute mit einem moderaten oder sogar sehr überschaubarem Einkommen und dennoch geordneten finanziellen Verhältnissen (z. B. keine Konsumschulden) samt "auf Gleis gesetzter Altersvorsorge". Einerseits. Aber auch Leute mit recht ordentlichem oder gutem Einkommen (manchmal ein Vielfaches davon) aber mediokeren bis fragilen finanziellen Verhältnissen samt schon absehbarer Schere "Nettoeinkommen vs Alterseinkommen". Andererseits.

    - fehlende Bildung und fehlende Vorbilder zum Anlegen

    Wenn ich mit jungen oder jüngeren Leuten spreche (Stichwort: Meine Patenkinder - um nur dieses Beispiel zu nennen) - am Folgenden scheint sich bis heute nix geändert zu haben:

    Ein nach meinen diesbezüglichen Erfahrungen (in meiner Schulzeit von immerhin 13 Jahren habe ich, trotz meiner mehrfachen Nachfragen zu Geld- und Finanzthemen, keine einzige Antwort auf meine Fragen erhalten ...) mehr als berechtigter Hinweis.

    Wenn dann von den Eltern zu dem Thema nix kommt und/oder vorgelebt wird, sieht es tendenziell eher düster aus.

    - Angst vor dem Risiko

    Wird wiederum ursächlich mit der fehlenden Finanzbildung zusammenhängen. Wenn selbst in einer Zeitschrift wie der FAZ manchmal von "sicheren" Geldanlagen geschrieben wird ... Was soll man dazu sagen ?


    "Sicher" sind in dem Bereich nur die Inflation, die Steuern und die mit jedem Investment verbundenen Kosten sprich Gebühren.

    - schlechte Erfahrungen einer ganzen Generation (Telekom)

    Entspricht meinen Beobachtungen in meinem weiteren Umfeld und dürfte für einen nicht ganz kleinen Teil der Menschen gelten.


    Den Börsen sehr lange beim Steigen zugesehen (von der Seitenlinie oder der Tribüne aus), dann Ende der 90er doch eingestiegen (weniger aus innere Überzeugung sondern mehr aus dem "Fomo"-Gedanken heraus) - und dann in den langen Folgejahren (2000 ff sowie 2008 ff) übel gerupft. Das war für nicht ganz wenige "zu heftig" und viele von denen sind nie mehr an die Börsen zurückgekehrt.


    - Image des Aktionärs als gierig

    So wie (von bestimmten Kreisen jedenfalls) die Börse als "Platz für Zocker" und eine Aktien-Rente als "Casino-Rente" diskreditiert wird, kann es einem auch als erfolgreicher Anleger oder Investor (oder auch Selbständiger, Unternehmer, Gründer usw.) (er)gehen. Scheitern man, kann man sich oftmals der Häme sicher sein - hat man Erfolg gerät man ins Visier der Neider und/oder der Umverteiler und/oder mutiert zum pöhsen Kapitalisten sprich Ausbeuter.


    Vier weitere Aspekte aus meiner Sicht:


    Geld als eine Art "Tabu-Thema" (Tenor: "Über Geld spricht man nicht" bzw. "Über Geld spricht man nicht, Geld hat man"). Dem Wissen und der Finanzbildung jedenfalls nicht förderlich, vorsichtig formuliert. Für mich einer der dümmsten Sprüche in dem Kontext überhaupt.


    Hohes Staatsvertrauen (bis hin zur Staatsgläubigkeit). Typisch in den USA beispielsweise der Ansatz bei Probleme diese zunächst selbst (mit seinem Partner, der eigenen Familie, den Verwandten, dem Umfeld, seinen Freunden) zu lösen. Häufiger Ansatz hierzulande: Der Ruf nach "Vater Staat".


    Historisches kollektive Gedächtnis gekennzeichnet durch Hyperinflation, Währungsreform und sechs bzw. sieben verschiedene Währung in nur gut 100 Jahren.


    Geringe bis fast kaum eine Bereitschaft für fundierte, kompetente und objektive Beratung (so diese offen als Honorar ausgewiesen) zu bezahlen. Da man ja "Beratung" bei seiner Bank, Sparkasse, Genossenschaftsbank, Versicherung usw. umsonst sprich kostenfrei bekommt (ganz so als gäbe es im Vertrieb der Produkte da keine Margen zu verdienen ...).



    Vermutlich gibt es noch den ein oder anderen weiteren Aspekt, der diese unglückliche Melange hierzulande speist.