PKV - sind Sozialtarife abschließbar bei aktuell erfolgender Krankenhausbehandlung? Wahl des Versicherungsunternehmens?

  • Liebe Fachleute in der Community, ich unterstütze gerade eine liebe alleinstehende Freundin, die vor 2009 wegen Beitragsrückständen aus der PKV geflogen ist. Leider hat sie es bis heute versäumt, sich wieder zu versichern (bitte keine „Schelte“, ich finde das selbst absolut verantwortungslos und bin deshalb stinksauer auf sie). Nach ihren Angaben war sie nie in der GKV, sondern schon als Kind bei ihrem Vater in der PKV mitversichert. Arztbesuche und Medikamente hat sie seit ihrem Rauswurf aus der PKV selbst bezahlt, das war wohl immer „überschaubar“.

    Nun hatte sie einen schweren Unfall und liegt im Krankenhaus, es wird wohl ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt.

    Es ist gut möglich, dass sie ein Pflegefall bleiben wird. Die Rücklagen werden aber wohl schon für das Krankenhaus nicht reichen. Es ist daher höchste Zeit, dass sie wieder eine KV und eine PflV abschließt, wobei aufgrund von Vorerkrankungen und Alter (Anfang 70) wohl nur einer der beiden Sozialtarife mit Kontrahierungszwang in Frage kommt.


    Ich habe sehr viel recherchiert und kenne die Beitrags- und Leistungsunterschiede der beiden Tarife schon recht gut, habe aber noch folgende Fragen:

    1) Ist es richtig, dass sie als „Altfall“ zwischen Standard- und Basistarif wählen kann?

    2) Ist es richtig, dass die PKV im Basistarif ab Vertragsbeginn auch für die aktuelle Unfallbehandlung im Krankenhaus zahlen muss, im Standardtarif aber nicht?

    3) Stimmt es, dass beim Basistarif die früheren Altersrückstellungen nicht angerechnet werden, beim Standardtarif aber schon?

    3) Muss sie sich an ihre frühere PKV wenden (hat schlechten Ruf), oder dürfte sie auch bei anderen PKVs abschließen, d.h. würde auch für diese ein Kontrahierungszwang gelten?

    4) Wie lang darf sich eine PKV Zeit lassen, den Antrag anzunehmen? Oder hat sie Anspruch, dass der Vertrag rückwirkend ab Antragstellung in Kraft tritt?


    Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ich in diesem Forum Antworten auf meine Fragen bekommen würde. Verbraucherzentrale und Sozialamt konnten mir nicht weiterhelfen, die Clearingstelle für Nichtversicherte ist überlastet.


    Vielen Dank!!!!

  • Verbraucherzentrale und Sozialamt konnten mir nicht weiterhelfen

    Das kann so nicht stimmen, was das “Sozialamt“ betrifft.

    Welches Amt meinst du hier konkret, bei dem du nachgefragt hast? Telefonisch?


    Die Antwort, die dir eine versierte Sachbearbeiter:in gegeben hätte, wäre so gewesen:


    Sofern Hilfe-Bedürftigkeit vorliegt werden Kosten des Basistarifs gem. SGB XII übernommen.

    Voraussetzung hierfür ist, dass das Vermögen nach der Regelung des Paragraphen 90 SGB XII zuerst verbraucht werden muss.

  • Tomarcy:

    Der Fragesteller fragt aber nicht nach einer Kostenübernahme des Sozialamtes. Natürlich muss das Sozialamt (evtl. einen Teil) übernehmen, das ist ja überall nachlesbar. Es ist auch das Sozialamt, das dann ggf. eine Bescheinigung zur Hilfebedürftigkeit ausstellen kann, um den Beitrag für den Basistarif gesetzeskonform zu reduzieren. Es geht aber doch vielmehr darum, wie die Betroffene überhaupt in einen Tarif hineinkommt.


    Totalverwirrt :

    a): Der Standardtarif steht neben den vielen weiteren Bedingungen zur Verfügung, wenn eine Vorversicherungszeit von 10 Jahren in der PKV bestanden hat. Ich habe keine genauere Formulierung gefunden, vermute aber, dass die LETZTEN 10 Jahre gemeint sind. Das dürfte aber sowieso egal sein, denn im Standardtarif dürfen Risikozuschläge erhoben werden, im Basistarif nicht. Der Standardtarif dürfte also wohl außen vor sein.


    b): ja, die Altersrückstellungen werden oder besser würden im Standardtarif voll angerechnet werden (im Basistarif „kaum“ bis gar nicht). Ob die aber noch existieren bei einem längst aufgelösten Vertrag (da VOR 2009), bezweifle ich stark.


    c): das Gesetz sieht vor, dass die frühere PKV-Gesellschaft einen Antrag Deiner Freundin NICHT annehmen muss. An die Alt-Gesellschaft sich zu wenden ist zwar eigentlich trotzdem kein Fehler, aber in diesem dringlichen Fall vermutlich nichts als Zeitverlust. Alle anderen Gesellschaften MÜSSEN dagegen annehmen, obwohl Deine Freundin mit denen nie etwas zu tun hatte. So jedenfalls die gesetzliche Theorie. Die Praxis dürfte in Deinem Fall sicher große Klimmzüge erfordern.


    d): tja, die Gretchenfrage ist, ob eine PKV im Basistarif auch den laufenden Fall schon übernehmen muss (und welche Behandlungen, siehe den Fall Hönig, der durch die Presse ging).


    Ich kann Dir hierzu nur empfehlen, genau diese Frage noch im „forum-krankenversicherung.de“ zu stellen, dort in der Rubrik „Allgemeines PKV“.


    Und unabhängig von der Antwort dort:

    Du (Deine Freundin) wirst einen Anwalt brauchen,

    um wieder in eine Versicherung zu kommen. Ich glaube nicht, dass Ihr das alleine schafft.


    Eine sehr kritische Anmerkung zum Schluss liegt mir auf der Zunge, Du wirst wissen, welche, aber ich lasse es mal.


    Statt dessen Euch viel Glück in schwieriger Zeit, auf dass es bald wieder alles besser aussieht.


    Grüße

  • die Clearingstelle für Nichtversicherte ist überlastet.

    Genau da seid ihr aber richtig! Ohne eine Beratung dort würde ich die Verträge nicht ändern, da kann man einiges falsch machen. Bei welcher Clearingstelle habt ihr es denn versucht? Es gibt ggf. mehrere in der Umgebung, die Liste würde ich einmal durchgehen:


    https://www.eu-gleichbehandlungsstelle.de/resource/blob/1817828/1813506/162135fa4934bb9c39d71daf625dca37/verzeichnis-clearingstellen-2023-data.pdf?download=1

  • FinanztipUser hat geschrieben:

    Zitat

    Ohne eine Beratung dort würde ich die Verträge nicht ändern

    Sag‘ mal, Finanztipuser, lest Ihr eigentlich, worum es geht, bevor Ihr lauter unsinnige Antworten gebt?


    Die Freundin des Fragestellers hat doch gar keinen Vertrag mehr, da sie VOR 2009 aus der PKV geflogen ist.

    Da kann es also gar nicht um Vertragsänderungen gehen. Das neue Gesetz, nach dem man im Grunde gar nicht mehr aus einer PKV gekündigt werden kann (und auch umgekehrt), gibt es erst ab 2009. Und VOR 2009 hat der TE unübersehbar klar geschrieben.


    Schlimm hier!

  • Ganz furchtbar schlimm…^^


    War das „Rausfliegen“ dann wirklich eine Vertragskündigung? War die rechtswirksam? Notlagentarif gab es meiner Erinnerung erst seit 2013… Aber sei‘s drum: Auf die Clearing-Stellen aus dem Link oben würde ich definitiv setzen. Deren Auftrag ist es ja gerade, Leute wieder zurück in den Krankenversicherungsschutz zu bringen und das inkl. entsprechender Beratung!

  • Vor 2009 war das wie bei der Autoversicherung.

    Wer nicht zahlte, wurde gekündigt (wenn auch mit Mahnung); „flog raus“.


    Entweder oder (bis dahin).


    Ein theoretischer Notlagentarif wurde dann erst 2013 eingeführt, als man merkte, dass bei Beitragsschulden keine für den Versicherer zumutbare Situation bestand (da er nicht mehr kündigen konnte).


    Das nützt hier aber alles gar nix.

  • War das „Rausfliegen“ dann wirklich eine Vertragskündigung? War die rechtswirksam?

    Wenn das, wie von Totalverwirrt geschrieben, vor 2009 abgelaufen war, dann war und ist das so wie von Schlau geschrieben.


    Auch sein übriger Textbeitrag enthält keinen Unsinn.


    Zuallererst sollten sich alle unmittelbar oder mittelbar in den konkreten Krankenhausfall Involvierten darum kümmern, dass die Krankenhausbehandlung inklusive Anschlussbehandlung so gut es geht in die Gänge kommt. Und ja, da werden die angesprochenen Rücklagen zuerst dran kommen, auch wenn die wie schon geschrieben nicht reichen sollten. Dann wird man sehen.


    Krankenversicherungstechnisch wird es auf den Basistarif hinauslaufen. Und in Sachen Pflege auf den Tarif PVN - zum Höchstbeitrag , da ja auch hier keine Alterungsrückstellungen in Sicht sind.


    Zum angesprochenen Unfall, der den Krankenhausaufenthalt bedingt: Wie sieht es da mit eventuellem Fremdverschulden und entsprechender Haftung des Beteiligten aus?

    "Unhappy Wife - Unhappy Life!" Roger Murgatroyd, 1977

  • Meine Freundin, die an dem Unfall selber schuld war, weiß nicht mehr, ob sie eine Kündigung erhalten hat. Sie sagte, sie habe Mahnungen bekommen mit der „Drohung“, dass sie erst wieder Versicherungsschutz habe, wenn sie alle Rückstände bezahlt habe. Das habe sie nicht gekonnt und deshalb das Thema für sich abgehakt (ich bin so sauer über soviel Naivität, dass ich manchmal schon an unserer Freundschaft zweifle). Möglicherweise ruht also der alte Vertrag noch - ich werde versuchen, das herauszufinden.


    Danke schonmal für die ganzen Tipps!

  • Ich verweise hier mal auf den sehr umfangreichen Artikel der Verbraucherzentrale


    die teile in Artikel zur gesetzlichen Versicherung kannst du ignorieren, der Artikel behandelt beide Fälle


    Hier gibt es u.a. den punkt.


    " Wie kann man sich wieder in der privaten Krankenversicherung versichern?"

    Nicht krankenversichert - was tun? | Verbraucherzentrale.de
    In Deutschland gilt eine allgemeine Krankenversicherungspflicht: Jeder mit Wohnsitz in Deutschland muss entweder eine gesetzliche oder eine private…
    www.verbraucherzentrale.de

  • Hallo.


    Vielleicht kann Dr. Schlemann etwas Licht ins Dunkle bringen.

    Sorry für die feiertagsbedingte Verspätung. Zum Glück brauchen wir uns mit Sozialtarifen nicht so gut auszukennen. Wenn wir jemand den Wechsel in die PKV empfehlen, dann klappt das meistens langfristig. Unter unseren vielen PKV versicherten Kunden ist meines Wissens ein einziger nach Insolvenz seiner Firma im Notlagentarif - möglicherweise geschickt eingesetzt um Geld zu sparen.


    Inzwischen ist m.E. viel Richtiges gesagt. Eine Klärung der Umstände mit der alten PKV schadet vermutlich nicht. Ein "Ruhen" halte ich allerdings für sehr unwahrscheinlich.

    Dr. Schlemann unabhängige Finanzberatung GmbH & Co. KG
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