BaFin testet Versicherungsberatung: Erschreckende Ergebnisse
Probleme: Kosten verschwiegen, Wünsche kaum abgefragt
Wichtig: Besteh auf Kosten-Infos & Beratungsprotokoll
Auf Empfehlung von Bekannten oder auf dem Uni-Campus angesprochen: Früher oder später sitzt so gut wie jeder mal in einer Versicherungsberatung. Oder Du wirst zumindest dazu eingeladen, z. B. von Deiner Bank. Aber wie gut wirst Du da eigentlich beraten?
BaFin deckt gravierende Mängel auf
Das zeigen aktuelle Ergebnisse einer BaFin-Aktion: 2024 hat die Finanzaufsicht Testkäuferinnen und -käufer zu sechs Versicherern und deren Vertriebspartnern (z. B. Banken) geschickt. Insgesamt gab es 72 Gespräche und abgeschlossene Verträge – die nach der Beratung alle widerrufen wurden. Diese Stichprobe hat große Defizite in mehreren Bereichen ergeben:
1. Kosten hoch und oft verschwiegen
Über die zu erwartende Rendite wurde in fast allen Gesprächen aufgeklärt (94 %), Infos zum Risikoniveau der Anlage fehlten aber schon in fast jedem fünften Gespräch. Um die Kosten ging es sogar in rund einem Drittel der Gespräche gar nicht. Was das umso schlimmer macht: Nach Kosten blieben die Renditeerwartungen der verkauften Produkte oft unter dem von den Testpersonen ausdrücklich erwähnten Ziel von 2 % pro Jahr (p. a.).
Die Kosten lagen zwischen 0,71 und 3,29 % p. a. Das ist sehr teuer. Zum Vergleich: Bei weltweiten Aktien-ETFs sind es meist 0,1 bis 0,5 % p. a. Entscheide Dich also niemals für eine Anlage, ohne die Kosten zu kennen und besteh auf Informationen dazu. Sie stehen Dir zu.
2. Kunden-Wünsche und Bedürfnisse nicht abgefragt
Bevor Berater Dir Produkte empfehlen, müssen sie Dich zu Wünschen, finanzieller Situation, Anlagezielen, Erfahrungen und Bedürfnissen sowie Risikobereitschaft und Nachhaltigkeitspräferenzen befragen. Das haben im Test nicht alle umgesetzt – teils gar nicht oder nur oberflächlich. Die BaFin spricht von erheblichen Defiziten.
3. Ungeeignete Produkte empfohlen
Berater dürfen nur Produkte empfehlen, die für Dich geeignet sind. Auch hier gab es Defizite: Nur in etwa der Hälfte der Fälle haben die Beraterinnen und Berater dokumentiert, dass sie geprüft haben, ob ein Produkt geeignet war.
In vielen Fällen konnte die BaFin nicht einmal klar feststellen, ob ein Produkt in Sachen Renditeerwartung und Risikoklasse geeignet war. Außerdem erfüllten nur 19 von 72 Verträgen die Vorgaben der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA zu Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit.
4. Fehlerhafte Beratungsprotokolle
Wichtig und verpflichtend ist auch, dass Du nach der Beratung ein Protokoll erhältst. So kannst Du im Nachhinein eventuell eine mögliche Falschberatung nachweisen. Oft haben die Tester aber bemängelt, dass in den Protokollen gar nicht das stand, was sich ihrer Ansicht nach in den Gesprächen abgespielt hat. In einigen Fällen gab es sogar widersprüchliche Angaben. Und in jedem vierten Fall gab es diese Dokumentation gar nicht.
5. Unübersichtliche Unterlagen
Oft umfassten die Unterlagen zu Beratung und Vertrag über 200 Seiten – und waren laut BaFin unübersichtlich und teils irreführend. Trotz dieses erschlagenden Umfangs fehlten aber auch Pflichtinformationen wie das Basisinformationsblatt zum Produkt (fehlte in 32 % der Fälle) und die Offenlegung zu Nachhaltigkeitsrisiken (24 %). In weiteren Fällen gab es diese Unterlagen erst nach Vertragsunterschrift.
6. Nachhaltigkeitskriterien nicht berücksichtigt
Zu diesem Thema muss bei Anlageprodukten aufgeklärt werden. Laut BaFin war das oft aber nicht der Fall.
Versicherungsberatung nicht immer zwingend schlecht
Die Ergebnisse der BaFin stehen nicht per se stellvertretend für die gesamte Branche. Es handelt sich einfach um eine Stichprobe – wenn auch eine erschreckende. Es ist aber erstmal völlig in Ordnung, wenn Du zu solchen Beratungen gehst.
Du solltest aber auf ein paar Punkte achten:
- Mach Dir schon vorher gründlich selbst Gedanken, was Du willst und denk darüber nach, ob das angebotene Produkt wirklich sinnvoll ist und zu Dir passt, bevor Du was unterschreibst
- Frag nach, wenn Du etwas nicht verstehst und besteh auf alle Unterlagen (s. o.)
- Vielleicht schläfst Du auch nochmal eine Nacht drüber und gehst alles zuhause ganz in Ruhe durch
- Lass Dich auf keinen Fall stressen oder unter Druck setzen – weder von einem vielleicht kumpelhaften Verhalten des Beraters noch von Aussagen, dass Du angeblich einen großen Fehler machst und Altersarmut riskierst, wenn Du jetzt nicht unterschreibst. Niemand kann Dich zwingen, tatsächlich auch etwas abzuschließen
Vertreter, Makler, Berater – das ist ein Unterschied
Die BaFin hat sich in ihrem Test übrigens auf drei Vertriebswege konzentriert: Vertreterinnen und Vertreter, die ausschließlich für einen Versicherer tätig sind, angestellte Außendienstler von Versicherern und den Vertrieb über Banken.
Bevor Du zu einer Beratung gehst, solltest Du Dir immer klar machen, mit wem Du es genau zu tun hast und welche Vor- und Nachteile das je mit sich bringt:
1. Versicherungsvertreter
Ist es ein Versicherungsvertreter, der direkt für eine einzige oder wenige Versicherer tätig ist? Dann bietet er Dir nur Produkte dieser Unternehmen an. Du bekommst also keinen Überblick, ob es am Markt vielleicht noch bessere Produkte gibt. Außerdem handelt er trotz aller Pflichten (s. o.) nicht nur in Deinem Interesse, sondern hat auch interne Verkaufsvorgaben.
2. Versicherungsmaklerin
Bei einer Versicherungsmaklerin kannst Du einen breiten Überblick über das Angebot vieler Versicherer erwarten. Unter anderem deshalb empfehlen wir Dir z. B. bei der Suche nach einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), immer über ein Maklerunternehmen zu gehen. Dasselbe gilt für die Auswahl einer privaten Krankenversicherung (PKV). Unsere Empfehlungen findest Du in den verlinkten Ratgebern.
Ob der Wechsel in die PKV für Dich sinnvoll ist, solltest Du aber selbst entscheiden. Hier kannst Du von Maklern keine neutrale Einschätzung erwarten. Das gilt bei Maklern auch generell: Sie handeln nicht nur in Deinem Interesse, sondern verfolgen auch eigene Interessen. Denn sie bekommen Provision – und die ist je nach vermittelter Versicherung unterschiedlich hoch. Eine Maklerin kann Dich aber auch gegen Honorar beraten. Du bezahlst sie also selbst und bekommst einen Vertrag ohne Provision vermittelt.
3. Versicherungsberater bzw. Honorarberater
Das ist dann fast schon wie bei einem Versicherungsberater bzw. Honorarberater, von dem Du sowohl neutrale Beratung als auch Vermittlung erwarten kannst. Dafür kostet das oft Hunderte Euro – das lohnt sich vor allem bei langfristigen Verträgen, die dann dauerhaft günstiger sind, weil die Provisionen fehlen.
Details zu den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Versicherungsleute liest Du in unserem Ratgeber zu Versicherungsberatern.
Private Altersvorsorge mit Versicherung: Überhaupt sinnvoll?
Suchst Du nach einer guten privaten Altersvorsorge, schau generell erst einmal in unsere Ratgeber. Denn ganz unabhängig von den Zuständen in der Beratung lohnen sich neue private Renten- und Lebensversicherungen wegen der hohen Kosten und gleichzeitig geringer Rendite meistens nicht.
Einzig als geförderte Riester- oder Rürup-Rente und betriebliche Altersvorsorge kann ein Neuabschluss in ganz bestimmten Fällen sinnvoll sein. Für die meisten Menschen empfehlen wir aber eine Selfmade-Altersvorsorge mit breiten Aktien-ETFs – ganz ohne Beratung.
Zuerst brauchst Du dafür ein Depot. In unserem neuen Depotvergleich schneiden Traders Place und Smartbroker+ am besten ab. Den passenden ETF findest Du mit unserem ETF-Finder. In unserem Einsteiger-Ratgeber zu ETFs zeigen wir Dir, wie Du genau vorgehst.