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Kommentar

Warum die FED Europas Zinsen so stark beeinflusst

Die Leitzinsen steigen weiter an. Wie die aktuelle Zinsentwicklung einzuschätzen ist, erklärt Dir unser Co-Gründer und Kapitalmarktexperte Robert Haselsteiner ausführlich in seiner neuen Zinsprognose.

Robert Haselsteiner

Auch wenn es viele Notenbanken auf der Welt gibt, die sich jeden Tag Gedanken zum
richtigen Niveau ihrer Leitzinsen machen, so ist es am Ende die amerikanische Notenbank, die den Trend für praktisch alle anderen bestimmt.

Hierfür gibt es zwei entscheidende Gründe: Zum einen ist die amerikanische Währung die weltweit wichtigste Leitwährung, in der ein signifikanter Teil des globalen Handels abgewickelt wird. Zum anderen haben viele Länder ihre Währung mehr oder weniger eng an den US-Dollar gekoppelt, um damit gegenüber dem oft wichtigsten Handelspartner USA keine Währungsschwankungen zu haben. Ein Beispiel dafür ist der Hongkong Dollar.

Zinsbewegungen der US-Notenbank müssen daher von anderen Notenbanken im Gleichklang nachgezogen werden. Zusätzlich ist der US-Dollar immer noch die dominante Reservewährung, in der andere Notenbanken ihre Währungsreserven halten. Der Dollar ist also eine sogenannte Safe-Haven-Währung – ein sicherer Hafen, den die Investoren immer dann ansteuern, wenn irgendwo ein Sturm an den Märkten oder im geopolitischen Umfeld aufzieht.

Kriege wie in der Ukraine führen zu einem Erstarken des Dollars
Wenn also Russland die Ukraine überfällt und eine Schockwelle durch die Energiemärkte und die Börsen fegt, dann verkaufen Anleger die Währungen der am Krieg beteiligten Staaten und ihrer Nachbarländer und wechseln diese gerne in US-Dollar. Das führt zwangsläufig zu steigenden Dollarkursen.

Und wenn dann die US-Notenbank aus Gründen ihrer eigenen Inflationsentwicklung noch die Leitzinsen anhebt, dann beschleunigt sich diese Bewegung. Die Folge: Die anderen Notenbanken müssen handeln und nachziehen, wenn sie nicht einen Verfall ihrer Währungen herbeiführen wollen.

Die Abwertungen dieser anderen Währungen führen auch noch dazu, dass alle Importe aus dem Dollarraum oder diejenigen, die in Dollar abgewickelt werden (wie Rohöl, Gas und viele weiteren Rohstoffe), teurer werden und die Inflation anheizen.

Da ist es einleuchtend, dass fast alle Notenbanken den Trendvorgaben der Federal Reserve Bank folgen müssen. Gerne wird daher auch von einer Dollar-Dominanz oder der Hegemonie des US Dollars gesprochen. Besonders betroffen sind viele Entwicklungsländer, da diese sehr oft Schulden in Dollar aufgenommen haben und von einem starken Dollar und einem Verfall ihrer eigenen Währung praktisch erdrückt werden. Die eigenen Zinsen zu erhöhen, hilft dann zwar der Währung, stürzt diese Länder aber schnell in tiefe Rezessionen. 

EZB kann den Entscheidungen der FED nicht entgehen
Sogar das große Währungsgebiet des Euro, durchaus vergleichbar mit der Größe der US
Wirtschaft, muss den Trendvorgaben der US-Notenbank folgen. Manchmal passiert das mit
Zeitverzögerung, aber entgehen kann die EZB der Anpassung nicht. Zu eng sind die
Verknüpfungen und zu beweglich sind die internationalen Kapitalströme.

Es überrascht daher auch dieses Mal nicht, dass die EZB nach längerem Warten den
Leitzinserhöhungen der FED gefolgt ist – wenn auch in kleineren Schritten. Der Grund für dieses vorsichtigere Vorgehen der EZB: Während die FED die Zinspolitik primär für einen Staat – also die USA – macht, hat die EZB die wirtschaftliche Entwicklung und die fiskalischen Rahmenbedingungen in den 19 Mitgliedsländern des Euro-Raums zu berücksichtigen.

Die Zinspolitik der EZB wird daher für einzelne Staaten immer zu locker und für andere zu
restriktiv sein. Auch in diesem Zinszyklus hinkt die EZB der FED mit Verzögerung hinterher. Die europäischen Zentralbanker hoffen, dass die Inflation wieder sinkt und dass die Maßnahmen der FED die Weltkonjunktur bremsen. Das würde dann auch die europäische Exportkonjunktur dämpfen, und die Zinsen im Euro-Raum müssten nicht so stark steigen.

Und wo steht die FED derzeit? FED-Chef Jerome Powell hat seine Ankündigung von etwas moderateren Zinsschritten wahr gemacht und am 14. Dezember die Fed Funds Rate nur um 0,50 Prozent auf nunmehr 4,25-4,50 Prozent angehoben. 

Die Anleiheinvestoren haben dieses Szenario schon in den vergangenen zwei Wochen zum Anlass genommen und durch ihre Käufe die Zinsen für 10-jährige US-Treasuries von knapp über 4 Prozent auf rund 3,60 Prozent gedrückt. Damit wird zudem erwartet, dass die USA in eine Rezession gleiten, und in der Folge in 2023/2024 sowohl Inflation als auch FED Rates wieder deutlich sinken. 

Zeit der Nullzinsen ist langfristig vorbei
Obwohl Powell das Tempo der Zinsanhebungen etwas verringert hat, so hat er doch sehr eindeutig klar gemacht, dass er noch keinen Grund für Entspannung sieht. Ja, die Inflation ist in den USA inzwischen auf 7,1 Prozent leicht zurückgegangen, aber der Arbeitsmarkt bleibt eng und das erklärte Ziel von Powell ist 2 Prozent Inflation.

Bei einer langfristigen Betrachtung wird klar, dass der starke Zinsanstieg (von 0,50 Prozent auf 4,25 Prozent bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen seit Mitte 2020) den 40-jährigen Trend fallender Zinsen gebrochen hat. Denn seit 1982 haben die Zinsen in den USA immer wieder neue Tiefstände erreicht. Bemerkenswert ist auch, dass wir vor 1982 eine Phase von fast 30 Jahren hatten, in denen die Zinsen gestiegen sind. Es ist daher eine verwegene Annahme zu glauben, dass nach dieser massiven Trendwende zwei Jahre später alles wieder in eine Nullzins-Welt zurückfällt.

Die Treiber dieser Nullzins-Welt waren die Globalisierung mit Zugriff auf günstige Waren und Arbeitskräfte und damit niedrige Inflation und die Möglichkeit tiefer Leitzinsen. Dazu kamen noch Notenbankkäufe im Anleihemarkt nach der Finanzkrise und in der Pandemie, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. Diese Welt ist passé.

Zu diesem Bild der Dominanz der Federal Reserve passt die heutige Leitzinserhöhung der EZB um 0,50 Prozent auf nunmehr 2,50 Prozent. Damit hat auch die EZB ihre letzten Schritte von 0,75 Prozent im Gleichklang reduziert. Die EZB wird zudem ab März 2023 auslaufende Bestände an Staatsanleihen, die sie in den letzten Jahren aufgekauft hatte, nicht mehr wieder anlegen. Das wird vorerst Aufwärtsdruck für die Renditen von Anleihen mit längeren Laufzeiten bedeuten. Kreditnehmer sollten daher kurze Phasen von sinkenden Zinsen nutzen, um ihre Konditionen abzusichern.

Anleger können sich wieder über Sparzinsen freuen und haben auch wieder die Möglichkeit, im Bondmarkt Renditen zu erzielen. Sie sollten jedoch Investments immer dann machen, wenn die nächste Abschwungphase bei den Anleihepreisen läuft und die Renditen steigen.

Denn wir erwarten in den nächsten Quartalen deutliche Schwankungen bei den längerfristigen Zinsen – die Nervosität wird hoch sein, während alle Marktteilnehmer versuchen, die Inflationsentwicklung und vor allem die Handlungen der Federal Reserve Bank richtig zu deuten.

Hier geht's zur letzten Zinsprognose 11/2022

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