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Kommentar

EZB bereitet Zinssenkung für die nächsten Monate vor

Wie es mit den Zinsen langfristig weitergehen dürfte, hat Finanztip-Co-Gründer und Kapitalmarktexperte Robert Haselsteiner für Dich analysiert.

Keine Überraschung in Frankfurt: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in ihrer Sitzung am 7. März 2024 die Leitzinsen unverändert gelassen. Der wichtigste der drei Leitzinsen bleibt somit bei 4,5 Prozent. Die EZB widersteht weiterhin dem Druck von vielen Interessensgruppen, die unter den höheren Zinsen leiden und deren Branchen fast zum Stillstand gekommen sind. Die Befürchtung, dass die gerade rückläufige Inflationsrate bei einem vorschnellen Absenken der Zinsen wieder steigen könnte, dominiert die Überlegungen der Währungshüter. Lieber etwas länger einschränkend bleiben, als vorschnell zu lockern, heißt die Devise.

Die Lohnentwicklung steht im Fokus

Besonders genau schauen die Notenbanker auf die Entwicklung der Löhne, Gehälter und Pensionen. Denn einige von ihnen sind zuletzt kräftig gestiegen; eingefordert und durchgesetzt von den Gewerkschaften, begleitet zum Teil von Drohungen und Streiks. Die sogenannte Le­bens­hal­tungs­kos­ten-Krise, die durch Verwerfungen in der Pandemie in der Logistik und an den Energiemärkten ausgelöst wurde, war die perfekte Begründung dafür, sehr hohe Lohnabschlüsse zu fordern.

Aber diese hohen Abschlüsse finden sich oft kurz danach in den Konsumentenpreisen und bei den Dienstleistungen wieder. Denn die Arbeitgeber reichen solche höheren Kosten so schnell wie möglich weiter. Das nennt man dann "Zweitrunden-Effekte", die im schlimmsten Fall zu einer Inflationsspirale führen, wo die eine Steigerung wieder eine weitere bedingt. Da in vielen Teilen Europas nahezu Vollbeschäftigung herrscht, bleibt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut, und es ist in der Tat nicht auszuschließen, dass auch 2024 und 2025 recht hohe Lohnforderungen kommen werden. Daher nimmt die EZB billigend in Kauf, die Konjunktur in Euroland abzuwürgen und damit auch den Arbeitsmarkt unter Druck zu setzen. Damit hofft man den Lohndruck zu reduzieren und die Spirale zu verhindern.

China als weiterer Faktor

Zu Hilfe kann der EZB dabei auch China kommen. Dort ist die Wirtschaftsentwicklung derzeit sehr schleppend, und von Inflation ist weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: China zeigt alle Anzeichen einer sogenannten deflatorischen Entwicklung, so wie wir das seit Jahrzehnten auch aus Japan kennen. Das Preisniveau steigt dort nicht, sondern es sinkt. Der große Wachstumsmotor Immobilienmarkt und Bautätigkeit ist eingeschlafen, die Verschuldung ist ein großes Problem und die Preise sind für viele Bereiche unter Druck nach unten. Wenn China beginnt, diese Deflation zu Hause durch immer günstiger bepreiste Waren zu exportieren, dann wird das den Inflationsdruck bei uns senken.

Die große Unbekannte bleibt die weitere Entwicklung der globalen Sicherheitslage und daraus eventuell entstehende neue Schocks im Bereich der Preise für Energie, Rohstoffe und Lebensmittel.

Keine zweite große Wende am Zinsmarkt

Die Zinssenkungen, die die EZB und die US-Notenbank im Laufe des Jahres voraussichtlich beschließen – bisher noch ohne konkrete Termine –, sind daher als taktische Maßnahmen zu sehen. Sie dienen der Feinsteuerung der Konjunktur und haben die Wahlen in den USA als Hintergrund. Die große Wende nach der großen Wende sollte man am Zinsmarkt nicht erwarten. Denn Zinstrends dauern immer 20 Jahre oder länger, und der neue langfristige Aufwärtstrend hat gerade erst begonnen.

Günstiger Moment für Geldanlage und Baufinanzierung

Tagesgeld, Festgeld und Anleihen bleiben ein fester Bestandteil des Anlagemixes für Sparerinnen und Anleger. Der Zins ist zurück, und damit hat Geld endlich wieder einen Preis. Baufinanzierer sollten Niveaus um die 3 bis 3,5 Prozent auf jeden Fall für die An­schluss­fi­nan­zie­rung nutzen. Wer über den Erwerb einer Wohnung oder eines Hauses nachdenkt, sollte sein Budget für die Finanzierungskosten genau kennen und hart über den Kaufpreis und die Baukosten verhandeln.

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