Die Europäische Zentralbank hat in ihrer letzten Sitzung die Leitzinsen zum zehnten Mal in Folge angehoben; der wichtigste Leitzins liegt nunmehr bei 4,5 Prozent. Damit verkleinert sie den Abstand zur US-Notenbank weiter. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat den Verfechtern einer klaren Anti-Inflationspolitik im EZB-Rat noch einmal nachgegeben, auch wenn es gerade von den südlichen Mitgliedsländern der Eurozone große Bedenken gibt, ob das Rad nicht überdreht wird.
Denn vor allem in den letzten Wochen deutet immer mehr auf eine deutliche Wirtschaftsabschwächung in der Eurozone hin. Besonders der Immobiliensektor, aber auch zunehmend die Automobilbranche, die Chemie und der Maschinenbau schwächeln. Gut lief diesen Sommer der Tourismus. Aber mit dem Ende der Hauptsaison wird dort der Beitrag zu Wachstum und Nachfrage nachlassen. Herbst und Winter könnten daher nachfrageseitig zu negativen Überraschungen führen – und das Ziel der EZB, die Wirtschaft sanft statt abrupt zu bremsen, also ein Soft Landing zu produzieren, in Frage stellen.
Schwer einschätzbare Entwicklung
Die zukünftige Inflationsentwicklung ist dagegen sehr schwer einschätzbar. Immerhin haben die Basiseffekte dazu geführt, dass aktuell Benzin, Öl und Gas nicht mehr zu Preissteigerungen beitragen. Die Vergleichspreise von vor genau einem Jahr waren ja bereits hoch. Aber Entspannung ist dennoch nicht in Sicht. Die Achse Saudi-Arabien und Russland forciert weiter den Ölpreis durch Förderkürzungen und hat inzwischen wieder einen Preis von 90 US-Dollar pro Barrel erzwingen können – trotz fallender Nachfrage.
Ebenfalls ist schwer zu prognostizieren, wie sich im Winter der Ukrainekrieg entwickeln wird und welche Effekte das auf die Energie und Getreidepreise haben wird. Die Inflationsprognosen der EZB für 2025, die ja auch ihren geldpolitischen Entscheidungen zugrunde liegen, sind daher wohl das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Fest steht, dass die Deglobalisierung, der Krieg in der Ukraine und die Spannungen zwischen China und den USA die Preise nach oben drücken. Fest steht auch, dass die Politik in der Eurozone derzeit nichts unternimmt, um den Notenbanken im Kampf gegen die Inflation zu helfen. Im Gegenteil: Die Regierungen erhöhen aktuell deutlich die Transferzahlungen an die Bürger, erhöhen die Rentenbezüge, unterstützen die kräftigen Lohnforderungen – und erzeugen damit genau die Zweitrundeneffekte, vor denen Volkswirte warnen, wenn sie von der Verfestigung der Inflation und der Inflationserwartungen sprechen.
Es geht den Politikern mit ihren „Inflations-Ausgleichsprogrammen“ um Wählerstimmen und nicht um die Sache. Vor diesem Hintergrund wird es schwierig werden, die Kerninflation unter 2 Prozent zu drücken. Leitzinserhöhungen alleine reichen nicht aus. Denn die Politik entzieht dadurch ja dem Wirtschaftskreislauf Liquidität und bringt sie gleichzeitig in Form von Geldgeschenken wieder in Umlauf, die dann zu mehr Schulden führen.
Höhere Zinsen berühren alle Lebensbereiche
Die Rückkehr der Zinsen hat für Staat und Bürger aber weitreichende Folgen. Die Staaten müssen wieder Zinsen für ihre neuen Schulden bezahlen und für die ausstehenden Schulden, deren Zinsbindungen auslaufen, werden die Refinanzierungskonditionen schlechter. Auch Deutschland wird das ab 2024 in zweistelliger Milliardenhöhe im Budget spüren – hochverschuldete Länder wie Italien noch viel mehr.
Immobilieninteressenten können sich durch die hohen Preise und plötzlich hohen Zinsbelastungen deutlich weniger leisten. Ein Stillstand bei den Immobilienkäufen und -verkäufen ist die Folge. Sparerinnen und Sparer können sich dagegen wieder über Anlagezinsen freuen. Tagesgeld und Festgeld zwischen 3 und 4 Prozent bessern die Haushaltskasse auf. Anleihen mit längeren Laufzeiten bieten ähnliche Zinsen bei guter Bonität. Deutsche Sparer haben ein Vermögen von knapp 3.000 Milliarden Euro und damit landen 90 bis 120 Milliarden an Zinserträgen bei den Bürgern und im Konsum. Unser Rat bleibt daher: Verhandle aktiv mit den Banken die Sparzinsen und vergleiche genau, bevor Du einen Kredit aufnimmst.