Hallo zusammen,
die bisherigen Antworten decken die wesentlichen Punkte bereits sehr gut ab, ich möchte jedoch noch einige Klarstellungen und Ergänzungen aus meiner persönlichen Erfahrung hinzufügen – gerade im Hinblick auf die steuerlichen Besonderheiten bei internationalem Aktienbesitz. (Ich bin kein Steuerberater und arbeite nicht mit Finanzen, aber investiere seit Äonen in den USA.)
1. Besteuerung beim Erhalt der Aktien:
Wie bereits korrekt dargestellt, handelt es sich bei den von Amazon gewährten Aktien zunächst um einen lohnsteuerpflichtigen Vorteil. Durch das „sell to cover“-Verfahren sollte die entsprechende Steuerbelastung in Deutschland zum Zeitpunkt der Übertragung bereits beglichen worden sein. Dies ist entscheidend, da in diesem Moment der sogenannte Anschaffungswert für die spätere Berechnung des Kapitalertrags festgelegt wird.
2. Verkauf der Aktien im US-Depot:
Da sich das Depot bei Morgan Stanley in den USA befindet und kein automatischer Steuerabzug wie bei deutschen Brokern erfolgt, sind Sie in der Pflicht, die realisierten Kursgewinne (Verkaufserlös abzüglich ursprünglicher Anschaffungskosten inkl. evtl. Gebühren) im Rahmen Ihrer deutschen Steuererklärung anzugeben. Das W-8BEN-Formular ist in diesem Zusammenhang für die Besteuerung von Dividenden relevant, spielt beim Verkauf der Aktien jedoch keine Rolle.
3. Praktisches Vorgehen:
Ich empfehle, sämtliche Unterlagen (Kauf-, Übertragungs- und Verkaufsbelege) sorgfältig zu archivieren. Für die Steuererklärung 2024 ist die Anlage KAP auszufüllen, in der die Kapitaleinkünfte aus dem Ausland (inkl. Wertpapierverkäufen) anzugeben sind. Das Finanzamt berechnet dann die fällige Abgeltungssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Ein Steuerberater kann im Zweifelsfall unterstützen und auch prüfen, ob beispielsweise ein etwaiger Sparerpauschbetrag berücksichtigt wurde.
4. Zum Beitrag von Marvinski:
Moin zusammen, bin gerade über eure Diskussion gestolpert und habe den Fall in der Familie.
Kann mir jemand sagen was bei Ausscheiden bei Amazon und erzwungenem Verkauf (weil Depot nicht übertragbar) noch alles an Steuern anfällt? Depotwert waren 2024 ca 45k USD, überwiesen wurden aber nur knapp 15k€. Das erscheint mir komisch, Dokumente von Morgan Stanley liegen aber nicht vor und die Hotline hilft bisher wenig.
Dass beim Zwangsverkauf nach Ausscheiden aus dem Unternehmen von 45.000 USD Depotwert nur 15.000 EUR überwiesen wurden, erscheint tatsächlich ungewöhnlich hoch als Abzug. Hier sollte im Detail geprüft werden, ob ggf. noch Steuerschulden aus dem RSU-Grant offen waren oder andere Gebühren/Abzüge vorgenommen wurden. Ohne Einsicht in die Dokumente von Morgan Stanley ist eine abschließende Bewertung leider nicht möglich – hier ist die Nachfrage beim Depotanbieter und eine transparente Aufschlüsselung zwingend notwendig.
Abschließend rate ich, bei Unsicherheiten immer auch einen Fachmann hinzuzuziehen – bei komplexen Sachverhalten zahlt sich professionelle Beratung oftmals aus, nicht zuletzt um unliebsame Überraschungen mit dem Finanzamt zu vermeiden.
Viele Grüße
Al