In Kürze die Quintessenz dieses Threads: Kann ich mir eine Aufteilung meiner Investitionen in einen ausschüttenden und einen thesaurierenden ETF womöglich sparen?
Ich werde zunächst ein paar (hoffentlich richtige) Grundgedanken zu dieser Thematik anstellen und am Ende auf eine Frage/Hypothese kommen. Meine Frage bezieht sich auf die Vor- bzw. Nachteile, die ein ausschüttender ETF gegenüber einem thesaurierenden im Hinblick auf (1.) Ausnutzung des Sparerpauschbetrages von 801 EUR und (2.) Steuerstundungseffekt hat.
Ausgegangen werden soll vereinfacht von folgendem Szenario:
- Ausschüttender bzw. Thesaurierender ETF auf den MSCI-World, monatlich bespart.
- Keine bzw. vernachlässigbare Tradinggebühren (Gratisbroker/Justtrade/TradeRepublic)
- Sparerpauschbetrag nicht anderweitig ausgenutzt, steht also in voller Höhe von 801 EUR für das Depot zur Verfügung
- Gesamtrendite jeweils 7% jährlich
- Davon im ausschüttenden 2% Dividendenausschüttungen
- Vorabpauschale von 0,07% (2020)
Grundsätzlich wird ja nun empfohlen (Video von Saidi) die ersten ca. 20.000 EUR in einen ausschüttenden ETF (mit kostenloser Wiederanlage) zu investieren. Hintergrund ist, dass durch 2% Ausschüttungen des Ausschütters der Sparerpauschbetrag von 801 EUR schneller ausgenutzt werden kann, als nur mit der Vorabpauschale von 0,07% des Thesaurierers (Aspekt 1.).
Alles was darüber hinausgeht sollte jedoch in einen Thesaurierer investiert werden, da so Kapitalerträge die über 801 EUR hinausgehen von einem Steuerstundungseffekt profitieren (Aspekt 2.).
In einem weiteren Video von Saidi wurde nun aber auch die Möglichkeit aufgezeigt durch einen Verkauf und sofortigen Wiederankauf von ETF-Anteilen (irrelevant ob Thesaurierer oder Ausschütter) Gewinn (5 bzw. 7% Kurssteigerung bzw. Kurssteigerung + thesaurierte Dividendenausschüttungen) zu realisieren und den jährlichen Pauschbetrag damit auszunutzen. Als Nachteil hierzu wird grds. zu Recht angeführt, dass hierbei Transaktionskosten für An- und Verkauf anfallen, welche die gesparte Steuer mindern. Gehen wir nun jedoch wie oben geschildert von einem Depot aus, bei dem Transaktionen (quasi) nichts kosten, so würde dieser Nachteil irrelevant werden. Somit könnte man quasi ohne Nachteile auch mit einem Thesaurierer die Vorabpauschale vollständig ausnutzen (Aspekt 1.).
Betreffend Aspekt 2. bleibt festzustellen, dass man es nach Möglichkeit vermeiden möchte, jeglichen Gewinn, der über die 801 EUR hinausgeht, zu realisieren, da dieser zu versteuern wäre und diese gezahlte Steuer dann nicht mehr an einer weiteren Verzinsung teilnehmen und vom Steuerstundungseffekt profitieren könnte. Aus diesem Grund vermeidet man es auch, ausschließlich auf einen Ausschütter zu setzen. Nun ist es jedoch so, dass die zu versteuernden Kapitalerträge automatisch jährlich steigen und irgendwann die 801 EUR überschreiten werden. Bei einem Ausschütter (2% Ausschüttungen) jedoch deutlich schneller als bei einem Thesaurierer (nur die 0,07% Vorabpauschale). Die automatische Steigerung resultiert zum einen aus der monatlichen Sparrate (da diese optimaler Weise in den Thesaurierer fließt nur in Höhe von 0,07%) und zum anderen aus der Kurssteigerung des Depotwertes. Steigt der Ausschüttende ETF zB von 10.000 EUR Depotwert um 5% auf 10.500 EUR, so steigen auch die Dividendenausschüttungen von 200 EUR um 5% auf 210 EUR. Auch ohne eigenes Zutun in Form weiterer Sparraten würde also irgendwann der Ausschütter „zu viel ausschütten“. Auch dadurch, dass der Ausschüttungsanteil schwanken und zB mal 3% Ausschüttungen kommen können, kann es passieren, dass unbeabsichtigt >801 EUR Gewinn realisiert werden. Über meine Lösung (s.u.) könnte man hingegen exakt steuern, wie viel Gewinn realisiert wird und dies möglichst exakt auf 801 EUR jährlich beschränken.
Kommen wir nun zur abschließenden Frage: Wäre es nicht auch einfach möglich, komplett auf einen Ausschütter zu verzichten und stattdessen ausschließlich in einen Thesaurierer zu investieren? Um den jährlichen Sparerpauschbetrag optimal zu nutzen (Aspekt 1 abgedeckt) verkaufe und kaufe ich dann einfach einmal jährlich ETF-Anteile um Gewinn (7%) zu realisieren. Irgendwann (zugegeben sehr spät) wird mein Depotwert auch so hoch sein, dass allein durch die Vorabpauschale der jährliche Pauschbetrag ausgenutzt würde, so dass man gar nichts mehr tun müsste. Auf der anderen Seite vermeide ich dadurch komplett, dass mehr Gewinn als notwendig (durch steigende Ausschüttungen) realisiert wird und profitiere dadurch maximal vom Steuerstundungseffekt (Aspekt 2 abgedeckt).
Der einzige potentielle Nachteil der mir hierzu einfallen würde - dazu kenne ich mich allerdings zu wenig aus - ist der folgende:
Vereinfacht bin ich ja jetzt von fixen +7% jährlich ausgegangen. Wenn in einem Jahr aber mein ETF mal keine +7% machen würde, sondern stattdessen einen Kursverlust hinnähme, hätte ich womöglich keinen realisierbaren Gewinn und könnte damit die 801 EUR nicht ausschöpfen. Bei einem Ausschütter hätte ich immerhin 2% Ausschüttungen um die 801 EUR auszunutzen. Möglicherweise ist das aber auch kein Problem, da ich durch die First in, First out (FIFO)- Regel auch beim Thesaurierer immer Gewinn hätte, den ich realisieren könnte. Auch könnte ich möglicherweise immer die im Thesaurierer enthaltenen 2% thesaurierten Ausschüttungen durch besagten Ver- und Ankauf realisieren (somit gleichlaufend wie bei einem Ausschütter). Allerdings weiß ich hier nicht, wie das dann ggf. mit dem ja gleichzeitig realisierten Verlust (aus Kursverlust) zu verrechnen wäre (Verrechnung dürfte aber ja eigentlich nicht anders laufen als beim Ausschütter?).
Ich würde mich über Antworten, Klarstellungen, Anregungen jeglicher Art sehr freuen. Möglicherweise helfe ich mit meinen Überlegungen ja auch anderen bei der Optimierung ihres Portfolios.
Zum Schluss noch der Hinweis: mir ist klar, dass die erzielten Steuervorteile minimal sind und man es theoretisch auch einfach „irgendwie“ oder „grob“ machen kann. Dennoch möchte ich es so gut wie möglich nachvollziehen und optimieren.