Tausende Euro sparen durch fehlerhafte Widerrufsbelehrung

  • Hallo,


    ich grüße euch alle als Neuling in diesem tollen Forum und möchte meinen Fall auch kurz schildern bzw. eine Frage stellen.


    Nachdem auch wir den Joker über eine Anwaltskanzlei (mit RSV) gezogen haben, hat der Darlehensgeber nunmehr, nach anfänglicher Ablehnung mit einem Angebot "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" reagiert. Er bietet an, den (noch 8 Jahre) laufenden Dahrlehensvertrag insoweit anzupassen, dass er einen Festzins von 2,05% p.a. (bisher 3,85%) anbietet und auf 70% (anfänglich 50%) der Vorfälligkeitentschädigung verzichtet.
    Meines Erachtens ist dies jedoch der Knackpunkt: Mit diesem Angebot will sich der Geldgeber das Risiko der Rückabwicklung ersparen, nötigt uns jedoch, hier hierfür letztlich nochmal 7.500 euro ( = 70%) abzudrücken.
    Eigentlich hätte ich ja keine Veranlassung mir diesen günstigeren Zinssatz zu erkaufen, denn die Ersparnis liegt ja vielmehr auf der anderen Seite, die sich die (mögliche) Rückabwicklung erspart.


    Meine Frage also: Gibt es Erfahrungswerte, dass bei weiterem Vorgehen auch auf die restlichen 30% verzichtet wird oder sollte man - zur Vermeidung langwieriger Instanzenwege bei diesem Angebot zustimmen? (Oder vielleicht bis zum 23.02. warten, da dann ja wohl wieder ein BGH-Urteil ansteht - s.o.).
    Dahrlehensgeber ist übrigens eine große Bausparkasse.


    Danke für eure Rückmeldung!

  • Klare: Wenn Du nach Erfahrungswerten fragst, ist es immer gut zu wissen, um welchen Darlehensgeber und um welchen Jahrgang es geht. Häufig verhalten sich Kreditinstitute durchaus unterschiedlich - je nachdem, welche Widerrufsbelehrung es geht. Die Diba ist so ein klassischer Fall.


    Grundsätzlich klingt mir das nach einem Angebot, das sich durchaus noch verbessern lässt. Du solltest Deinen Anwalt bitten, hier noch einmal nachzuverhandeln. Zwei bis drei Durchläufe sind hier im außergerichtlichen Bereich Standard. Es sei denn, der Anwalt kann Dir aufgrund seiner Erfahrung mit dem jeweiligen Kreditgeber glaubhaft machen, dass solche Angebote grundsätzlich nicht nachgebessert werden.


    Und noch was: Du hast keinen Grund, hier vorschnell einzulenken. Wenn deine RSV weiter deckt, kannst Du auch vor Gericht ziehen und dort über eine Rückabwicklung deutlich mehr erzielen als bei einem Ausstieg aus dem Darlehen. Einfach mal googlen unter "So viel bringt die Rückabwicklung eines Darlehens".


    Wenn es sich um die BHW handelt, dann kann ich nur sagen, dass es bereits einige Urteile gibt, die zu einer Rückabwicklung geführt haben. Auch hier hilft Google: "BHW Rückabwicklung Widerrufsjoker".

  • @Antipode: ja, deine Vermutung war natürlich richtig - es handelt um das BHW. Der Ursprungsvertrag stammt aus 2004 und wurde in 2014 prolongiert.
    Von meiner RSV habe ich bereits die Deckungszusage für die 1. Instanz, mein Anwalt sagt mir jedoch, die Rechtsprechung sei derzeit so unterschiedlich sei, dass er eher dazu raten würde, das Angebot anzunehmen (Spatz in der Hand.....und sicherlich weniger Arbeit ;-)).
    Ich habe jedoch eher das Gefühl, dass sich die Bank hier relativ (zu) günstig an einer Rückabwicklung vorbei käme.
    Montag muß ich entscheiden!


  • Ich habe jedoch eher das Gefühl, dass sich die Bank hier relativ (zu) günstig an einer Rückabwicklung vorbei käme.
    Montag muß ich entscheiden!


    Das Gefühl habe ich auch denn wenn die Bank sicher wäre zu gewinnen,
    hätte sie kein Angebot gemacht, sondern rundweg abgelehnt.
    Ich würde klagen da auch der RS steht,
    allerdings nur mit einem Anwalt, der nachweisbar
    mehrere solcher Prozesse gewonnen hat , z.B. Gansel in Berlin. www.gansel-rechtsanwaelte.de/

  • Nichts gegen Gansel, aber man muss schon wissen, worauf man sich dabei einlässt. Die Kanzlei beschäftigt mittlerweile eine ganze Reihe von jungen Anwälten, die das Thema Kredit-Widerruf nahezu industriell bearbeiten.


    Die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei bei "Herrn Gansel" landet, ist nahezu null. Die Erfahrung für das Thema ist sicherlich in der Kanzlei vorhanden. Ob davon aber auch wirklich jeder einzelne Anwalt profitiert und damit das Beste für den Mandanten rausholt, kann ich nicht einschätzen.


    Klare: Grundsätzlich sehe ich es aber auch so wie Garuda. Gerade, weil Du durch die RSV kein Kostenrisiko hast, spricht vieles dafür, die Klage durchzuziehen. Vielleicht kannst Du aber die Entscheidung noch etwas hinauszögern. Am 23. Februar kommt das mit Spannung erwartete BGH-Urteil zum Widerrufsjoker. Das wird sicher die Chancen fast aller Widerrufsjoker-Fälle beeinflussen. Davon würde ich es abhängig machen, ob man sich außergerichtlich einigt oder nicht.
    Zu der anstehenden BGH-Entscheidung einfach mal googeln: "BGH Widerrufsjoker drei"

  • @RAWedekind, vielen Dank für Ihre ausführlichen Ausführungen in diesem Thema!
    Ich habe mit meiner Anwältin gesprochen. Sie sieht sehr gute Chancen,
    das Bankdarlehen aussergerichtlich zu widerrufen, keine Rückabwicklung!
    Es soll erwirkt werden, dass der Vertrag entweder zu den aktuellen
    Konditionen neu abgeschlossen wird oder der bisherige noch für die
    restlichen 3,5 Jahre zu den aktuellen Konditionen fortgeführt wird. Ihr
    Honroar wird nach der Vorfälligkeitsentschädigung errechnet. Das sind
    15000 €. Im Rahmen eines Erfolgshonorars wünscht die Anwältin eine
    Beteiligung i.H.v. 30 %. Was ich nicht ganz verstehe: Ich habe ja die
    zukünftige monatliche Ersparnis dadurch, dass der Zins hoffentlich
    gesenkt wird. Für den Fall, dass die Bank auf die
    Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet bzw. unter Vorbehalt gezahlt
    werden muss, so muss ich 4500 € an die Anwältin zahlen. Für den Fall,
    dass ich eine verminderte Entschädigung zahlen muss, fallen pro 1000 €
    Ersparnis 300 € an Honorar an. Ich verstehe nur Bahnhof... Ich müsste
    also die Vorfälligkeit plus Anwaltskosten auf einmal aufbringen...wo ist
    da meine Ersparnis? Sie haben in einem Artikel von generellen 50 % gesprochen, also in
    meinem Fall 7500 €. Davon 30% wären ca. 2200 €, also kostet mich der Widerruf ca. 10000€ für einen neuen günstigeren Zinssatz. Verstehe ich das richtig? Sehe bei einer Restlaufzeit von ca. 3,5 Jahren meine Ersparnis nicht...
    Vielen Dank! Freundliche Grüße

  • Hallo @Gast10,


    1.
    die Zinsersparnis haben Sie (hoffentlich) vorher ausgerechnet, bevor Sie losgelegt haben.


    2.
    Übliche außergerichtliche Einigungen bei laufenden Verträgen fangen i.d.R. an bei 50% Vorfälligkeitsentschädigung-Zahlen und Anwaltskosten selbst tragen an. Bessere Einigungen sind natürlich im Einzelfall möglich.


    Dass die Bank sich auf eine außergerichtliche Einigung einlässt, hat i.d.R. damit zu tun, wie die Bank die Wahrscheinlichkeit einschätzt, vor Gericht zu verlieren.


    Ohne Rechtsschutzversicherung (RSV) ist eine Klage meist keine realistische Option, also muss man ggf. 'bluffen', denn wenn die Bank weiß, dass Sie nicht klagen würden ... warum sollten die Ihnen dann überhaupt 'entgegen kommen'?


    3.
    Mit RSV ist eine außergerichtliche Einigung oft günstiger, denn oft trägt die RSV die Anwaltskosten voll oder einen wesentlichen Anteil davon.


    4.
    In Ihrem Fall würden (ohne wirksamen Widerruf) offenbar 15.000 Euro Vorfälligkeitsentschädigung anfallen. Ihre Anwältin will offenbar 30% der ersparten VFE, also rd. 2.250 Euro (inklusive Umsatzsteuer??? oder zuzüglich???) bzw. ggf. auch 4.500 Euro (incl. Umsatzsteuer?)


    D.h. übliche Einigungen fangen in Ihrem Fall bei rd. 10.000 Euro an
    (7.500 Euro, wenn die RSV die Anwaltskosten voll decken würde).


    5.
    Was in Ihrem konkreten Fall eine gute Lösung wäre, sollten Sie mit dem Anwalt/der Anwältin Ihres Vertrauens erörtern.


    Daher ist es besonders wichtig, sich genau zu überlegen, welchen Anwalt/Anwältin man beauftragt - später zu wechseln ist meist schwierig.


    6.
    Sie müssen eine 'auf dem Tisch liegende' Einigung nicht annehmen. Das ist letztlich alles eine 'Rechenaufgabe', was wieviel kostet bzw. 'unterm Strich bringt'.


    a.
    Was haben Sie sich denn als Zinsvorteil für die nächsten 3,5 Jahre ausgerechnet?


    b.
    Was fällt an Anwaltsgebühren an, wenn Sie den Vergleich nicht abschließen und die Sache 'auf sich beruhen lassen würden'?


    Auch wenn es etwas besserwisserisch klingen mag, ... all dies hätte man vorher geklärt haben können. Das ist u.a. der Sinn einer Erstberatung ... das sind i.d.R gut investierte 230 Euro ... bevor man den Anwalt mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt.


    Jetzt müssen Sie halt schauen, welche Optionen Sie noch haben und zwischen den realen Handlungsoptionen eine Wahl treffen (nachdem Sie die Szenarien 'durchgerechnet' haben.)


    Alles Gute.


    Disclaimer: Dies ist keine Rechtsberatung. Alle Hinweise und Anmerkungen erfolgen unverbindlich und ohne jede Gewähr.

    Mit freundlichen Grüßen


    Leif Holger Wedekind

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei bei "Herrn Gansel" landet, ist nahezu null. Die Erfahrung für das Thema ist sicherlich in der Kanzlei vorhanden. Ob davon aber auch wirklich jeder einzelne Anwalt profitiert und damit das Beste für den Mandanten rausholt, kann ich nicht einschätzen.


    Genau so machen es die Banken.
    Sie beschäftigen bundesweit Heerscharen von Anwälten, die nichts anderes machen
    als Widerrufsklagen vor Gericht abzuschmettern.
    Dadurch kennen sie sich auch perfekt in der Materie aus und dem kleinen Richter
    am Amtsgericht fällt es schwer, dagegen zu argumentieren, weil er sich in der
    Materie nicht ! auskennt.
    Und genau so geht es auch dem Feld Wald Wiesen Anwalt.......;-)
    der zwar einen breiten Wissensstand haben mag, aber gegen Fachanwälte
    keine Chance hat.
    Ich kann, ja ich muß aus eigener Erfahrung, s.o. dringend nur zu einem Fachanwalt raten.
    Herzlichen Dank Herrn RA Wedekind für seine Beiträge !!!

  • Hallo,


    ich habe eine Frage zu meinem Vertrag und ob jemand schon das gleiche Problem hatte.


    Wir haben einen Darlehensvertrag am 15.06.2010 bei einer Bank
    abgeschlossen. Das scheint genau in der Zeit zu liegen, in der es
    keine Mustervorlage des Gesetzgebers gab. (11.06.2010 - 29.07.2010.


    Wenn ich meinem Darlehensvertrag nun widerrufe, kann ich mich dann
    überhaupt auf etwas fehlerhaftes berufen, da es ja keine Mustervorlage
    für den Darlehensgeber gab. Die Bank hat das neue Muster benutzt. Bei
    mir ist z.B. Klammertext verändert worden und noch dazu eine falsche
    Person eingetragen (Aufsichtsbehörde des "Darlehensnehmers).


    "Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst nachdem
    Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des
    effektiven Jahreszinses, Angabe zum einzuhaltenden Verfahren bei der
    Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensnehmer zuständigen
    Aufsichtsbehörde) erhalten haben."


    Die Aufsichtsbehörde scheint ja keine Pflichtangabe zu sein,
    noch dazu wird diese auch im restlichen Vertrag gar nicht erwähnt. Woher
    soll ich nun wissen, was die Aufsichtsbehörde ist. und dann soll diese
    auch noch für mich (Darlehensnehmer) zuständig sein.


    Oder spielt es mir sogar in die Karten, dass die Bank ohne Mustervorlage einen Widerruf niedergeschrieben hat, der von Grund auf keine Gültigkeit hat. nach welcher Vorlage hätten Sie denn einen Widerruf erstellen dürfen, nach dem abgelaufenen Muster bis 11.06. oder Nach dem noch nicht in Kraft getretenen zum 30.07.


    Viele Dank im Voraus, für die Unterstützung!!!

  • Hab jetzt viel gelesen im Forum und finde die Möglichkeit sich zu informieren ganz prima! Was mich jetzt im Zusammenhang mit dem Widerrufsjoker interessiert: Hat jemand Erfahrung mit der Firma "Bankkontakt"? Die bieten ja Dienstleistung "alles aus einer Hand" an, wenn ich das richtig verstanden habe (Prüfung durch RA, außergerichtliche Verhandlung mit Bank, Kostenübernahme bei Gerichtsstreitigkeiten und Suche einer Bank, die die bestehenden Darlehen weiter finanziert). DAs Ganze kostet den Kunden erst mal nichts, nur wenn die Verhandlungen und/oder die gerichtliche Auseinandersetzung zum Erfolg führen, bekommen sie 40% vom "erstrittenen" Betrag.
    Was mich dazu interessiert wäre: Ist die Firma seriös, sollte man sowas machen und wenn ja, sind die 40% ok?
    Vielleicht noch zur Erklärung: Habe 2008 bei einer Kreissparkasse Darlehensvertrag abgeschlossen, der übernächstes Jahr ausläuft. Nach einer ersten Vorprüfung durch einen Rechtsanwalt (ohne weiteren Auftrag bisher) ist die Widerrufsbelehrung falsch.

  • Was ist mit Immobilienkrediten ab 2011? Könnte es da auch diese Fehler in einer Widerrufsbelehrung und folglich einen Widerrufsjoker geben oder gilt das wirklich nur für Verträge bis 2010? Das habe ich dem Artikel nicht entnehmen können oder überlesen.

  • Ich habe im Zuge einer kostenlosen Prüfung durch einen RA die Auskunft erhalten, dass unsere Widerrufsbelehrung definitiv ungültig ist. Meine RS übernimmt nicht, da wir einen Neuubau haben. Der RA hat mir nun (auch) ein rein erfolgsabhängiges Honorar angeboten. Ich bin in Sachen Finanzen eher risikoscheu. Und bei Streitigkeiten erst recht, vor Gericht möchte ich auch aufgrund des fehlenden RS auf keinen Fall.


    Prinzipiell würde ich - so meine Rechnung - für die Restlaufzeit bei offenbar realistischen 2% Zinsen neu bei einem Vergleich abzüglich des o.g. Honorars ca. 7 TEUR sparen. Bezogen auf die Restschuld würde ich bei aktuellen (durchaus besseren!) Forward-Zinsen unter Berücksichtigung einer neuen Laufzeit von 10 Jahren nur noch Vorteile in Höhe von ca. 4 TEUR haben, sofern nicht die Bank zusätzlich auf Vorfälligkeiten verzichtet - was ich aufgrund des Gesprächs mit dem RA für unrealistisch erachte.


    Ich sehe für mich trotz des offenbar geringen Risikos kaum Vorteile. Übersehe ich etwas?

  • Bitte keine vorzeitige Kapitulation.
    Erstens mal ging es nicht um "Banken", sondern um "Sparkassen". Hätte der BGH verbraucherfreundlicher entschieden, hätten die Sparkassen ein Riesenproblem gehabt.


    Auch darf man nicht vergessen, dass die Klage hier etwas 'schräg' daher kam. Es ging um zwei alte Widerrufsinformationsmuster, die nach heutigem Recht beurteilt wurden. Das ist bei Rechtsstreiten über konkrete Einzelfälle aber gerade anders: Da wird die jeweilige Widerrufsinformation nach dem Recht beurteilt, was zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt.


    Außerdem sollte man genau lesen. Denn wie so oft liegt der Teufel im Detail.


    1.
    Leider wahr ist wohl ,dass der BGH die 'Ankreuz-Variante' an sich heute offenbar für okay erklärt hat (jedenfalls ab Mitte 2010 - ggf. gilt vorher im Umkehrschluss etwas anderes). Das heißt aber m.E. NICHT, dass damit jede ab Mitte 2010 verwendete Ankreuz-Widerrufsinformation nunmehr richtig wäre. Gerade bei den Sparkassen gibt es Muster, wo z.T. unklar ist, welche Textteile von dem Ankreuzkästchen umfasst werden. Wenn nur einiges nicht-angekreuzt ist, aber nicht explizit weggestrichen, ist es m.E. in vielen Einzelfällen doch unklar, was gemeint ist.


    2.
    Wir müssen ja auch immer unterscheiden zwischen der Frage, ob die Fiktionswirkung/der Musterschutz eingreift und die Widerrufsinformation ohne weitere Prüfung als ordnungsgemäß gilt ... und der Frage, ob eine
    nicht dem Muster entsprechende Widerrufsinformation ordnungsgemäß ist.


    3.
    Bei den Widerrufsinformationen ab Mitte 2010 findet sich regelmäßig die Passage


    "Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem
    der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B.
    ...) erhalten hat."


    oder ähnlich.


    a)
    Die Verwendung der Klammerangabe "(z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden
    Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die X-Bank zuständigen Aufsichtsbehörde)" führt wohl ziemlich sicher dazu, dass die Fiktionswirkung NICHT greift. (Denn das waren 3 Beispiele, die das Muster NICHT nennt).


    b)
    Wenn kein "Verwenden" des Musters vorliegt, ist dann die Formulierung "aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. ...) erhalten hat." voll überprüfbar.


    Und dazu hat z.B. das OLG Celle im Hinweisbeschluss vom 02.12.2015 3 - Az.: U 108/15 (zitiert nach der Datenbank der DAV-ARGE Bank- und Kapitalmarktrecht - Zugang nur für Mitglieder) ausgeführt:


    [Seite 14] ... Da damit die vorliegende Ausgestaltung der Widerrufsinformation vom Verbraucher zum Erfahren von weiteren Einzelheiten nicht nur abverlangt, möglicherweise komplizierten Normenverweisungen nachzugehen,
    um die Voraussetzungen des Fristbeginns im Einzelnen nachzuvollziehen, sondern darüber hinaus verwirrende Angaben enthält, weil im Gesetz nicht vorgesehene Pflichtangaben als solche benannt werden, dürfte es dem
    Verbraucher im Ergebnis nicht mehr möglich sein, nachzuvollziehen, unter welchen Voraussetzungen konkret die Frist beginnen soll. Durch die beispielhafte Aufzählung von vermeintlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB wird der Schutzzweck des Verbraucher-Widerrufsrechts verfehlt, da der Verbraucher selbst bei rechtskundiger Beratung nicht in
    die Lage versetzt
    [Seite 15] wird, nachzuvollziehen, nach Erhalt welcher Angaben konkret die Frist zu laufen beginnt."


    Zwar hat das OLG Celle damit nicht abschließend entschieden und sich AUCH darauf gestützt, dass die Angabe von falschen Beispielen verwirrend sei (und also nicht nur der Fiktionswirkung schädlich), ABER: das OLG Celle
    hat auch deutlich gemacht, dass es einem Verbraucher nicht abverlangt werden dürfe, sich über komplizierte Normenverweisungen erst zusammen suchen zu müssen, von welchen Voraussetzungen (Erteilung
    bestimmter Pflichtinformationen) der Beginn der Frist abhänge. Und wer schon einmal der Verweisungskette nachgegangen ist, weiß, was ich meine. Da raucht auch einem Volljuristen der Kopf .


    Die vollständige Entscheidung - wenn sie denn vorliegt - sorgfältig lesen.


    M.E. wird für die Widerrufsinformationen der Verträge ab Mitte 2010 gleichwohl noch eine 'neue Welle' an Widerrufen kommen. Das macht auch wirtschaftlich Sinn, weil meist die Rest-Zinsbindungen lang sind und sich daher entsprechend hohe Zinsvorteile für die Zukunft ergeben (auch wenn die Zinsdifferenz in Prozentpunkten zumeist geringer ist als bei 'älteren' Verträgen, aber die Zinsbindungsfrist 'gleicht das aus').


    Fazit:
    Für Verträge ab Mitte 2010 gilt also: Ruhig Blut. Und nur Mut.
    Bei Verbraucherzentrale vorprüfen lassen und dann zu einer/m spezialisierten/m Anwalt/Anwältin.


    Und Verträge bis Mitte 2010 sind ohnehin nicht unmittelbar betroffen. Was sich an Argumenten für/wider ergibt, muss man dann einmal in Ruhe schauen.


    Ich bleibe jedenfalls zuversichtlich: Der Widerrufsjoker ist noch lange nicht am Ende.


    Wichtig nur: Wer bis 10.06.2010 einen Vertrag geschlossen hatte, muss sich beeilen und den Widerruf vor Ablauf des 21. Juni 2016 erklärt haben - danach hat man dann wieder Zeit (Regelverjährung ist 3 Jahre zum Jahresende).


    Disclaimer: Dies ist keine Rechtsberatung. Alle Hinweise und Anmerkungen erfolgen unverbindlich und ohne jede Gewähr.

    Mit freundlichen Grüßen


    Leif Holger Wedekind

  • zu Stain23 v. 17.02.16


    Die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung wirksam oder unwirksam ist, kann auch ohne Vorhandensein einer Musterbelehrung anhand der gesetzlichen Regelung bzw. bereits ergangen Urteilen geprüft werden.


    Auch die Aufnahme der Formulierung "zuständigen Aufsichtsbehörde" kann eine Widerrufsbelehrung unwirksam machen, wie bspw. bereits das LG Verden und das OLG München im Mai 2015 entschieden haben.


    MfG


    Göbel

  • zu Stain23 vom 17.02.2016


    Nach unserem Kenntnisstand gab es für die Zeit vom 11.06. - 29.07.2010 auch eine sog. Musterbelehrung mit einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2010 und - parallel dazu - eine weitere, korrigierte sog. Musterbelehrung für die Zeit ab dem 30.07.2010.

  • Hallo zusammen, tolles Forum!


    Habe zwar schon seitenweise spannende Informationen gefunden, aber noch keine Antwort auf meine drängendste Frage.
    Die Situation:
    Ich habe während ich als Einzelunternehmerin tätig war ein gemischt genutzes Gebäude erworben und saniert, um sowohl meine Wohnung als auch mein Geschäft dorthin zu verlagern. Beide Nutzungen wurden zu jeder Zeit offen kommuniziert. Der Eigenkapitalanteil war nicht aus dem Betriebsvermögen und das Gebäude wurde auch nicht Teil des Betriebes, sondern der Betrieb Mieter im Gebäude.
    Ich bekam drei verschiedene Kredite

    • KFW-CO2-Gebäudesanierung für Privatpersonen (2008),
    • ERP Energieeffizienzprogramm für den gewerblichen Teil (2008) und ein
    • Darlehen ... mit dinglicher Sicherheit für private Zwecke und für Existenzgründung
      (2007, meine Existenzgründung lag da schon 8 Jahre zurück),

    sämtlich ohne Widerrufsbelehrung, also offenbar in meiner Eigenschaft als Unternehmerin.


    Die Frage (etwas zugespitzt): hat man, wenn man unternehmerisch tätig ist, automatisch keine Verbraucherrechte mehr, sobald das dem Gegenüber bekannt ist?


    Ich muss zugeben, das Kreditinstitut hatte auch Jahre zuvor meine Existenzgründung finanziert und kannte mich eben in meiner Eigenschaft als Unternehmerin, aber genauso führten sie auch seit Jahrzehnten meine Privatkonten.
    Kredit 1 und 2 sind undramatisch (Konditionen o.k. bzw. schon abgewickelt), aber beim 3. "für private Zwecke und Existenzgründung" wüßte ich gern, woran ich bin.


    Beste Grüße, Danke


    Hellen

  • Hallo!
    ich habe meine Widerrufsbelehrung für ein Darlehen am
    11.04.2008 unterschrieben. Die Spaarkasse hatte aber das Muster
    verwendet , das bis 31.03.2008 gültig war.
    Ist es noch zulässig? Gibt es Übergangsfristen für die Verwendung von Mustern?
    Vielen Dank im Voraus an alle die sich melden!
    Andrej