Der Stromkunde war nicht blöd: Er hat den überhöhten Preis ganz klar abgelesen und ließ sich dennoch auf das Rechtsgeschäft „Stromkauf“ ein.
Seine inneren Vorstellungen beim Stromkauf waren, dass der Preis überhöht sein könnte. Ebenso wahrscheinlich war es aber auch, dass der überhöhte Preis so Bestand haben sollte.
Da es sich lediglich um einen internen Motivirrtum auf Seiten des Stromkäufers handeln könnte, kommen die Irrtumsregeln aus der Rechtswissenschaft und dem BGB nicht zum Zuge.
Der Vertrag ist auch nicht Sittenwidrig. Es wurde Strom gekauft. Somit verstößt er nicht gegen die guten Sitten.
„Sittenwidrigkeit und Rechtsordnung
Es ist schlicht nicht möglich, jeden Missbrauch von vornherein durch gesetzliche Verbote zu unterbinden. Gerade im Bereich neuer Märkte wie etwa bei Internetverträgen und Telekommunikationsdienstleistungen müssen vertragliche Gestaltungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung überprüft werden können. Hierzu bedarf es einer Generalklausel, die schon die Gründer des Bürgerlichen Gesetzbuchs am Anfang des vorigen Jahrhunderts in § 138 BGB verankerten.
Demnach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig.
Was sind "gute Sitten"?
In juristischen Lehrbüchern findet sich häufig als Definition der "guten Sitten" das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Diese Formel geht auf die Gründungszeit des BGB zurück und hilft bei der Frage, wann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, nur bedingt weiter. Fest steht jedenfalls, dass der Begriff der "guten Sitten" nicht starr verwendet werden kann. Vielmehr unterliegt der Begriff einem steten Wandel.
Man kann also sagen, dass der Begriff durch diejeweils herrschende Rechts- und Sozialmoralbestimmt wird, wobei aber besonders strenge Anschauungen ebenso auszuklammern sind wie besonders laxe Auffassungen. Letztlich muss der Begriff der guten Sitten durch die Rechtsanwender/-innen, insbesondere durch die Gerichte, stetig fortgebildet werden. Maßgeblich für die Beurteilung ist, ob das Rechtsgeschäft seinem Inhalt, Beweggrund und Zweck nach unvereinbar mit der Rechts- und Sittenmoral ist. Das Rechtsgeschäft ist z. B. dann sittenwidrig, wenn Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder es in einem krassen Missverhältnis zum Gemeinwohl steht.
In welchen Fällen ist ein Vertrag sittenwidrig?
Sittenwidriger Vertragsinhalt
Ist ein Vertrag auf die Vornahme einer allgemein missbilligenden Handlung gerichtet, so ist der Vertrag alleine wegen seines Inhalts sittenwidrig.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn A dem B eine Belohnung verspricht, wenn dieser den C verprügelt.
Knebelungsverträge
Bei Knebelungsverträgen wird einer der beiden Vertragspartner/-innen in seiner/ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Freiheit so erheblich beschränkt, dass er/sie dem anderen quasi ausgeliefert ist.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Verlegerin V das Erstlingswerk eines Schriftstellers S nur unter der Voraussetzung veröffentlicht, dass er auch alle künftigen Arbeiten V überlässt. Verlegerin V behält sich dabei die Entscheidung vor, ob die Arbeiten überhaupt gedruckt werden.
Ausnutzung einer Monopolstellung
Monopolstellungen gibt es nur noch selten. Fast überall herrscht zwischenzeitlich Wettbewerb.
Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Wasserversorgungsunternehmen von seinen Kund/-innen ohne Begründung einen völlig überhöhten, sachlich nicht zu rechtfertigenden Wasserpreis unter Ausnutzung seiner Monopolstellung verlangt.
Wucher
Wucherische Rechtsgeschäfte stellen einen Unterfall sittenwidriger Rechtsgeschäfte dar. Voraussetzung ist zunächst ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Als weitere Voraussetzung muss hinzukommen, dass hierdurch eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, der Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche des anderen ausgenutzt wird. Die Rechtsfolge ist auch beim Wucher die Nichtigkeit des Vertrages.“ Quelle: https://www.vis.bayern.de/recht/verbrauchervertraege/sittenwidrigkeit.htm#:~:text=Maßgeblich%20für%20die%20Beurteilung%20ist,krassen%20Missverhältnis%20zum%20Gemeinwohl%20steht.
Und allein weil jemand Ausländer ist, deutet die auch nicht auf Wucher oder Sittenwidrigkeit hin. Jeder ist grundsätzlich frei, ob er ein Rechtsgeschäft abschließt oder nicht - und wenn ja, zu welchen Bedingungen.