Neuanfang im ETF-Universum

  • Hallo zusammen,


    ich bin seit einiger Zeit fleißige Leserin eurer Antworten und danke euch erstmal für euer geballtes Wissen, was ihr hier teilt.

    Ich selbst bin 30 Jahre alt und investiere seit ca. 4 Jahren in ETFs. Zusätzlich habe ich diverse Altersvorsorge Produkte, eine Wohnung als Kapitalanlage gekauft, einige Aktien über meinen Arbeitgeber sowie Festgeldkonten.

    Nun aber zu meinem Anliegen: ich habe damals mit 0 Plan mit ETFs angefangen und einfach blind investiert. Ich habe Produkte wie MSCI World, NASDAQ100, Dow Jones Sustainability, MSCI ACWI, Global Clean Energy und MSCI Small Caps mit Beträgen von jeweils 20-100 Euro bespart.


    Nach dem Lesen eurer Beiträge und einiger Bücher, weiß ich inzwischen, dass diese Art der Investition nicht unbedingt zielführend ist und ich mein Portfolio lieber einfach halten sollte.


    Mein Plan ist es jetzt, den MSCI World mit deutlich mehr pro Monat zu besparen. Die Sparpläne für die anderen ETFs habe ich pausiert. Sollte ich die Summen, die bereits in diese ETFs geflossen sind, verkaufen und alles in den World stecken? Und kann ich mit gutem Gefühl den MSCI World weiter besparen?


    Danke euch schon mal für eure Hilfe und ganz liebe Grüße,

    Mira

    • Hilfreichste Antwort

    Hallo und herzlich willkommen :)


    Ich selbst bin 30 Jahre alt und investiere seit ca. 4 Jahren in ETFs. Zusätzlich habe ich diverse Altersvorsorge Produkte, eine Wohnung als Kapitalanlage gekauft, einige Aktien über meinen Arbeitgeber sowie Festgeldkonten.

    Das sieht mir nach ein bisschen Durcheinander aus. Ich bin Fan von "Geld ganz einfach" oder auch "KISS - Keep it simple, stupid".


    Viele "Altervorsorge Produkte" sind nicht rentabel und bieten häufig nicht mal die Sicherheit, die sie versprechen, sondern nur die Sicherheit sich arm zu sparen. Ohne zu wissen was genau das bei dir ist, kann man das natürlich nicht gut bearbeiten. Grundsätzlich sind die aller meisten privaten Rentenversicherungen bAVen, Riester, Rürup usw. leider nicht wirklich sinnvoll.


    Aktien des Arbeitgebers sollte man sobald es möglich ist verkaufen, da man ohnehin schon ein hohes Klumpenrisiko hat, da du bei diesem Arbeitgeber arbeitest und dein Gehalt davon abhängig ist. Und dann zusätzlich noch ein Teil deines Vermögens. Kann man natürlich mitnehmen, vielleicht ist der Deal für dich sinnvoll. Aber nach der Haltefrist würde ich die verkaufen.


    Festgeld halte ich für zu unflexibel und aktuell gibt es keine Risikoprämie dafür. Du bekommst also beispielsweise im Vergleich zu Tagesgeld keinen höheren Zins, wenn du dich länger bindest.


    Nun aber zu meinem Anliegen: ich habe damals mit 0 Plan mit ETFs angefangen und einfach blind investiert. Ich habe Produkte wie MSCI World, NASDAQ100, Dow Jones Sustainability, MSCI ACWI, Global Clean Energy und MSCI Small Caps mit Beträgen von jeweils 20-100 Euro bespart.

    So sehen viele Depots aus von Menschen, die anfangen. Wie du sagst eher nicht wirklich sinnvoll, aber das sieht nun auf dem ersten Blick auch nicht wie ein totaler Beinbruch aus, wenn du das nun ein paar Jahre so gemacht hast. Jeder begeht finanzielle Fehler in seinem Leben, gerade am Anfang.


    Mein Plan ist es jetzt, den MSCI World mit deutlich mehr pro Monat zu besparen. Die Sparpläne für die anderen ETFs habe ich pausiert. Sollte ich die Summen, die bereits in diese ETFs geflossen sind, verkaufen und alles in den World stecken? Und kann ich mit gutem Gefühl den MSCI World weiter besparen?

    Das würde ich in deinem Fall denke ich so handhaben. Einziger Nachteil ist nur, dass du den Steuerstundungseffekt unterbrichst, solltest du entsprechende Gewinne auf deinen ETFs haben. Mir wäre es die dafür gewonnene bessere Übersicht und die Minderung der Komplexität wert, du bist ja auch noch am Anfang deines Vermögensaufbaus. Lieber jetzt noch einmal einigermaßen neu anfangen als ewig irgendwas mit sich rumschleppen zu müssen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Bei einer 1-ETF-Lösung hast du den großen Vorteil, dass du gar nicht mehr dauernd vor Augen hast welcher ETF, welcher Sektor, welche Region gerade besser läuft und wirst nicht dazu verleitet diesem und jenem Trend hinterher zu rennen.


    Statt den MSCI World würde ich persönlich eher den MSCI ACWI weiter besparen oder alternativ die noch breiter gestreuten FTSE All-World oder MSCI ACWI IMI, in denen mehr kleinere Unternehmen (Small Caps) sind. Du könntest auch den MSCI World und den ACWI, die du schon hast, im Depot lassen und nun einen der beiden genannten neu anfangen. Dann hast du zumindest keine der Sektorwetten mehr im Portfolio. Meiner obigen Argumentation folgend würde ich glaub ich eher einmalig alles in einen ETF legen und eben mal ein paar Steuern zahlen. Zahlen musst du die ohnehin irgendwann, nur dass du die Steuern noch etwas länger nach hinten verschieben könntest. Davon geht die Welt nicht unter, wenn du das nicht tust.


    Wenn du verrätst um welche Größen es hier bei den einzelnen ETFs geht, kann sicher Jemand eine bessere Einschätzung liefern was sinnvoller ist. Die Entscheidung liegt aber am Ende bei dir alleine.


    Viel Erfolg!

  • Hallo,


    erstmal danke für deine sehr ausführliche Antwort. Das hat schon mal sehr geholfen!

    Viele "Altervorsorge Produkte" sind nicht rentabel und bieten häufig nicht mal die Sicherheit, die sie versprechen, sondern nur die Sicherheit sich arm zu sparen. Ohne zu wissen was genau das bei dir ist, kann man das natürlich nicht gut bearbeiten. Grundsätzlich sind die aller meisten privaten Rentenversicherungen bAVen, Riester, Rürup usw. leider nicht wirklich sinnvoll

    Ich habe eine private Altersvorsorge über die Nürnberger Versicherung, die ebenfalls auf ETFs basiert. Aber verstehe ich dich richtig, dass diese Konstrukte dann nicht wirklich Sinn ergeben und man diese Versicherung auch einfach selbst über Investments in ETFs lösen kann?


    Aktien des Arbeitgebers sollte man sobald es möglich ist verkaufen, da man ohnehin schon ein hohes Klumpenrisiko hat, da du bei diesem Arbeitgeber arbeitest und dein Gehalt davon abhängig ist. Und dann zusätzlich noch ein Teil deines Vermögens. Kann man natürlich mitnehmen, vielleicht ist der Deal für dich sinnvoll. Aber nach der Haltefrist würde ich die verkaufen.

    Ach spannend, darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Bei uns gab es die letzten Jahre immer das Angebot "3 Aktien bekommen, nur 2 Aktien zahlen", darum habe ich hier mehrfach zugegriffen.

    Statt den MSCI World würde ich persönlich eher den MSCI ACWI weiter besparen oder alternativ die noch breiter gestreuten FTSE All-World oder MSCI ACWI IMI, in denen mehr kleinere Unternehmen (Small Caps) sind. Du könntest auch den MSCI World und den ACWI, die du schon hast, im Depot lassen und nun einen der beiden genannten neu anfangen.

    Super Tipp, danke. Meinst du beim FTSE All-World das Vanguard Produkt (A1JX52)?


    Wenn du verrätst um welche Größen es hier bei den einzelnen ETFs geht, kann sicher Jemand eine bessere Einschätzung liefern was sinnvoller ist. Die Entscheidung liegt aber am Ende bei dir alleine.

    Aktuell habe ich ca. 8k in meinem Depot. Also alles noch sehr überschaubar. Der größte Anteil liegt hier im World und NASDAQ. Habe bisher mtl. nur Betrage von 20-100 Euro eingezahlt, sprechen wir hier wirklich noch von kleineren Summen, aber das möchte ich jetzt gerne ändern. Und das gerne mit Sinn und Verstand.


    Danke dir und einen tollen Tag!

  • Ich habe eine private Altersvorsorge über die Nürnberger Versicherung, die ebenfalls auf ETFs basiert. Aber verstehe ich dich richtig, dass diese Konstrukte dann nicht wirklich Sinn ergeben und man diese Versicherung auch einfach selbst über Investments in ETFs lösen kann?

    Im Großen und Ganzen: ja. Die Vorteile einer privaten Rentenversicherung, die mir einfallen, sind eine Art Sparzwang (hier sollte man sich meiner Meinung nach lernen im Griff zu haben), der Schutz der eingezahlten Summe im Falle einer Privatinsolvenz oder bei Beziehen von Bürgergeld usw. (sollte bei Jemandem der mit Geld umgehen kann, spart und vernünftig anlegt zumindest weniger wahrscheinlich sein) und die Versicherung des Langlebigkeitsrisikos, also dass du eben eine lebenslange Rente bekommst. Es gibt aber Entnahmestrategien fürs „Alter“, die genau das mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auch können. Und die meisten Rentenversicherungen beginnen (!) sich erst zu rechnen wenn man weit über 80 oder sogar über 90 wird. Manchmal noch schlechter. Da lege ich mein Geld lieber selbst an und bin flexibel und selbstbestimmt. Und hab nicht auch noch das Kontrahentenrisiko eines Versicherers der ausfallen kann. Um nur ein paar Aspekte zu nennen.


    Ach spannend, darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Bei uns gab es die letzten Jahre immer das Angebot "3 Aktien bekommen, nur 2 Aktien zahlen", darum habe ich hier mehrfach zugegriffen.

    Wie gesagt: kannst du machen. Ich kann nicht beurteilen ob es sich lohnt beim Unternehmen bei dem du arbeitest und ob dann 3 für 2 ein guter Deal ist, mit dem du eine gute Rendite einfährst. Kann sein. Wie gesagt: nach der Mindesthaltedauer würde ich die dann zumindest verkaufen.


    Super Tipp, danke. Meinst du beim FTSE All-World das Vanguard Produkt (A1JX52)

    Das ist die ausschüttende Variante. Ich persönlich würde immer, gerade als Anfänger, einen thesaurierenden ETF (in dem Fall: A1JX52)wählen, der automatisch Dividenden wieder anlegt. Einzige Ausnahme ist, wenn sich Dividenden unglaublich motivieren überhaupt anzufangen und/oder am Ball zu bleiben. Das ist aber letztlich rein psychologisch. Wenn du eine Ausschüttung brauchst, was in der Ansparphase eh nicht sein sollte, kannst du Anteile verkaufen. Kommt aufs gleiche raus. Lies dich an der Stelle am besten ein.


    Aktuell habe ich ca. 8k in meinem Depot. Also alles noch sehr überschaubar. Der größte Anteil liegt hier im World und NASDAQ. Habe bisher mtl. nur Betrage von 20-100 Euro eingezahlt, sprechen wir hier wirklich noch von kleineren Summen, aber das möchte ich jetzt gerne ändern. Und das gerne mit Sinn und Verstand.

    Der NASDAQ ist halt eine Sektorwette auf Tech und größtenteils USA und ein recht kleiner Index. Wird allgemein nicht empfohlen.


    Wenn du der Lesetyp bist, dann würde ich dir empfehlen mal ein Buch zu lesen. Das hat den Vorteil, dass es bei A beginnt und alles kompakt hat. Thomas Kehl/Mona Linke: „Das einzige Buch das Du über Finanzen lesen solltest“ oder Hartmut Walz: „Ihre Finanzen fest im Griff“ (2. Auflage) sind empfehlenswert.


    Artikel im Internet bei Finanztip oder Finanzfluss gehen natürlich auch und/oder Videos oder Podcasts, aber meist ist das nicht so kompakt und strukturiert von A ab.


    Hier die Seite von Finanzfluss finde ich als Startpunkt auch recht gut: https://www.finanzfluss.de/start/


    Viel Erfolg!

  • Ich bin 30 Jahre alt und investiere seit ca. 4 Jahren in ETFs. Zusätzlich habe ich diverse Altersvorsorge Produkte, eine Wohnung als Kapitalanlage gekauft, einige Aktien über meinen Arbeitgeber sowie Festgeldkonten.

    Impidimpi hat Dir schon eine ganze Menge Sinnvolles geschrieben.


    Ein ganz anderer Tip: Stell mal eine private Vermögensbilanz auf (und einen mittelfristigen Finanzplan). Dein Portfolio scheint zwar mit den vielen ETFs ziemlich zerklüftet zu sein (und könnte somit eine Vereinfachung vertragen), aber der ETF-Teil hat aktuell gerade mal 8 k€. Deine Wohnung dürfte entschieden teurer sein und Deine Festgeldanlagen auch. Du könntest mit dieser Wohnung ein veritables Klumpenrisiko haben (allerdings vermutlich keinen sinnvollen Weg, diesen Klumpen zu verkleinern). Man sollte immer an der größten Baustelle anfangen und die Feinarbeit an kleinen Baustellen erstmal zurückstellen.