Wechsel in die Private Pflegepflichtversicherung nach Überschreiten der JAEG

  • Hallo liebes Forum,


    ich würde gerne hier ein Thema diskutieren wozu man bislang kaum Informationen findet. Es geht um den isolierten Wechsel von der sozialen Pflegeversicherung (SPV) in die private Pflegepflichtversicherung (PPV) nach Überschreiten der Jahresarbeitsendgeltgrenze (JAEG) während man in der Krankenversicherung gesetzlich (GKV) bleibt, also dann freiwillig versichert ist. Die Gründe für und gegen einen Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) sollen hier explizit kein Bestandteil des Artikels sein. Es soll also primär um die Vor- und Nachteile eines solchen Wechsels der Pflegeversicherung gehen.

    Ich möchte die mir bislang bekannten Informationen auflisten:


    1. Normalerweise "folgt" die Pflegeversicherung der Krankenversicherung (GKV = SPV; PKV = PPV). Nach Überschreiten der JAEG als Arbeitnehmer (oder bei neuer Selbstständigkeit) besteht jedoch innerhalb von drei Monaten die Möglichkeit per Befreiung von der Versicherungspflicht (§22 SGB XI) von der SPV in die PPV zu wechseln. Hierzu muss man eine PPV von einem Versicherungsunternehmen nachweisen, die Befreiung kann dann auch rückwirkend gelten gemacht werden. Nach den drei Monaten kommt man nur noch über den Wechsel in die PKV auch in die PPV.


    2. Diese Befreiung ist dann jedoch bindend und kann nicht widerrufen werden, ein späterer Wechsel zurück in die SPV ist dementsprechend nicht mehr ohne weiteres möglich.


    3. Die Beiträge in der PPV richten sich ähnlich wie in der PKV nach Alter und Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss und sind unabhängig von der Anzahl der eigenen Kinder, es gibt auch keinen Kinderlosenzuschlag wie in der SPV. Während in den ersten fünf Jahren nach Abschluss theoretisch höhere Beiträge als in der SPV zB durch Risikozuschläge bei Vorerkrankungen möglich wären, ist der Beitrag danach durch den Gesetzgeber auf den Maximalbeitrag mit 1 Kind in der SPV limitiert (aktuell 175,95€). Die PPV darf einen aber im Gegensatz zur PKV grundsätzlich nicht wegen Vorerkrankungen abweisen. Vom Arbeitgeber gibt es wie in der SPV einen Zuschuss bis maximal zur Hälfte des Beitrags der PPV.


    4. Die Leistungen in der PPV sind identisch zu denen, die man in der SPV erhält. Nicht erwerbstätige Kinder sind ebenso beitragsfrei mitversichert. Während in der SPV Pflegeleistungen direkt abgerechnet werden muss man in der PPV Kosten zunächst vorstrecken und dann einreichen.


    Zusammenfassend lässt sich auf Grund der gleichen Leistungen zwischen SPV und PPV somit eine nüchterne Vergleichbarkeit hinsichtlich der finanziellen Unterschiede ziehen. Mir ergibt sich der Eindruck, dass man mit Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze und bei regelhafter Erwerbstätigkeit deutlich günstiger mit der PPV fahren sollte wenn man frühzeitig wechseln kann. Selbst mit mehreren Kindern sind die Beiträge in der SPV wohl immer noch höher wenn man den Einschätzungen des PKV-Verbandes Glauben schenken mag. Dem gegenüber steht das Risiko dann höherer Beiträge in der PPV während der Rentenzeit wenn die niedrigeren Einkünfte auch die Beiträge in der SPV schmälern würden. Hier stellt sich für mich die Frage, ob man bei Erfüllen der Voraussetzungen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) dann auch wieder in der SPV pflichtversichert wird wenn man zuvor in der PPV war? Außerdem ist mir unklar was bei Elterngeld/zeit, Arbeitslosigkeit mit der PPV passiert, bzw. unter welchen Umständen man doch zurück in die SPV wechseln kann.


    Ich bedanke mich für den Input und freue mich auf die Diskussion.

  • Elena H.

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Hallo Gandolf,

    ist Ihnen klar dass bei einem Wechsel der Pflegeversicherung immer eine Wartezeit von 2 Jahren besteht bevor Leistungen beansprucht werden können? Also wären Sie in den ersten 2 Jahren ohne Schutz im Falle einer eintretenden Pflegebedürftigkeit. Meiner Meinung nach würde ich die Finger davon lassen, zumal so eine ungewöhnliche Konstellation eher zu Problemen führen könnten, ist so schon manchmal strittig wer zuständig ist, die GKV oder die Pflegeversicherung, wenn jetzt noch 2 unterschiedliche Systeme ins Spiel kommen wird es nur noch unübersichtlicher.

  • Hallo Gandolf,

    ist Ihnen klar dass bei einem Wechsel der Pflegeversicherung immer eine Wartezeit von 2 Jahren besteht bevor Leistungen beansprucht werden können? Also wären Sie in den ersten 2 Jahren ohne Schutz im Falle einer eintretenden Pflegebedürftigkeit.

    Hallo Gandolf und Babs,

    das Argument mit den Wartezeiten trifft nicht zu, denn die Vorversicherungszeit in der SPV würde auf die Wartezeiten in der PPV angerechnet, also im Normalfall kein Problem.

    Meiner Meinung nach würde ich die Finger davon lassen, zumal so eine ungewöhnliche Konstellation eher zu Problemen führen könnten, ist so schon manchmal strittig wer zuständig ist, die GKV oder die Pflegeversicherung, wenn jetzt noch 2 unterschiedliche Systeme ins Spiel kommen wird es nur noch unübersichtlicher.

    Hierin unterstütze ich Babs in ihrer Argumentation und rate deshalb per saldo ebenfalls von dieser Idee ab.


    Stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber diese Konstellation überhaupt zugelassen hat:

    Es war die Erwartung bzw. Befürchtung vor der Verabschiedung des Pflegeversicherungsgesetzes im Jahr 1994, dass ohne diese Befreiungsmöglichkeit das Gesetz noch in letzter Sekunde - oder sogar nachträglich - vor dem Bundesverfassungsgericht Schiffbruch erleiden könnte.

    Arbeit macht Spaß. Aber wer kann schon Spaß vertragen?





  • Hallo Alexis,

    interessant, das wusste ich nicht, dass die Vorversicherungszeit angerechnet wird. Umgekehrt ist es nämlich nicht so, wechselt man von der Privaten Pflegepflichtversicherung z.B. in die Familienversicherung seines GKV-Versicherten Ehepartners, dann ist man in den ersten 2 Jahren nicht gesichert bei Pflegefall, man soll dann auf jeden Fall die Private Pflegeversicherung noch 2 Jahre weiterlaufen lassen (ist quasi doppelt versichert) und erst danach diese kündigen, weil erst dann die Soziale Pflegeversicherung Pflegeleistungen übernimmt.

  • Hallo Alexis,

    interessant, das wusste ich nicht, dass die Vorversicherungszeit angerechnet wird. Umgekehrt ist es nämlich nicht so, wechselt man von der Privaten Pflegepflichtversicherung z.B. in die Familienversicherung seines GKV-Versicherten Ehepartners, dann ist man in den ersten 2 Jahren nicht gesichert bei Pflegefall, man soll dann auf jeden Fall die Private Pflegeversicherung noch 2 Jahre weiterlaufen lassen (ist quasi doppelt versichert) und erst danach diese kündigen, weil erst dann die Soziale Pflegeversicherung Pflegeleistungen übernimmt.

    Hallo Babs,

    hattet Ihr schon einmal so einen Fall im Familien- oder Bekanntenkreis? Dann muss da wohl etwas schief gelaufen sein - oder aber die Vorversicherung in der Sozialen oder Privaten Pflege(pflicht)versicherung war in diesem Einzelfall nicht erfüllt.


    Bei www.haufe.de- einer unverdächtige Quelle - habe ich folgenden Textauszug gefunden, der etwas anderes sagt und meine Sicht der Dinge bestätigt:

    1 Vorversicherungszeit

    Eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Pflegeleistungen ist die Erfüllung der Vorversicherungszeit von 2 Jahren innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Antragstellung.

    2 Anzurechnende Zeiten

    Als Vorversicherungszeit werden Zeiten der

    berücksichtigt.

    Außerdem werden Zeiten einer privaten Pflegeversicherung als Vorversicherungszeit berücksichtigt, wenn die private Pflegeversicherung wegen Eintritt von Versicherungspflicht oder von Familienversicherung gekündigt wird. Die Zeit der bis zum Beginn der Versicherungspflicht ununterbrochenen in der privaten Pflegeversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten wird angerechnet.


    Bitte prüfe das noch einmal nach und berichte hier. Und sollte es für Deine Verwandte/Bekannte noch einen nachträglich durchsetzbaren Anspruch gegenüber der Pflegekasse geben, würde das nicht nur mich freuen , sondern ganz sicher alle Mitleser hier im Forum.


    Gruß

    Alexis

    Arbeit macht Spaß. Aber wer kann schon Spaß vertragen?





  • Hallo Alexis,


    Sie haben Recht, seit 2019 wurde diese Falle beim Wechsel von der Privaten Pflegepflichtversicherung in die Soziale Pflegeversicherung gestoppt, vorher war man 2 Jahre ohne Schutz. Entschuldigung, dann war meine 1. Antwort ein Schnellschuss, hatte noch ein Urteil im Kopf, kurz darauf wurde dies wohl geändert. Einfach googeln: Verbraucherzentrale Hamburg: Falle beim Wechsel der Krankenversicherung gestoppt!

  • Hallo Babs,

    vielen Dank für das Benennen der Vorgeschichte zu Ihrem ersten Beitrag. Damit wird das Ganze natürlich etwas verständlicher.


    Ich habe mir auch das in diesem Beitrag der VZ Hamburg genannte BSG-Urteil v. 30.11.2017 - B 3 P 5/16 R, angeschaut. Daraus wird m. E. deutlich, dass es sich bei diesem strittigen Rechtsfall nicht um den typischen Wechsel zum Eintritt der Familienversicherung handelte, sondern der Kläger war noch vier Monate (bis 30.4.) in der PKV/PPV verblieben, obwohl die Familienversicherung schon ab 1.1. de facto bestanden hatte. Also kein unmittelbarer Übertritt!


    Ich bin kein Jurist und kann daher nur vermuten, dass dieser spezielle Hintergrund zu dem Urteil geführt hat. Denn schon damals lautete der einschlägige § 33 Abs. 3 SGB 11 wie folgt
    (Hervorhebung durch mich):


    (3) Personen, die wegen des Eintritts von Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung oder von Familienversicherung nach § 25 aus der privaten Pflegeversicherung ausscheiden, ist die dort ununterbrochen zurückgelegte Versicherungszeit auf die Vorversicherungszeit nach Absatz 2 anzurechnen.


    Das Besondere an diesem Fall hätte die VZ bei der Verbreitung dieses Falles eigentlich herausstellen können. Ob ihr damals eher an einer Verallgemeinerung gelegen war oder ob ihr der Unterschied gar nicht aufgefallen war, dazu besteht natürlich keine letzte Gewissheit. Im Nachhinein als schwaches Bild erscheint es aber so oder so.


    Gruß

    Alexis

    Arbeit macht Spaß. Aber wer kann schon Spaß vertragen?





  • Erstmal vielen Dank für die Beiträge. Könntet ihr vielleicht etwas näher ausführen, wo ihr die Probleme mit der Zuständigkeit seht bzw "zwei verschiedenen Systemen"? Offensichtlich gibt es in der PPV mit der Compass-Pflegeberatung und medicproof so etwas Ähnliches wie den Medizinischen Dienst der gesetzlich Versicherten. Wurde damit in der Vergangenheit schlechtes berichtet?


    Stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber diese Konstellation überhaupt zugelassen hat:

    Es war die Erwartung bzw. Befürchtung vor der Verabschiedung des Pflegeversicherungsgesetzes im Jahr 1994, dass ohne diese Befreiungsmöglichkeit das Gesetz noch in letzter Sekunde - oder sogar nachträglich - vor dem Bundesverfassungsgericht Schiffbruch erleiden könnte.

    Die Frage, die sich auch stellt wie man bei einer Pflichtversicherung im Jahre 1995 noch auf die Idee kommen konnte ein umlagefinanziertes System wie in der gesetzlichen Rente zu implementieren, obwohl zu diesem Zeitpunkt die zu erwartende demographische Entwicklung hinlänglich bekannt war....


    Hat jemand noch Infos darüber was mit der PPV passiert wenn man in die Rente geht und die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner erfüllt. Wird man dann wieder in der SPV versichert?


    Ich vermute übrigens, dass die mangelnde Information zu dieser Thematik mitunter daran liegt, dass sich als Versicherungsmakler/verteter mit so einem Wechsel der Pflegeversicherung kein Geld verdienen lässt.

  • Hallo Gandolf

    Offensichtlich gibt es in der PPV mit der Compass-Pflegeberatung und medicproof so etwas Ähnliches wie den Medizinischen Dienst der gesetzlich Versicherten. Wurde damit in der Vergangenheit schlechtes berichtet?

    Nicht dass ich wüsste. Im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit meiner Schwierigmutter haben sowohl Compass als auch Medicproof gut funktioniert, sowohl telefonisch als auch aufsuchend. Es wird von medicproof auch nicht strenger geprüft als vom MD (früher MDK) der gesetzlichen Kassen. Allein schon deshalb, weil das Pflegeversicherungsgesetz das so vorschreibt (Quelle bzw. § sdazu habe ich momentan nicht parat, wird ggfs. nachgereicht).


    Die Probleme, die auch Babs angesprochen hat, liegen eher im Grenzbereich zwischen (jeweils im engeren Sinne) Krankheit einerseits und Pflegebedürftigkeit andererseits. Kommt das Ganze praktisch aus einer Hand, lässt es sich i.d.R. schneller regeln als wenn die Zuständigkeiten nicht unter ein und demselben Dach angesiedelt sind.

    Die Frage, die sich auch stellt wie man bei einer Pflichtversicherung im Jahre 1995 noch auf die Idee kommen konnte ein umlagefinanziertes System wie in der gesetzlichen Rente zu implementieren, obwohl zu diesem Zeitpunkt die zu erwartende demographische Entwicklung hinlänglich bekannt war....

    Tja ... was nicht sein darf, das kommt auch nicht in Frage. Der Blüm, Nobby, als so genannter Herz-Jesu-Sozialist wollte es so haben, und der Kohl, Helmut, wollte ihm nicht dazwischengrätschen.

    Hat jemand noch Infos darüber was mit der PPV passiert wenn man in die Rente geht und die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner erfüllt. Wird man dann wieder in der SPV versichert?

    Dafür sehe ich momentan keine Grundlage. Wäre natürlich pfiffig, wenn das so wäre, aber genau wegen dieser Pfiffigkeit wird diese Hintertür in die SPV von außen verschraubt und von innen vernagelt sein.


    Schon geklärt: § 22 (1) Satz 2 SGB 11 schreibt vor:

    Die befreiten Personen sind verpflichtet, den Versicherungsvertrag aufrechtzuerhalten, solange sie krankenversichert sind.

    Und da Du Deine Krankenversicherung als Rentner nicht wieder los wirst, gilt dasselbe auch für Deinen PVN.

    Ich vermute übrigens, dass die mangelnde Information zu dieser Thematik mitunter daran liegt, dass sich als Versicherungsmakler/verteter mit so einem Wechsel der Pflegeversicherung kein Geld verdienen lässt.

    Jetzt hast Du den Fuß in die Eingangstür zur Verschwörungstheorie gestellt. Klar lässt sich mit dem Komplettwechsel KV+PV mehr Provision oder Courtage machen als nur mit dem Wechsel von der S- in die PPV.


    Aber ein Vertriebsprofiamateur, der es in so einem Fall nicht schafft, bei z.B. 140 € monatlichem Differenzbeitrag nicht noch z.B. eine ordentliche BU-Versicherung zu verkaufen, der weiß garantiert auch nicht, dass es diese befristete Befreiungsmöglichkeit überhaupt gibt. 8)

    Arbeit macht Spaß. Aber wer kann schon Spaß vertragen?