Verlustbescheinigung vs. Freistellungsauftrag

  • Hallo Zusammen,

    ich hätte eine etwas knifflige Frage und hoffe, dass vielleicht schon jemand in einer ähnlichen Situation war und mir hier vielleicht weiterhelfen kann. Es hat sich bei Bank A im sonstigen Verlusttopft (leider) eine mittlere 4 stellige Summe angesammelt. Da ich bei Bank B und C aber dieses Jahr recht gute Erträge bzw. Zinsen eingefahren habe, wollte ich mir von Bank A eine Verlustbescheinigung ausstellen lassen, die ich dann bei meiner nächsten Einkommensteuererklärung beim Finanzamt einreichen möchte. Nun ist es ja so, dass bei einer Bank immer zuerst der Verlusttopf mit den Zinsen / Erträgen verrechnet wird, bevor der Freistellungsauftrag greift. Wie sieht das nun aus, wenn ich bei Bank A und B einen Freistellungsauftrag laufen habe und bei Bank C nicht. Wird das Finanzamt hier bei der Steuererklärung auch zuerst den Verlusttopf anrechnen und die Freistellungsaufträge bei Bank A und B ignorieren, bis der Topf leer ist? Das hätte den entscheidenden Nachteil, dass für mehrere Jahre der Sparerpauschbetrag entfällt. Oder wird der Topf erst in Anspruch genommen, was über den Sparerpauschbetrag (also 1000 €) hinausgeht? Ich hoffe, ich habe mich halbwegs verständlich ausgedrückt, sonst gerne nachfragen. Danke schon mal an alle, die sich mit meiner Frage beschäftigen möchten.
    Viele Grüße CKJ

  • Referat Janders 20. September 2025 um 03:56

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Hallo,

    kurz und direkt beantwortet: Ihre Befürchtung ist leider zutreffend. Das Finanzamt wird bei der Steuererklärung zuerst Ihre gesamten Kapitalerträge mit den bescheinigten Verlusten verrechnen. Erst auf den Betrag, der danach übrig bleibt, wird der Sparerpauschbetrag angewendet.

    Das bedeutet, dass der bereits bei den Banken A und B genutzte Freistellungsauftrag im Rahmen der Steuererklärung quasi "ignoriert" wird, da dort eine Gesamtbetrachtung aller Ihrer Kapitalanlagen stattfindet.

    Die Reihenfolge der Verrechnung im Detail

    Wenn Sie eine Verlustbescheinigung von Bank A einreichen, geht das Finanzamt wie folgt vor:

    Ermittlung der Gesamterträge: Zuerst werden alle Ihre positiven Kapitalerträge des Jahres von allen Banken (in Ihrem Fall Bank A, B und C) zusammengerechnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob bei einer Bank ein Freistellungsauftrag genutzt wurde oder nicht.

    Verlustverrechnung: Von dieser Summe der positiven Erträge wird der Verlust aus der Verlustbescheinigung von Bank A abgezogen.

    Anwendung des Sparerpauschbetrags: Nur wenn nach der Verlustverrechnung noch ein positiver Betrag übrig ist, wird darauf der Sparerpauschbetrag (1.000 € für Ledige / 2.000 € for gemeinsam Veranlagte) angerechnet.

    Besteuerung: Ein eventuell danach noch verbleibender Betrag wird mit der Abgeltungsteuer (25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) besteuert.

    Ein konkretes Rechenbeispiel

    Nehmen wir vereinfachte Zahlen, die Ihrer Situation ähneln:

    Verlusttopf "Sonstige" bei Bank A: -4.500 € (Sie beantragen die Verlustbescheinigung)

    Zinserträge bei Bank B: +2.000 € (Hier wurde ein Teil des Freistellungsauftrags genutzt)

    Zinserträge bei Bank C: +1.500 € (Hier wurde kein Freistellungsauftrag genutzt und Kapitalertragsteuer abgeführt)

    Ihr Sparerpauschbetrag: 1.000 €

    So rechnet das Finanzamt:

    Summe der positiven Erträge: 2.000 € (Bank B) + 1.500 € (Bank C) = 3.500 €

    Verlustverrechnung: 3.500 € (Erträge) - 4.500 € (Verluste) = -1.000 €

    Ergebnis: Ihr Saldo aus Kapitalvermögen für dieses Jahr beträgt 0 €. Da kein positiver Ertrag übrig bleibt, kann der Sparerpauschbetrag von 1.000 € nicht genutzt werden – er verfällt für dieses Jahr ungenutzt.

    Verbleibender Verlustvortrag: Der nicht genutzte Teil des Verlusts (in diesem Fall 1.000 €) wird vom Finanzamt festgestellt und ins nächste Jahr vorgetragen. Sie können ihn dann in der nächsten Steuererklärung wieder mit Kapitalerträgen verrechnen.

    Der entscheidende Nachteil, den Sie korrekt erkannt haben: Obwohl Sie eigentlich einen Freibetrag von 1.000 € hätten, sorgt die Verrechnungsreihenfolge dafür, dass dieser ins Leere läuft, solange Ihre Verluste die Gewinne übersteigen.

    Was ist die Alternative?

    Die Alternative wäre, keine Verlustbescheinigung bei Bank A zu beantragen.

    Konsequenz: Der Verlust von 4.500 € bleibt bei Bank A im Verlusttopf und kann nur mit zukünftigen Gewinnen bei derselben Bank verrechnet werden.

    Ihre Steuererklärung: Sie würden die Gewinne von Bank B (2.000 €) und Bank C (1.500 €) angeben. Das Finanzamt würde darauf Ihren vollen Sparerpauschbetrag von 1.000 € anrechnen. Zu versteuern wären dann 2.500 € (3.500 € - 1.000 €). Die bereits von Bank C abgeführte Steuer würde Ihnen angerechnet werden.

    Strategische Überlegung

    Sie stehen also vor der Wahl:

    Verlustbescheinigung beantragen: Sinnvoll, wenn Sie die Gewinne bei Bank B und C sofort mit den Verlusten von Bank A verrechnen möchten und/oder Sie bei Bank A in absehbarer Zeit keine ausreichenden Gewinne erwarten, um den Verlusttopf dort abzubauen. Sie nehmen dabei in Kauf, den Sparerpauschbetrag für dieses (und eventuell folgende) Jahr zu "verlieren".

    Keine Verlustbescheinigung beantragen: Sinnvoll, wenn Sie den Sparerpauschbetrag für die Gewinne bei Bank B und C nutzen möchten und davon ausgehen, dass Sie bei Bank A in den nächsten Jahren wieder Gewinne erzielen, mit denen sich der Verlusttopf bankintern abbauen lässt.


    Bitte beachten Sie, dass dies keine steuerliche Beratung darstellt und im Zweifel immer ein Steuerberater konsultiert werden sollte.

  • Hallo Lightee,

    vielen, vielen Dank für die tolle, schnelle und super erklärte Antwort. Auch wenn es tatsächlich so zu sein scheint, wie ich befürchtet habe… ;(. Danke auch für die Alternativvorschläge. Wünsche ein schönes Wochenende!! 👋

  • Schöne Antwort von Lightee, die die Frage des TE beantwortet und das Prinzip der Verlustverrechnung durchs Finanzamt allgemein erklärt.

    Eine Ergänzung für diejenigen, die per Google hierherkommen und ein bereits genanntes Detail übersehen: Es gibt 2 Verlusttöpfe, den Verlusttopf Aktien und den Verlusttopf Sonstiges.

    Verluste im Verlusttopf Aktien kann man nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften ausgleichen.
    Verluste im Verlusttopf Sonstiges kann man mit allen möglichen Gewinnen ausgleichen.

    Im vorliegenden Fall geht es um den Verlusttopf Sonstiges (den der TE in seinem Posting ausdrücklich genannt hatte), den kann er mit allen möglichen Gewinnen ausgleichen.

    Wenn er den Ausgleich übers Finanzamt durchführen will (wie beschrieben), verliert er den Sparerpauschbetrag, bis der Verlust verbraucht ist. Allerdings hat er ja jedes Jahr die Wahl, seine bereits abgeltungsversteuerten Kapitalerträge einzureichen oder nicht. Hat er in einem Jahr besonders viele Kapitalerträge (weil er etwa ein Papier mit recht hohem Gewinn verkauft hat), wird er das beim Finanzamt einreichen. Hat er in einem anderen Jahr nur ein paar Zinsen, die locker in den Pauschbetrag passen, spart er sich die Angabe der Kapitalerträge bei der Steuer und schont den restlichen Verlustvortrag. Letztlich ist das ein Rechenexempel.

    Es gibt übrigens noch einen anderen Weg der Verlustverrechnung: Man kann einen Verlustvortrag direkt auf eine andere Bank übertragen. Bedingung dafür ist allerdings, daß das Depot der abgebenden Bank leer ist. Dieser Weg ist schneller als der Weg übers Finanzamt. Beim Finanzamt dauert der Ausgleich meistens etwa ein Jahr (nämlich bis zur nächsten Steuererklärung, genauer bis zum nächsten Steuerbescheid), von Bank zu Bank findet der Ausgleich umgehend statt:

    Der Kunde beauftragt den Übertrag seines Verlustvortrags von Bank A zu Bank B, dieser Verlustvortrag kommt bei der Bank B an, bei der der Kunde im laufenden Jahr bereits Kapitalertragsteuer bezahlt hat. Bank B verrechnet die bereits versteuerten Gewinne mit dem übertragenen Verlust und zahlt die angefallene Kapitalertragsteuer entsprechend zurück. Dabei gilt das gleiche Rechenverfahren wie oben geschildert. Ein eventueller Freistellungsauftrag bei dieser Bank tritt dann auch hinter den Verlust in die zweite Reihe zurück (bleibt am Jahresende also ggf. ungenutzt). Ein eventueller Freistellungsauftrag bei einer anderen Bank bleibt in diesem Fall aber erhalten.

    Man muß verstehen, wie die Verlustverrechnung funktioniert, und kann sich dann die für die eigene Situation günstigste Situation heraussuchen. Es ist ein Rechenexempel.

    Verluste bleiben entweder bei der Bank oder beim Finanzamt beliebig lang stehen, Man kann sie also auch mit späteren Gewinnen verrechnen. Nur mit früheren Gewinnen (also mit Gewinnen der Vorjahre) geht das nicht, obwohl man sich das manchmal wünschen würde.

    :)