Riesterfalle und Optimierung Riester-Förderquote im klassischen Familienmodell

  • Heute geht es wieder einmal um Familien. Es heißt ja immer so schön, mit der Riesterrente profitiere vor allem der Gutverdiener und die Familie mit vielen Kindern. Wie so oft steckt der Teufel aber im Detail. Daher möchte ich nun, nachdem ich schon über Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung des Elterngeldes (link) geschrieben habe, gerne eine Diskussion über eine weitere Optimierung bzw. über eine Förderfalle im Rahmen des Riestermodells starten. Ziel hierbei: Wie kann man die persönliche Förderquote im Sinne des staatlichen Zuschusses pro aufgewendeten Euro (Begriffserklärung siehe Diskussion über Zulagerendite) erhöhen?
    Generell wird die private Altersvorsorge (AV) entweder durch eine Zulage (§§ 79 ff. EStG) oder durch einen Sonderausgabenabzug (SAA) (§ 10a EStG) staatlich gefördert. Der SAA von max. 2100 EUR pro Person wird jedoch nur dann gewährt, wenn er günstiger ist als der Zulagenanspruch (Günstigerprüfung im Rahmen der jährlichen Steuererklärung). In diesem Fall werden die erhaltenen Zulagen von der Steuerersparnis wieder abgezogen. Nur der Überrest ist ein wahrer Steuervorteil. Bei zusammenveranlagten Ehegatten, die beide unmittelbar förderberechtigt sind, steht jedem Ehegatten ein eigener SAA zu.


    Betrachten wir das klass. Familienmodell. Er arbeitet Vollzeit und Sie übernimmt die Kindererziehung und arbeitet ggf. in einem mittelmäßig bezahlten Teilzeitjob. Laut Destatis ist dieses Modell immernoch eines der weitverbreitetsten, so dass folgende Überlegungen relevant sein dürften. Wem das ideologisch behagt, möge die Zahlen nehmen und die Geschlechter tauschen.


    Im Rahmen der Riesterrente ist der Ehemann im klass. Familienmodell aufgrund seiner Vollzeiterwerbstätigkeit unmittelbar zulageberechtigt und muss für den Erhalt der vollen Zulage 4% seines SV-pflichtigen Vorjahreseinkommens abzgl. seiner persönlichen Zulagen in einen Riestervertrag einzahlen. Abhängig vom Förderberechtigungsstatus der Ehefrau ergeben sich nun drei Fälle, von denen der dritte der spannendste ist.

    • Ehefrau vollzeiterwerbstätig mit hohem Einkommen
      Die Frau ist unmittelbar zulageberechtigt und muss für die volle Zulage 4% des Vorjahreseinkommens einzahlen. Versteuern beide zusammen 95 kEUR ergibt sich für das Paar eine Gesamtförderquote in Höhe des Grenzsteuersatzes von ca. 45%, wenn die Beiträge als SA gelten gemacht werden. So weit so unspannend.
    • Ehefrau nicht erwerbstätig
      In diesem Fall ist die Frau nur mittelbar zulageberechtigt, d.h. Zulagen fließen in voller Höhe dann und nur dann, wenn die Frau einen eigenen AV-Vertrag besitzt und der Ehemann seinen Vertrag ordentlich im Sinne der 4% Regel bespart. Bei dieser Konstellation halten sich die Gestaltungmöglichkeiten in Grenzen. Ein SAA kommt nur für den Ehemann in Frage, der aber um den Sockelbetrag der Ehefrau von 60 EUR erweitert wird. Bei der Berechnung des Eigenanteils darf der Ehemann seine eigene Zulage sowie die Kinderzulagen von den 4% abziehen. Hat das paar zwei Kinder und versteuert 55 kEUR stehen ihm Zulagen von 2*154 EUR + 2*300 EUR = 908 EUR zu. Die Eigenbeiträge belaufen sich auf 60 EUR für die Frau und 1346 EUR für den Mann. Bei einem Grenzsteuersatz von ca. 35% ergibt sich bei einem SAA von 2160 EUR ein Steuervorteil von 756 EUR. Das ist weniger als die Zulagen von 908 EUR. Die Gesamtförderquote beträgt 908 EUR / 1406 EUR = 64,6%. Diese Quote würde sich bei deutlich kleinerem zvE erhöhen, weil der Eigenbeitrag sinkt. Bei deutlich größerem zvE würde zwar der SAA in Ansatz kommen, aber aufgrund der Kinderzulagen nur zu einer geringen Steuerersparnis und damit nur zu einer leicht höheren Förderquote führen.
    • Ehefrau in Kindererziehung und/oder in Teilzeitbeschäftigung
      In diesem Fall ist die Ehefrau pflichtversichert in der GRV, entweder aufgrund ihrer sv-pflichtigen Teilzeiterwerbstätigkeit oder aufgrund der Kindererziehungszeit, auch ohne eigenes Einkommen in den 36 Mon. nach Geburt (bei mehreren Kindern verlängert sich die Kindererziehungszeit um 36 Mon./Kind). Das besondere in dieser Konstellation: Die Ehefrau ist unmittelbar zulageberechtigt, hat einen eigenen SAA und der Ehemann darf sich i.Ggs. zu Fall 2) nicht die Kinderzulagen auf seinen Eigenbeitrag anrechnen lassen, es sei denn die Kinderzulagen fließen in seinen Vertrag. Das ist aber nicht die Regel. D.h. der Ehemann muss bei normalem bis gutem Gehalt 2100 EUR abzgl. seiner persönlichen Zulage von 154 EUR, also 1946 EUR in seinen Vertrag einzahlen, um in den Genuss der Zulage zu kommen. Die Ehefrau muss mindestens den Sockelbetrag von 60 EUR einzahlen. Auch bei Teilzeiterwerbseinkommen wird die Frau in vielen Fällen nicht mehr einzahlen müssen, weil die Kinderzulagen vom eigenen Beitrag wieder abgezogen werden dürfen. Hat die Frau z.B. 2 Kinder, muss sie erst ab einem SV-Einkommen von 20350 EUR mehr als 60 EUR Sockelbetrag einbezahlen. In vielen Fällen wird das Teilzeiteinkommen aber kleiner sein.
      Und jetzt kommt der Punkt: Beide Verträge sind unabhängig voneinander, d.h. die Kinderzulagen fließen, auch wenn der Ehemann gar keinen Vertag bespart und solange die Frau den Sockelbetrag leistet. Ihre persönliche Förderquote läge damit im o.g. Fall bei 754 EUR / 60 EUR = 1257%. Für den Ehemann ergibt sich jetzt aber folgender Fallstrick. Er hat den Nachteil, dass er sich zwar nicht bei seinem Eigenbetrag die Kinderzulage anrechnen lassen kann, dafür aber die Kinderzulagen von einem evtl. Steuervorteil durch den SAA abgezogen werden. Sollte er also ein normales- bis gutes Einkommen haben, kommt aufgrund der Kinderzulagen kein eff. Steuervorteil zustande. Der Mann spart also den Höchstbetrag von 1946 EUR, um zusätzliche 154 EUR zu bekommen. Damit liegt seine Förderquote bei mageren 8%. Gleichzeitig wird sein Grenzsteuersatz im Alter mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bereich von 20-30% liegen, so dass die Auszahlung stärker belastet als die Einzahlung gefördert würde. Natürlich muss man hier auch das Verhältnis der Anspardauer zur Auszahldauer, sowie den Steuerstundungsvorteil aufgrund der Steuerfreiheit der Kapitalerträge während der Ansparphase betrachten, jedoch ist die Diskrepanz so groß, dass hier die erhebliche Gefahr besteht, dass der Ehemann mit seinen Beiträgen über die Gesamtlaufzeit einen echten Verlust erwirtschaftet.

    Da der dritte Fall sehr wahrscheinlich auf viele Paare zutrifft, habe ich für vier Einkommen jeweils in Abhängigkeit der Kinderzahl die Förderquoten berechnet. Es zeigt sich sehr schön, dass bei steigender Kinderzahl der eff. Steuervorteil aufgrund der Gegenrechnung der Zulagen entweder gar nicht vorhanden oder so klein ist, dass die Förderquoten nur sehr schwer an den späteren Grenzsteuersatz im Alter heranragen. Kritische Förderquoten in diesem Sinne sind rot unterlegt.





    Mit diesem Wissen stellt sich die Frage nach den Alternativen bzw. der Optimierung. 1. sollte der normal bis sehr gut verdienende Ehemann die Besparung seines Vertrags überdenken und in vielen Fällen am Besten während der Kindererziehungszeit (und ggf. anschließenden Teilzeit) des Partners aussetzen, weil 8% Förderung einfach zu wenig sind. Zweitens sollte sich der Ehemann fragen, wo denn sein investierter Euro mehr bringt. Alternativen:

    • Basisrente
      AV-Aufwendungen mittels Basisrente werden nach §10 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerlich gefördert, allerdings erst 2025 zu 100% berücksichtigt. Der Ehemann wird also steuerlich in der Höhe des Grenzsteuersatzes gefördert. Die Förderung hier ist also effektiv besser, weil Zulagen nicht gegengerechnet werden. In den jeweils drei letzten Zeilen der oben stehenden Tabellen sind die optimierten Förderquoten und die relative Verbesserung der Gesamtförderquote bei Wechsel von Riester- zu Basisrente berechnet. Um die Förderung weiter zu optimieren, könnte der für den Riestervertrag vorgesehene Beitrag zunächst zurückgestellt werden und dann ab 2025 in eine Basisrente fließen, um eine 100%ige Berücksichtigung der Beiträge zu erzielen. Nachteil Basisrente: SV-pflichtig.
    • Freiwillige Nachzahlungen in GRV
      Freiwillige Nachzahlungen in die GRV sind analog zur Basisrente steuerlich gefördert. Nachzahlungen könnte man z.B. für Schulzeiten, für nicht angerechtete Hochschulzeiten bei überschrittener Höchstdauer sowie für Versicherungslücken durch Elternzeit leisten. Vorteil zur Basisrente ist die Belastung der gesetzlichen Rente mit dem verminderten KV-Satz bei Pflichtversicherung in der KVdR. Ob sich Nachzahlungen lohnen, muss aber im Einzelfall geprüft werden.
    • bAV und Entgeltumwandlung
      Die Erhöhung der EG-Umwandlung kann ebenfalls sinnvoll sein, wenn der AG die Einzahlung ordentlich bezuschusst und der Durchführungsweg nicht sehr kostenintensiv ist. Steuerl. Förderung besteht ebenfalls wieder in Höhe des Grenzsteuersatzes. Hinzukommen ggf. gesparte SV-Abgaben abzgl. verminderter Ansprüche. Hier sollte ebenfalls wieder im Einzelfall mit spitzem Stift gerechnet werden.
    • Ungeförderte Vorsorge mit ETF-Depot
      Vorteile: Sehr kostengünstig, renditestark, keine Garantieabsicherung, für pflichtversicherte Rentner nicht sv-pflichtig und voll flexibel. Der Ehemann verzichtet auf die 154 EUR und spart statt im Riestermantel einfach privat. Nachteil: Kein Steuerstundungsvorteil, keine Förderung, nicht Hartz4-geschützt und keine lebenslange Verrentung.
  • Fazit:
    Das Zusammenspiel von Zulagen und Steuervorteilen kann im klassichen Familienmodell während der Kindererziehungszeit zu der paradoxen Situation führen, dass die Förderquote während der Einzahlphase deutlich unter der steuerlichen Belastung in Form des Grenzsteuersatzes während der Auszahlphase liegt. Dieser Effekt wird umso stärker, je höher das Einkommen des Ehemanns ist und je mehr Kinderzulagen der Ehefrau zustehen. In diesem Lichte ist die Rentabilität des Riestermodells insbesondere für normal- bis sehr gutverdienende Ehemänner unter Berücksichtigung der Einzahl- und Auszahlphase höchst fraglich. Jeder sollte prüfen, ob der ursprüngliche für den Riestervertrag vorgesehene Euro nicht viel besser in einer alternativen AV aufgehoben ist!

  • Kleine Ergänzung (bzw. Begriffserläuterung) zu den freiwilligen Einzahlung in gesetzliche Rentenversicherung:


    1. Nachzahlungen:
    Möglich für Zeiten von Schulbesuch oder Studium, die nach altem Recht anrechenbar gewesen wären, nach heute gültigem Recht nicht (mehr) anrechenbar sind. Also Schulbesuch zwischen 16 und 17 und Schule/Studium ab dem 85. Monat.


    Wichtig: Der entsprechende Antrag muss vor dem 45. Geburtstag gestellt werden.


    2. Freiwillige Versicherung:
    Möglich für Zeiträume, in denen keine Pflichtversicherung vorliegt.


    Wichtig: Der Antrag kann für das laufende Jahr gestellt werden. Wenn er bis zum 31.03. gestellt wird, auch für das Vorjahr.


    3. Ausgleichszahlungen:
    Möglich wenn eine vorgezogene Altersrente bezogen werden könnte, also wenn 35 Jahre an Versicherungszeiten bis zum geplanten Rentenbeginn erreicht sein werden.


    Möglich ab dem 50. Geburtstag.


    Wichtig: Man verpflichtet sich nicht, zu dem geplanten Zeitpunkt tatsächlich in Rente zu gehen.



    Für jede dieser Möglichkeiten sollte man sich beraten lassen, um abschätzen zu können, ob das wirklich etwas für einen ist.