#Maximilian,
Du stellst zwei Fragen, die beide je einen ausführlichen Thread wert wären.
1. Versorgungswerk: Wenn Du Rechtsanwalt bist (oder wirst), hast Du keine Wahl. Dann bist Du zwangsverkammert in der jeweiligen Rechtsanwaltskammer und damit auch Zwangsmitglied im zugehörigen Altersversorgungswerk. Altersversorgungswerke gibt es knapp 90 in Deutschland, die Bedingungen unterscheiden sich subtil bis sehr. Es ist somit nicht sinnvoll, von "dem" Versorgungswerk zu sprechen. Du mußt Dir vielmehr das für Dich zuständige Versorgungswerk anschauen. Wechsel ist unter bestimmten Bedingungen möglich, aber nicht einfach, nicht unproblematisch. Eine Wahlfreiheit besteht jedenfalls nicht.
Ich ärgere mich etwas über die Seite des sonst sehr geschätzten Dr.Schlemann, der auf seinen Seiten suggeriert, daß Versorgungswerksrenten doppelt so hoch seien wie GRV-Renten. Das kann nichts anderes als ein schiefer Vergleich sein. Wenn man diese Renten schon vergleicht, muß man gleiche Berufsbiographien und gleiche Beiträge vergleichen, nicht den ehemaligen Minijobber mit dem Bestverdiener.
Die Zinsbaisse hat bei vielen Versorgungswerken mächtig ins Kontor geschlagen. Waren die Renten im vergangenen Jahrhundert im Vergleich zur GRV-Renten teilweise überragend besser (z.B. 60% höher bei gleichen Beiträgen), so hat sich das im neuen Jahrhundert deutlich verschlechtert (z.B. 20% weniger bei gleichen Beiträgen).
Man kann die beiden Systeme nicht ganz miteinander vergleichen: Die GRV hängt am Füllhorn des Staates, jeder vierte Steuer-Euro geht mittlerweile in die Rentenkasse, jeder dritte Renten-Euro ist kein Beitragsgeld, sondern Staatsgeld. Auch Du als mutmaßlicher Rechtsanwalt zahlst Steuer für die GRV, Deine eigene Zwangsaltersversorgung hat nichts davon. Folge: niedrigere Versorgungswerkrenten.
Die Versorgungswerke sitzen voller Anleger-Angsthasen, die Aufsichtsbehörden in den Länderministerien noch viel mehr. Also wird das Geld der Versicherten primär in Staatsanleihen gesteckt. Was die in den letzten Jahren abgeworfen haben, dürftest Du wissen. Folge: niedrigere Renten.
Akademiker leben im Durchschnitt etwa 4 Jahre länger als die Durchschnittsbevölkerung, heißt: 4 Jahre länger Rente. Folge: niedrigere Renten.
Bei der gesetzlichen Rente wird den Versicherten kostenfrei ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente draufgelegt. Dabei ist das eine geldwerte Leistung (je jünger die Ehefrau, desto mehr). Zumindest bei manchen Versorgungswerken wird das individuell berücksichtigt: Ein Verheirateter bekommt etwa 10% weniger Rente als ein Lediger. Eine frauenfeindliche Bestimmung, nebenbei.
Ich habe neulich mal eine Versorgungswerksrente eines bestimmten Versorgungswerks gegen eine GRV-Rente gerechnet. Noch ist die Versorgungswerksrente etwa 5% besser (bei gleichen Beiträgen, Erhöhung vom Juli 2023 bereits eingerechnet), das wird sich aber bald umkehren, denn dieses Versorgungwerk hat seit vielen Jahren die Renten überhaupt nicht erhöht.
In der Summe hast Du als Kammermitglied keine Wahl: Du mußt Mitglied in Deinem Versorgungswerk werden. Du hast das Recht, Dich von der GRV befreien zu lassen, das wirst Du auch tun, weil Du nämlich nicht doppelt Beiträge zahlen willst oder kannst.
Ein Deal für die fernere Zukunft könnte sein, sich die Versorgungswerkrente möglichst früh auszahlen zu lassen (etwa mit 60) und sich aus dem ausgezahlten Geld eine GRV-Rente aufzubauen. Das will aber mit dem spitzen Bleistift durchgerechnet sein. Ziehst Du eine GRV-Rente um 1 Monat vor, kostet das 0,3% Abzug. Das ist für den Versicherten ein Geschäft, der Abzug ist an sich zu niedrig.
Versorgungswerke ziehen für vorzeitige Inanspruchnahme teilweise gleich 0,5% ab, das ist eine andere Nummer, obwohl die Zahlen auf den ersten Blick so unschuldig ähnlich aussehen. Pro Jahr sind das 3,6% weniger oder 6% weniger. Das sieht dann schon anders aus.
Wie gesagt: Keine Wahl. Du brauchst keinen Gedanken daran zu verschwenden, ob Du das willst oder nicht. Du mußt, auch wenn die Rendite der Versorgungswerkrente aktuell schlechter aussieht als die der GRV.