Trader42
Ganz generell und vorab, sehe mich lediglich
Wenn auch ein an solchen Themen Interessierter.
Was wäre konkret die besser Alternative zum Vorgehen der EZB bei der Rettung des Euros gewesen?
Das gab es kaum noch eine Alternative beim erreichten Stand des Desaster im Sommer 2012. Ohne das Draghische "Whatever it takes" wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit "Game over" für den Euro gewesen.
Siehe auch hier:
Da das Ganze rund um die Europäische Einheitswährung ein rein politisch motiviertes Projekt war - wäre es auch die originäre Aufgabe der Politik gewesen die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das ist de facto unterblieben.
Der Euro ist daher (leider) sozusagen (in währungstechnischen Zeiteinheiten gerechnet) direkt vom "Kreißsaal" (2002) auf die "Intensivstation" eingeliefert worden (2010) - und liegt seit spätestens 2012 (Dragi: "Whatever it takes") - um in dem Bild zu bleiben - im "Brutkasten" der EZB ...
Sowie hier:
Umso wichtiger wäre es gewesen das "Pferd nicht von hinten" aufzuzäumen sprich zuerst die VSE zu schaffen (Vereinigte Staaten von Europa) und dann als Krönung sozusagen den Euro einzuführen. Mit einem Finanzminister, einem Wirtschaftsminister, einer gemeinsamen Fiskalpolitik etc. pp. ...
Eine solche Währungsunion mit zentralisierter Geldpolitik (via EZB) aber weiter dezentraler Fiskalpolitik (in der Hand der Nationen) hat auf längere Sicht - nach meinem Dafürhalten - kaum bis keine Chance. Und wird daher schon rein konstruktionsbedingt fragil bleiben.
Alternativ hätte man die (teilweise sehr unterschiedlichen bis disparaten) Länder zunächst sukzessive wirtschaftlich einander angleichen können und auch deren Wirtschafts-. Finanz- und Fiskalpolitik (samt deren historisch bedingter Währungseinstellung sprich "Hart- versus Weichwährungsmentalität) harmonisieren können - um dann die Einheitswährung einzuführen. Das Implementierungen einer einheitlichen zumindest Amtssprache (passend zur Einheitswährung) im gemeinsamen Währungsraum wäre ebenfalls mehr als hilfreich gewesen, um die Mobilität beim wichtigen Faktor "Arbeit" zu ermöglichen sprich zu gewährleisten.
Der Glaube allein ein gemeinsames vertragliches Regelwerk (Vertrag von Maastricht, Maastricht-Kriterien, AEUV, Wachstums- und Stabilitätspakt, eine EU-Kommission als selbst ernannte "Hüterin der EU-Verträge") könne die fragile Konstruktion des Euro ausreichend stützen hat sich jedenfalls vom ersten Tag an als Illusion erwiesen. Der Euro in seiner ersten Version muß daher als gescheitert angesehen werden. Der Ausbruch der Eurokrise (2010 ff) hat dies dann nur für jedermann auch sichtbar gemacht. Zurück zu soliden Staatsfinanzen und einer eher marktwirtschaftlichen Ausrichtung könnten daher nur noch die Märkte (für Staatsanleihen) die Eurozone bringen - davor schirmt aber die EZB gezielt die üblichen Verdächtigen (Stichwort: Italien - um nur ein Beispiel aus diversen zu nennen) ab (siehe das zuletzt verabschiedete Programm TPI - noch vor der ersten Zinserhöhung der EZB im Jahr 2022 - mit der Möglichkeit unbegrenzter Anleihekäufe seitens der EZB; m. W. nicht mehr nach Kapitalschlüssel der Länder sondern davon abweichend für einzelne Länder nach "Bedarf").
Eine kleine Chance für eine solche Währungsunion hätte bei einer eher homogenen Zusammensetzung der beteiligten Länder bestanden - mit der Schweiz, Liechtenstein, Österreich, den Niederlanden und eventuell dem ein oder anderen skandinavischen Land beispielsweise hätte das zusammen mit Deutschland vielleicht klappen könne. Auch dann hätte man sich aber als "Conditio sine qua non" an das dafür gültige gemeinsame Vertragswerk halten müssen.
Ein Pendant dazu wäre eine Währungsunion mit ebenso passenden Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Portugal usw. gewesen.
Ändert nichts daran, dass eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik und vergleichbare Wirtschaftskraft einen Haufen Probleme mit sich bringt....
Eine Währung ohne dazugehörigen Staat (zentralisierte Geldpolitik bei der Notenbank und ebenso zentralisierte Geldpolitik beim Staat sprich der Regierung) wird auf Dauer schwerlich funktionieren (die Vereinigten Staaten von Europa (VSE) werden meines Erachtens eine Illusion bleiben; dafür wären m. W. zudem in zig Ländern Änderungen der Verfassung bzw. Volksabstimmungen (Referenden) erforderlich. Wenn man allein nur bedenkt, daß im Jahr 2005 der EU schon die Referenden in Frankreich und den Niederlanden (beide übrigens Gründungsmitglieder der EU) lediglich zu einem "Vertrag über eine Verfassung für Europa" (VVE) "um die Ohren" geflogen sind ... (das Projekt VVE wurde danach nicht mehr weiter verfolgt; obwohl der Vertrag beschlossen und unterzeichnet war aber in den ersten beiden dazu erfolgten nationalen Referenden bereits abgelehnt wurde).
Wie genau würdest du - wenn du könntest - das Fiat Geldsystem anders gestalten (ganz allgemein und nicht auf die spezifischen Probleme des Euros bezogen).
Geldtheoretiker bin ich erst recht nicht (eher nur Generalist aber mit Realitätsbezug und dem Versuch mit GMV (Gesundem-Menschen-Verstand) sich solchen Themen anzunähern ...
Siehe hierzu einige Stichworte (ist eine Aufgabe für Kundigere):
Meine Conclusio als Finanz-Laie: Trotz der inzwischen sehr ungünstigen Rahmenbedingungen (Papiergeld als Fiat-Money-System, Umgang der Staaten und staatlichen Notenbanken damit, sich abwechselnde Boom/Bust-Phasen mit sehr großen Krisen als Peak (zuletzt Weltfinanzkrise und Eurokrise), Interventionsspiralen, Währungsexperimenten (Beispiel: Euro - und der Umgang mit den eigenen diesbezüglichen EU-Verträgen), der immer größeren Fallhöhe (Verschuldung, implizite Staatsverschuldung), orchestrierte Zurückdrängung des Bargeldes, dem Ansatz staatliches Digitalgeld (CBDC) usw. - halte ich Geld mit seinen drei Geldfunktionen (Zahlungsmittel, Recheneinheit bzw. Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel (Schatzcharakter funktionierenden Geldes) insgesamt für eine so geniale Erfindung in der gesamten Menschheitsgeschichte, daß dieser Ansatz jedenfalls nicht vollständig untergehen wird. Währungen kommen und gehen aber der Grundgedanke dürfte bestehen bleiben. Da Konkurrenz immer das Geschäft belebt, könnte mit dem staatlichen Papiergeld konkurrierendes Geld ein erster Schritt sein. Eine wie auch immer geartete Geldreform (man kann nur hoffen, daß dies keine Reform ist, die der Obrigkeit samt staatlicher Notenbank noch mehr oder dann grenzenlose Macht verleiht (Beispiel: Modern Monetary Theory (MMT)) und/oder (ggf. auch private und/oder komplementäre) Geld-Alternativen (oder Alternativen (Vollgeld) zum Fraktionalen Reserve System (Mindestreserve) generell, ein Geld für den Zahlungsverkehr und ein gedecktes Geld zum Sparen, Free Banking etc. pp.) zum derzeitigen System könnten so die geniale Idee von Geld auch in die Zukunft tragen.
Keine Ahnung als Laie, welche Ansätze es da noch geben könnte.
Umso schlechter jedenfalls das staatliche Papiergeld Geld aber wird (die wichtige Geldfunktion "Wertaufbewahrungsmittel" betreffend), umso größer die Krisen ausfallen (Weltfinanzkrise 2008 ff) und wenn Geld bzw. eine Währung sogar so fragil ist, daß diese in ihrer Existenz gerettet werden muß (Beispiel: Euro in 2012) - je mehr wird der Fokus auf mögliche Alternativen fallen.
Meines Erachtens ist es kein Zufall, daß die Konstruktion "Bitcoin" im zeitlichen Zusammenhang (sprich direkt danach) mit der globalen Finanzkrise "die Bühne betrat" und mit der Eurokrise (ab 2010 ff) sowie der langjährigen ultra-expansiven Geldpolitik der EZB (und auch anderer staatlichen Notenbanken) inkl. orchestrierter "Finanzieller Repression" (mit (teilweise weit) ins Negative verschobene Realzinsen nach Inflation und Steuern) ihren immer weiteren Aufschwung erlebte.
Jedenfalls dürfte das zutreffen
Der Wille zur Kontinuität des Lebens erwies sich als stärker als die Labilität des Geldes
(Stefan Zweig, "Die Welt von gestern")
Schließlich:
Nebenbei:
Nach allen mir vorliegenden Informationen ist Deutschland das Land das mit großem Abstand am meisten von der Einführung des Euros profitiert hat (und nach wie vor profitiert).
Ein weites Feld. Dazu gibt es auch dezidierte abweichende Meinungen.
Allein die Tatsache, daß Deutschland durch den Euro und dessen Rettung in eine schier unbegrenzte Zwangs-Gläubigerschaft geführt wurde - ist nur einer dieser Aspekte (diverse Rettungsschirme (EFSM, EFSM, EFSF, ESM), Bürgschaften, Mithaftung über die inzwischen Billionen schwere EZB-Bilanz, Target2-Salden in Billionenhöhe usw.).
Ein andere Gesichtspunkt ist, daß eine relativ starke Währung (wie früher die Deutsche Mark oder jetzt der Schweizer Franken) zu permanenter Verbesserung der Produktivität zwingt, um wettbewerbsfähig zu bleiben (auch und gerade mit seinen Produkten im Ausland). Bei einer tendenziell schwachen oder fragilen Währung wirkt diese zunächst wie ein (künstliches) Doping, langfristig kann aber die Produktivität eher sinken.
Auch die durch den Euro und dessen Rettung ausgelösten signifikanten Fehlanreize (Moral Hazard, Tragik der Allmende, Auseinanderfallen von Handlung und Haftung, Anreize zur Verschuldung bzw. Verschuldung lohnt sich, Befeuerung von Vermögenspreisblasen etc. pp.) muß man - meines Erachtens - eindeutig unter die Nachteile subsumieren.
Das Thema würde hier aber en Detail zu weit führen,
Dir weiter viel Erfolg mit Deinen privaten Finanzen !