Diese Bemessungsgrundlage ändert sich allenfalls, wenn im Rahmen der Günstigkeitsprüfung festgestellt wird, dass dein individueller [Einkommensteuersatz] darunter liegt.
Das dürfte regelmäßig (auch im Alter mit Rentenbezug) nicht der Fall sein
Die Günstigerprüfung wird regelmäßig unzutreffend dargestellt, auch von amtlichen Stellen (beispielsweise der niedersächsischen Finanzverwaltung) und auch vom an sich renommierten Haufe-Verlag. Man muß da in jedem Fall genauer hinschauen.
Das entscheidende Kriterium ist nicht "der individuelle Steuersatz", sondern das zu versteuernde Einkommen ohne die Kapitalerträge, das (wenn man so will) den Grundfreibetrag und die niedrigen Steuersätze "belegt".
Bereits jemand mit 2000 € Rente monatlich (24.000 € jährlich) hat nennenswert Platz für Kapitalerträge:
24.000 € Rente x 83% (Rentenzugang 2023) = 19.920 €
davon ab 12% Krankenversicherung und Pflege 2880 €
etwa 17.000 € zu versteuerndes Einkommen.
Bei 10.500 € zu versteuernden Kapitalerträgen (also 11.500 € echten Kapitalerträgen, 1000 € sind ja steuerfrei) zahlt er bei Normalversteuerung für das Jahr 2023 für seine Rente allein 1.024 € Steuer, bei Normalversteuerung für die Kapitalerträge weitere 2.770 € Steuer. Die Kapitalertragsteuer für 10.500 € betrüge 2.769,38 €.
Wohlgemerkt: Kapitalertragsteuer = 26,375%, denn bei ihr kommt ja zwingend der SolZ dazu, bei "normalen" Einkünften in solcher Höhe aber nicht.
Für diese Person liegt die Grenze für die Günstigerprüfung bei Gesamteinkünften von 35.500 €. Stammen die Kapitaleinkünfte aus Aktienfonds, kommt die Teilfreistellung dazu: 10.500 € / 0,7 = 16.400 €. Zusammen 40 T€ reale Einkünfte.
Kommt man (Steuertabelle 2023) mit dem zu versteuernden "normalen" Einkommen nahe an 22 T€ heran, bleibt für Kapitalerträge wenig Platz. Ab dann und drüber ist für Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer günstiger.
Hat jemand auf der anderen Seite überhaupt keine "normalen" Einkünfte, etwa jemand, der sich nach dem Motto FIRE (Financially independent, retire early) ab 50 aus eigenen Mitteln sein Privatiersdasein finanziert, so stellt sich dieser (je nach Absetzbeträgen) bis weit über 60 T€ mit der Normalversteuerung günstiger als mit der Abgeltungssteuer. In diesen Höhen zahlt er für den berühmten letzten Euro längst 42% Steuer.
ANDREJ hat neulich dazu eine Graphik gepostet.
Der Spruch mit dem "individuellen Steuersatz", der nicht über 25% steigen solle, führt einen also schlichtweg hinter die Fichte.