Allé Normen abschaffen? Alles?! In Jahrzehnten?
Das ist so dermaßen absurd -
wenn ich allein nur an die Vielzahl von Schutzvorschriften (Kinder, Jugend, Frauen, Familien, Tiere, Technik, Bau, innere und äußere Sicherheit, Lebensmittel, Natur- und Umwelt, Trink- und Abwasser, Brände und Katastrophen…uvm) denke,
und dann noch weiter unten lese, dass
Arme, Kranke und Pflegebedürftige auf freiwillige soziale Benefits angewiesen sein sollen (perspektivlos, mal mehr, mal weniger oder vlt. überhaupt nicht?!),
dann kann ein solcher Wunsch nur von tiefer Respektlosigkeit und mangelndem Gemeinwohldenken seinen Mitmenschen gegenüber zeugen.
Auch schon nur die Übertragung eines einzigen Finanzinstrumentes, Bitcoin, auf die umfassenden und mannigfaltigen Lebensverhältnisse von Mitmenschen ist völlig grotesk und schießt völlig über seine ursprüngliche Rolle hinaus:
Du unterschätzt bei weitem die täglichen milliardenfachen (!) Bedürfnisse und Ansprüche deiner nur hier 83.000.000 Millionen Mitmenschen in ihrem umfassenden und dynamischen Lebensalltag, auch deine eigenen.
Und du unterschätzt bei weitem die Natur des Menschen (Evolution, Genetik mit Instinkten wie Flucht/Kampf und Umgang mit Antrieben/Reizen, Hormone, körperliche und psychische Gesundheit z.B.) inmitten deines freien Marktes, in dem alle Bedürfnisse, insbesondere existenzielle, durch den Markt, Freiwilligkeit und soziale Benefits sich wie von selbst mit wenigen „Rahmenbedingungen“ (?) regeln sollen.
Ein Thema, über das in den Wissenschaften und von unzähligen nicht mehr lebenden Gelehrten seit Hunderten Jahren (und länger) diskutiert, gestritten und geforscht wird, ua. mit entscheidenden Fragen, wie unter diesen menschlichen Umständen mehr individuelle Freiheit, Gerechtigkeit und Sozialisierung in einer Gesellschaft erreicht werden kann.
Und: wenn du so sehr auf Leistung und Freiwilligkeit inmitten deines freien Marktes erpicht bist, wieso stört dich ausgerechnet eine Rente mit 70 bei steigender Lebenserwartung und einer Demografie mit entsprechenden finanziellen Herausforderungen?
Überhaupt lebst du in einem freien Land, du musst bei der GRV nicht mitmachen.
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Es ist bemerkenswert, wie reflexhaft bei der bloßen Idee von mehr Eigenverantwortung sofort das komplette Katastrophenszenario ausgerufen wird – als würde der Vorschlag, staatliche Strukturen zu hinterfragen oder Alternativen zu denken, automatisch bedeuten, sämtliche Schutzmechanismen und zivilisatorischen Errungenschaften „abzuschaffen“. Diese Form der Überzeichnung ist genau das, was ernsthafte Diskussionen oft im Keim erstickt.
Niemand fordert, alle Normen oder Schutzvorschriften ersatzlos zu streichen. Die Frage ist vielmehr: Wer soll diese Regeln definieren, wie transparent und effizient sie sein sollen, und wer kontrolliert die Instanz, die über sie bestimmt? Der Staat ist kein gottgegebenes Wesen, das per Definition moralisch handelt. Historisch betrachtet waren es oft staatliche Strukturen selbst, die Kinderarbeit ermöglicht, Frauen entrechtet, Natur zerstört oder Minderheiten unterdrückt haben. Der Unterschied zu einer freien Ordnung ist nicht das „Ob“ von Regeln – sondern das „Wie“ und „Wodurch“: durch freiwillige Kooperation, Marktdynamik, dezentrale Kontrolle und transparente Prozesse – anstelle von zentraler Zwangsverwaltung, politischer Willkür und träger Bürokratie.
Was die sozialen Fragen betrifft: Ja, ein System auf Basis von Freiwilligkeit erfordert Vertrauen in die Mitmenschlichkeit – aber es gibt bereits zahllose Beispiele, wo genau das funktioniert. Und nochmals: Solidarität aus freiem Willen ist nicht nur wirksamer, sondern auch moralisch glaubwürdiger als durch Abgabenpflicht erzwungene Umverteilung, bei der am Ende oft mehr in den Verwaltungsapparaten versickert als bei den Bedürftigen ankommt.
Zu behaupten, das sei „respektlos“ gegenüber Armen und Kranken, ist ein sehr einseitiger Vorwurf. Respekt zeigt sich nämlich auch darin, Menschen als mündige Wesen zu sehen, die Verantwortung übernehmen können – und wollen. Nicht jeder ist ein hilfloses Opfer, das ohne Staat ins Verderben rennt. Und wer Hilfe braucht, wird in einer zivilisierten, dezentralen Gesellschaft nicht im Stich gelassen – nur eben nicht mehr von einer anonymen Instanz, die Hilfe in standardisierten Formularen verwaltet, sondern durch vielfältige, passgenaue und freiwillige Angebote.
Was die menschliche Natur angeht: Es ist ein seltsamer Widerspruch von dir, auf der einen Seite vom Menschen als triebgesteuertes Wesen zu sprechen, das nicht ohne Regeln leben kann – und gleichzeitig zu meinen, dass ausgerechnet der Staat, der ja auch nur aus Menschen besteht, diesen Instinkten überlegen sei. Staaten bestehen aus Politikern, Beamten, Lobbyisten – also denselben fehlbaren Individuen, denen man im Markt kein Vertrauen entgegenbringt. Warum also sollte man ihnen im Staatsapparat plötzlich göttliche Weisheit und moralische Überlegenheit unterstellen?
Zur Rente mit 70: Es geht dabei nicht darum, „Leistung“ oder „Arbeit“ abzulehnen – sondern darum, dass das derzeitige System unhaltbar ist. Immer mehr Menschen zahlen immer höhere Abgaben für ein System, das mit Ansage kollabiert. Wenn ich für meine eigene Vorsorge selbstverantwortlich und effizient über Jahrzehnte Vermögen aufbaue, warum sollte ich dann in ein Zwangssystem einzahlen müssen, das mir später weniger zurückgibt, als ich selbst organisieren könnte? Das hat nichts mit Faulheit oder Egoismus zu tun – sondern mit Weitblick und Verantwortung.
Und zum letzten Satz: „Du musst bei der GRV nicht mitmachen“ – das ist schlicht falsch. Es gibt in Deutschland keine echte Wahlfreiheit. Wer angestellt ist, zahlt. Wer sich befreien lässt (z. B. als Selbstständiger), muss sich trotzdem anderweitig absichern – und steht spätestens im Alter unter Druck, weil das System so konstruiert ist, dass individuelle Alternativen nur schwer zugänglich sind. Wer wirklich für Freiheit plädiert, müsste sich eigentlich für Wahlfreiheit in der Altersvorsorge starkmachen – nicht für den Erhalt eines Zwangssystems, das nachweislich nicht mehr funktioniert.
Zum Schluss und dann habe ich alles gesagt, denn unsere Positionen liegen so diametral auseinander, was ich respektiere, aber am Ende zu nichts führt: Es geht nicht um Anarchie oder Weltflucht – sondern um eine moderne, zukunftsfähige Gesellschaftsordnung, in der der Einzelne nicht entmündigt wird, sondern Verantwortung tragen darf – und auch will. Wer das für naiv hält, hat vielleicht nicht genug Vertrauen in seine Mitmenschen. Oder zu viel in den Staat.