Pfändung und Dispo

  • Dann aber bitte bei einer anerkannten Schuldnerberatung vor Ort.

    Wir haben einen Mitarbeiter, der aus diversen Gründen (hauptsächlich völlige Überforderung und Naivität in Finanzdingen) total überschuldet ist. Seine diversen Pfändungen und Gehaltsabtretungen füllen einen kompletten Leitz-Ordner.

    Meine Angebote, ihn bei der Schuldnerberatung (und der sehr wahrscheinlichen Privatinsolvenz) zu unterstützen, hat er aus Stolz/Scham abgelehnt.

    Stattdessen hat er über das Internet eine Rechtsanwaltskanzlei aus Hamburg gefunden, die ihm offensichtlich das Blaue vom Himmel versprochen hat (kurz gefasst: innerhalb weniger Wochen ist er alle Schulden los, ohne das er irgendwas dazu beitragen muss).

    Langer Rede kurzer Sinn: natürlich haben die ihm auch nicht geholfen, stattdessen schuldet er dieser Kanzlei jetzt auch einen stattlichen Betrag, der durch Zinsen und Gebühren quasi täglich anwächst. Und sein Problem ist nicht gelöst sondern wird Tag für Tag schlimmer.

    Also bitte nicht aus falschem Stolz/Scham den Weg zur lokalen Schuldnerberatung scheuen!

  • Achte bei der Suche nach einer Schuldnerberatung darauf, dass es sich um eine geeignete Stelle gemäß § 305 InsO handelt und die Beratung kostenlos ist. Das machen in der Regel Kommunen oder Karitative Einrichtungen.

    Das trifft auf die ersten Treffer in der Suchmaschine in aller Regel nicht zu. Also weiterblättern!

  • Schon die regelmäßige Nutzung des Dispos ist ein ein Hinweis, dass jemand nicht mit Geld umgehen kann. Und da kündigt die Bank auch nicht den Dispo, sondern freut sich und macht weiter.

    Ja. Die Risikosteuerung der Bank schätzt ein, ob dieser Dauerschuldner wohl seine Schuld dauerhaft bedienen wird und hält so lange still, wie sie den Eindruck hat, das dies der Fall ist. Schließlich bringt ein Dispo der Bank deutlich mehr Zinsen als ein Ratenkredit.

    Sehr viele Leute betrachten ihren Verfügungsrahmen irrig als "ihr Geld" und führen sich nicht vor Augen, daß ein Dispo Fremdgeld ist.

    Ich erinnere mich sehr lebhaft an ein Gespräch, das ich als Tischnachbar anläßlich einer Geburtstagsfeier zwangsläufig mitbekommen habe: Eine Mitarbeiterin unseres Hauses hatte wohl dauerhaft Geldprobleme, kämpfte offensichtlich nicht mit der Null, sondern mit dem Ende ihres Dispos. Daraufhin habe sie ihr Geldinstitut einbestellt und sehr deutlich auf eine Umschuldung gedrungen, also um eine Umsetzung des Dispositionskredits auf einen Ratenkredit. Ich halte das für einen verantwortungsbewußten Umgang mit dem Kunden, der offensichtlich nicht erwachsen genug ist, mit Geld allein verantwortlich umzugehen. Zum Unglück des (ihr bisher völlig fremden) Betroffenen kam bei der Feier auf, daß dieser Sparkassenwirt ist (einer ganz anderen Sparkasse), was die Kollegin zum Anlaß nahm, diesen armen Menschen für ihren ganzen Finanzfrust verantwortlich zu machen und ihn mit Vowürfen zu überschütten: Wie ihr Geldinstitut sich nur die Unverschämtheit herausnehmen könnte, ihr in ihre höchsteigenen Finanzdinge hineinzufuhrwerken.

    Die Gute hat in meinen Augen den Schuß nicht gehört, so wie viele Schuldner den Schuß nicht gehört haben: Sie redete keinesfalls von "ihrem Geld", wie sie es irrig glaubte, sondern vom Geld der Bank, also vom Geld anderer Leute. Und die konnten ihr sehr wohl den Geldhahn zudrehen, indem sie sagen: Wir geben Dir unser Geld in Zukunft nicht mehr.

    Eine Pfändung [muß] nicht unbedingt ein Hinweis auf zu wenig Geld sein, sondern kann auch auf unterschiedlichen Meinungen über die Rechtmäßigkeit einer Zahlung plus Unerfahrenheit im Umgang mit den gelben Briefen beim Empfänger beruhen.

    Das stimmt, und dennoch ist Unerfahrenheit im Umgang mit gelben Briefen dem Empfänger vorzuhalten.

    Käme mir eine Pfändungsanordnung ins Haus, würde ich spätestens am Folgetag darauf reagieren, und zwar mit hoher Prioriät. Der Threadstarter hat "eine gute Woche" abgewartet und nützliche Zeit verstreichen lassen. Er hat damit seine Position nicht verbessert.

    In diesem Fall führt das Verhalten der Bank dazu, dass @birdofpray nicht einfach die 300 € vom nächsten Zahlungseingang begleichen und die Pfändung damit erledigen kann, sondern Forderung und Pfändung weiter bestehen bleiben, Geld kosten und das Leben erschweren.

    Leider hat der Fragesteller uns die weiteren Rahmendaten nicht genannt.

    Eben. Mehr als die treuherzige Versicherung, er habe seine Lektion gelernt und wolle sich nun wirklich bessern, haben wir von ihm nicht gelesen.

    Mal den unwahrscheinlichen Fall angenommen, die Bank ließe sich tatsächlich darauf ein, das Festgeld vorzeitig freizugeben: Helfen z.B. 1000 € Festgeld wirklich bei 5000 € Schulden?

    Richtig wäre es m.E. gewesen, dass die Bank eine Teilkündigung des Dispos so vornimmt, dass keine weitere Nutzung über den aktuellen Stand hinaus möglich ist. Dann hätte die Bank die Besonderheit Pfändung bei eingeräumtem Dispo im Sinne ihrer Haftung berücksichtigt (falls der Gläubiger daran gedacht hat, auch den Dispo zu pfänden; das steht im Beschluss) und die Sache wäre schnell aus der [Welt]. Den kompletten Dispo de facto sofort fällig zu stellen, ist unangemessen und kann zu ernsthaften Schwierigkeiten führen (zwei ausgebliebene Mietzahlungen reichen für eine fristlose Kündigung).

    Und es hier ganz besonders unangemessen, weil die Bank gleichzeitig auf dem Festgeld sitzt, von dem sie sich bei Bedarf bedienen kann. Die muss auch nicht bis zur Fälligkeit warten...

    Du bist Profi auf diesem Gebiet und dürftest mehr als einmal für einen Deiner Kunden in einem Geldinstitut gesessen haben, um derlei Dinge zu verhandeln. Ich nehme an, daß Du zumindest in der Mehrzahl der Fälle ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis erzielt hast. Ich traue dem Threadstarter das aber nicht zu, der hat noch nicht eingesehen, daß er externe Hilfe braucht, und will im Moment noch alles selber machen.

  • Mal den unwahrscheinlichen Fall angenommen, die Bank ließe sich tatsächlich darauf ein, das Festgeld vorzeitig freizugeben: Helfen z.B. 1000 € Festgeld wirklich bei 5000 € Schulden?

    Lieber Achim Weiss ich schätze wirklich Deine häufig fundierten Beiträge. Aber zuweilen bist Du schon etwas arg übergriffig.

    Der Threadersteller hat ganz klar geschrieben:

    Zitat

    Ich habe noch ein Festgeldkonto, mit dem ich den Dispo ablösen könnte.

    Also sollte man auch davon ausgehen, dass das so stimmt.

    Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man durch falsche Finanzplanung auch mal in einem Liquiditätsengpass kommen kann. Ist mir in jüngeren Jahren selbst mal passiert, dass ich zwar eigentlich mehr als genug Geld hatte (im Bausparer) aber trotzdem meine Freundin anpumpen musste. :rolleyes:

    Das war mir total unangenehm und seither eine Lehre nie wieder den Notgroschen (=Liquidität) zu vernachlässigen!

  • Drei Punkte noch von mir:

    • Anders als von mir behauptet, kann es für die Bank doch ein Problem sein, bei Kontopfändung einen neuen Kredit zu vergeben. Sie hätte ein Haftungsrisiko. Also bleibt es bei der Option Teilkündigung des Dispo auf dem aktuellen Stand.
    • Das von Achim geschilderte Verhalten der Sparkasse mit dem Gesprächsangebot bei Dauer-Dispo ist nicht nur sinnvoll, sondern auch die Pflicht jeder Bank.
    • Bei der Schuldnerberatung geht es in erster Linie um die Vorbereitung einer Privatinsolvenz. Umgang mit Geld, Planung, Haushaltsbuch usw. gehören auch dazu, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Wenn es gar nicht um die Inso geht, gibt es auch Angebote nur zum Thema, bei denen man wesentlich leichter an einen Termin kommt.
  • monstermania

    Im Endeffekt habe ich ja auch verstanden, dass ich einen Fehler begangen habe und möchte diesen ja auch ausbügeln. In jungen Jahren macht man manchmal dumme Sachen.

    Das mit dem Auflösen des Festgeldkontos hat übrigens geklappt und ich konnte damit meinen Dispo ausgleichen und kann diesen Monat alle meine laufenden Kosten zahlen. Dementsprechend ist nochmal alles gut ausgegangen. Ich habe mir noch einen Plan erstellt, wie ich die Reste auch noch abbezahle. Dann bin ich Mitte des nächsten Jahres fertig. Somit habe ich gerade nochmal die Kurve bekommen. Das war mir definitiv eine Lehre und das wird mir auch nicht nochmal passieren.

    Vielen Dank für eure Beiträge!

  • Das klingt doch gut und hinsichtlich des Rauskommens aus der Situation nach einem wichtigen Anfang!

    Aber genau als das solltest du es auch betrachten: ein Anfang. Du hast noch einen Weg vor dir und musst deinen Plan nun auch umsetzen und durchhalten. Ich drücke dir die Daumen dafür, viel Erfolg! :)

  • Impidimpi Danke. ☺️ Das stimmt. Also nachdem ich jetzt gesehen habe, wie schnell ich jetzt im Endeffekt da raus kommen kann, hat mich jetzt auch der Ehrgeiz gepackt, das ganze so schnell wie möglich umzusetzen. Der Plan wird jetzt auch zu 100% so umgesetzt. Diese Erfahrung hat mir gereicht und ich möchte definitiv nie wieder in eine solche Situation geraten.