Kriterien Einlagensicherung Finanztip

  • Hallo zusammen,

    aufgrund der BBVA-Neukundenaktion (3% Zinsen für 12 Monate und 3% Cashback) würden mich Eure Meinungen zu den Finanztip-Kriterien bzgl. Einlagensicherung interessieren.

    Im Fall einer Systemkrise begründet Finanztip, dass die Bonität der Länder wichtig ist, damit die Einlagensicherung tatsächlich funktioniert.

    Das steht selbstverständlich außer Frage und ist grundsätzlich richtig.

    Dennoch halte ich es aufgrund folgender Gründe nur für bedingt richtig, eine trennscharfe Grenze zu ziehen, welche Angebote letztlich in Ordnung sind und welche nicht.

    1. In meinen Augen ist die Bonität zwischen einzelnen Ländern nur bedingt vergleichbar.

      Die tatsächliche Bonität von Deutschland sehe ich bspw. wesentlich schlechter als das aktuelle Triple-A-Rating (u. a. aufgrund der nicht zukunftsfähigen Sozialversicherungssysteme oder Nichtberücksichtigung von sog. impliziten Schulden, bspw. für Nichtvorhandene Rückstellungen der Beamtenpensionen). Die derzeitige politische Schuldenorgie, voraussichtlich ohne wesentliche Strukturreformen, birgt ebenfalls Risiken für die zukünftige Bonität.


    2. Die Entscheidung, welche Banken gerettet werden würden bzw. welche Einlagen tatsächlich gesichert sind, wird letztlich eine politische Entscheidung sein. Insbesondere Großbanken, die systemrelevant sind, würden meines Erachtens (länderunabhängig) gerettet werden (wie bspw. eine BBVA).


    Wie seht ihr das?

    Viele Grüße und ein systemkrisenfreies Wochenende:saint:

    ETF_Paul

  • Die Kriterien von Finanztip sind eben sehr konservativ und sollen „felsenfest“ sein.

    Deine Einschätzung zu Deutschlands Bonität ist komisch, weil das Rating natürlich eine große Rolle für Länder und Unternehmen spielt und deine Überlegungen schön typisch deutsch negativ sind.
    Die Beamtenpensionen werden das Rating wohl kaum beeinflussen.

    Um es mal klar zu sagen, ich halte das Risiko, dass Spanien zahlungsunfähig wird für völlig unrealistisch.

    Ich hätte überhaupt keine Bedenken, bei den Spanier bis zu 100.000 € anzulegen.

    Im Moment warte ich noch etwas ab, bis die ihre technischen Probleme in den Griff bekommen.

  • Im Fall einer Systemkrise begründet Finanztip, dass die Bonität der Länder wichtig ist, damit die Einlagensicherung tatsächlich funktioniert.

    Das kann man mit guten Gründen so sehen.

    Klar muß aus meiner Sicht aber auch ein, daß Länder in letzter Konsequenz an sich selbst und ihre (auch zukünftige) Bonität denken - und nicht an den Schutz von Sparern, die Geld auf solchen Konten halten (nach meinen Erfahrungen: Systemstabilität geht im Ernstfall dem Schutz des Einzelnen vor - oder auch "Not kennt kein Gebot").

    Die tatsächliche Bonität von Deutschland sehe ich bspw. wesentlich schlechter als das aktuelle Triple-A-Rating (u. a. aufgrund der nicht zukunftsfähigen Sozialversicherungssysteme oder Nichtberücksichtigung von sog. impliziten Schulden, bspw. für Nichtvorhandene Rückstellungen der Beamtenpensionen). Die derzeitige politische Schuldenorgie, voraussichtlich ohne wesentliche Strukturreformen, birgt ebenfalls Risiken für die zukünftige Bonität.

    Sehe ich ziemlich ähnlich.

    Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Durch die Eurokrise (ab 2010 ff) und die Eurorettung (ab 2012 ff) - "Whatever it takes" - also koste es, was es wolle - ist Deutschland in eine schier unbegrenztes Zwangsgläubigerschaft geführt worden (Rettungsschirme, Bürgschaften, Hilfsprogramme, Schuldenschnitt auch für öffentlich-rechtlicher Gläubiger im Fall Griechenland (2012), Target2-Salden, Mithaftung via der EZB-Bilanz für die Billionen schweren Anleihekäufe der EZB usw.). Das würde ich bei meiner Bewertung auf jeden Fall mit einbeziehen.

    Bei sachlich-nüchterner Betrachtung befindet sich die Eurozone schon lange auf dem Weg in eine Schulden-, Haftungs- und Transferunion. Die EU-Verträge ("Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV)) normieren eigentlich das exakte Gegenteil (Stichwort: Art. 125 AEUV "Nichtbeistandsklausel" sprich jeden Land haftet für seine Schulden selbst oder Art. 311 AEUV "Verschuldungsverbot" sprich der EU-Haushalt ist "vollständig aus Eigenmittel zu bestreiten" oder Art. 123 AEUV "Verbot der monetären Staatsfinanzierung durch die Notenbank EZB" - um nur drei substantielle Regelungen zu nennen).

    Die Entscheidung, welche Banken gerettet werden würden bzw. welche Einlagen tatsächlich gesichert sind, wird letztlich eine politische Entscheidung sein. Insbesondere Großbanken, die systemrelevant sind, würden meines Erachtens (länderunabhängig) gerettet werden (wie bspw. eine BBVA).

    Dem ersten Satz würde ich noch vollumfänglich zustimmen. Beim zweiten Satz nur noch bedingt bzw. mit einem Fragezeichen versehen.

    Jedenfalls konnte man im Fall "Zypern" (2013) - Bank of Cyprus und Laiki Bank standen vor der Insolvenz - beobachten, wie fragil solche politische Entscheidungen sind. Selbst die damals erst kurz zuvor implementierte einheitliche Einlagensicherung in der Eurozone von 100.000 € stand kurzzeitig zur Disposition (man erwog diese in dem Fall wieder auf die früher übliche Grenze von 20.000 € zu reduzieren).

    Obwohl man dann bei den 100.000 € blieb, hat es immer noch genug Anleger bei dem damaligen Bail-In erwischt (manche heftig - mir selbst sind zwei Fälle persönlich bekannt). Nur die Großinvestoren (in dem Fall meist russische) hatte, wie nicht selten, "ihr Ohr auf dem Gleis" und ihre Mittel dementsprechend noch rechtzeitig abgezogen.

    Die Einlagensicherung ist - aus meiner Sicht - eine ganz nette Sache. Für eine wirklich große Krise wird diese aber kaum ausreichen. Auch fällt mir der Glaube daran schwer, daß in einem Land wie Deutschland zum Beispiel der Rentner mit 120.000 € bei seiner Sparkasse im worst-case dann 20.000 € verliert - ein Anleger bzw. Einleger mit 10 Konten a 100.000 € bei unterschiedlichen Banken aber dann seine Million € vom deutschen Staat erstattet bekommt, sollte die Einlagensicherungssystem das nicht mehr schaffen.

    Bezüglich der Einlagensicherung und dem Glauben daran, muß sich - meines Erachtens - jeder sein eigenes Bild machen.

    Für meinen Teil jedenfalls hatte ich da schon lange die Assoziation zum Märchen "Des Kaisers neue Kleider" ... - könnte von Hans Christian Andersen stammen) sprich der Kaiser ist in Wahrheit eher nackt. Auf eine entsprechende Streuung (auch geographisch; insbesondere außerhalb der Eurozone) samt Fremdwährungskonten sowie auf eine adäquate Beimischung von Bargeld (auch in Form fremder Sorten) würde ich daher nicht verzichten wollen. Immer liquide zu sein halte ich bei den privaten Finanzen für eine zentrale Angelegenheit.


    "Geld im rechten Augenblick zu haben, das allein ist Geld"

    (Detlef von Liliencron 1844 - 1909)


    Eine Frage (Einlagensicherung), wie so oft, der individuellen ganz persönlichen Einstellung und Einschätzung.


    Dir weiter gute Gedanken und dann ebensolche Finanz-Entscheidungen !

  • Man sollte halt immer überlegen ob ein paar zehntel Prozent den Aufwand und das eventuelle Risiko wert sind. Für mich ist TG FG usw der geringe Anteil meines Vermögens was unter Umständen schnell gebraucht wird, da interessiert mich die Zinshöhe weniger, Geld wird mit Aktien ETFs verdient.

  • Deine Einschätzung zu Deutschlands Bonität ist komisch, weil das Rating natürlich eine große Rolle für Länder und Unternehmen spielt und deine Überlegungen schön typisch deutsch negativ sind.

    Wir haben auch einfach nicht nur 80 Mio. Bundestrainer und Epidemiologen, sondern auch einige Finanzminister😊

  • Für meinen Teil jedenfalls hatte ich da schon lange die Assoziation zum Märchen "Des Kaisers neue Kleider" ... - könnte von Hans Christian Andersen stammen) sprich der Kaiser ist in Wahrheit eher nackt. Auf eine entsprechende Streuung (auch geographisch; insbesondere außerhalb der Eurozone) samt Fremdwährungskonten sowie auf eine adäquate Beimischung von Bargeld (auch in Form fremder Sorten) würde ich daher nicht verzichten wollen.

    Dem kann ich nur zustimmen. Die Einlagensicherung ist nur ein Beruhigungsmittel fürs Volk. Wenn mal eine kleinere Bank den Bach runtergeht, wie seinerzeit die Greensill-Bank, dann funktioniert das. Wobei ich mich schon frage, wer da für ein paar Zehntelprozent mehr überhaupt Geld anlegt. Sollte es allerdings richtig krachen, dann hilft auch keine Einlagensicherung. Daher präferiere ich eine eigene Art der Einlagensicherung, so wie du sie beschrieben hast. Die Rendite ist hierbei zweitrangig. Schweizer Banken z.B. sind da sehr zurückhaltend. Ein gewisser Bargeldbestand in Form von Euro, US Dollar und Schweizer Franken ist im Falle zugesperrter Banken ebenfalls hilfreich. Zu guter Letzt natürlich ein gewisser Vorrat an Gold, das man klugerweise nicht in einem Bankschließfach in D aufbewahrt. Das mag zwar Opportunitätskosten erzeugen, die ich persönlich jedoch als eine Art Versicherungsprämie betrachte.

  • Im Fall einer Systemkrise begründet Finanztip, dass die Bonität der Länder wichtig ist, damit die Einlagensicherung tatsächlich funktioniert.

    Das steht selbstverständlich außer Frage und ist grundsätzlich richtig.

    Das steht nicht außer Frage, sondern ist die Hoffnung, dass ein Staat freiwillig für die Spareinlagen der Bürger in die Bresche springt.
    Dass ein AAA Staat das auch für nicht-Bürger macht, kann man sich vielleicht eher vorstellen als bei einem zB B- Staat.

    Da gibt es dennoch auch andere Einschätzungen dazu.

    Ob man das BBVA Angebot attraktiver finden kann, indem man sich bessere Einschätzungen zu den Länderratings zutraut als den Rating Agenturen, sei mal dahingestellt.

    Die Märkte bezahlen für eine 1jährige spanische Staatsanleihe 0,15% mehr als für eine gleichlaufende deutsche. Das Staatspleitenrisiko wird vom Markt innerhalb des nächsten Jahres für Spanien nur etwas höher eingeschätzt als für Deutschland.

    Mit Werbeboni bezahlt die BBVA mit 3,5% einen fast doppelt so hohen Zins als man für eine spanische Staatsanleihe bekommt. An der Börse wäre das kein gutes Zeichen.
    Aber es ist ja ein Locksangebot, also kann man nur sagen dass die Bank viel in die Waagschale wirft, um in D fußzufassen…

  • Wir haben auch einfach nicht nur 80 Mio. Bundestrainer und Epidemiologen, sondern auch einige Finanzminister😊

    Als Vorteil empfänden es sicherlich viele Bürger, wenn der real existierende sprich der amtierende Finanzminister, der immerhin (noch) größten Volkswirtschaft in der EU , halbwegs vom Fach wäre - anstatt Soziologie und Politikwissenschaften studiert zu haben ... :)

    Noch schöner wäre es sicherlich - aus Sicht des noch steuerzahlenden Anteil der Bevölkerung - wenn der amtierende Finanzminister auch nur ein einziges Mal außerhalb der politischen Community (um die Formulierung "Politik-Blase" zu vermeiden) gearbeitet hätte. Meines Wissens (gerne lasse ich mich eines Besseren belehren) ist das aber auch nicht der Fall ... :rolleyes:


    Eine Million Steuerzahler verhalten sich vernünftiger als eine öffentliche Hand

    Wer Chemiker oder Physiker werden will, muß Chemie oder Physik studieren. Wer Arzt oder Jurist werden will, muß Medizin oder Jura studieren. Aber um Politiker zu werden ist lediglich das Studium der eigenen Interessen erforderlich.

    (Hermann Josef Abs, Bankier 1901 - 1994)