Freistellung bei ETFs

  • Hallo,

    ich habe einen höheren fünfstelligen Betrag in thesaurierende ETFs (MSCI World) angelegt und beträchtliche Gewinne gemacht. Ich möchte ungern etwas davon verkaufen, um den Freibetrag zu nutzen, und verstehe die Versteuerung der ETFs nicht richtig. Wenn ich das richtig verstehe, verlangt das Finanzamt eine Pauschale, auch wenn ich keine Gewinne durch Verkauf realisiere. Wie berechnet sich diese Steuer?

    Ich nehme an, dass diese Pauschale bis zum Sparer-Freibetrag keine Steuern kostet, wenn ich bei der Bank einen Freistellungsauftrag einreiche, richtig?

    Gibt es eine Möglichkeit, nicht ausgeschöpfte Freibeträge anzusammeln, um sie dann zu nutzen, wenn ich wirklich etwas verkaufen will?

    Wäre schön, wenn mir das jemand erklären könnte. Vielen Dank im Voraus

    Jens

  • Ich habe einen höheren fünfstelligen Betrag in thesaurierende ETFs (MSCI World) angelegt und beträchtliche Gewinne gemacht. Ich möchte ungern etwas davon verkaufen, um den Freibetrag zu nutzen, und verstehe die Versteuerung der ETFs nicht richtig. Wenn ich das richtig verstehe, verlangt das Finanzamt eine Pauschale, auch wenn ich keine Gewinne durch Verkauf realisiere. Wie berechnet sich diese Steuer?

    Die sog. Vorabpauschale ist ein fiktiver Gewinn, der für Fonds berechnet wird. Maßgeblich ist der Kurs des Papiers zu Jahresanfang des Vorjahres.

    Man hat Dir irgendwann im Januar 2025 einen fiktiven Gewinn für die Kursentwicklung Deines ETFs im Jahr 2024 zugerechnet.

    Er berechnete sich in diesem Jahr aus:

    Vorabpauschale = Wert des Postens am 02.01.2024 * 70% * 70% * 2,29%

    Die ersten 70% sind Vorgabe des Gesetzes (das im Detail kaum einer versteht).
    Die zweiten 70% sind die Teilanrechnungsquote für Aktien-ETFs mit mehr als 50% Aktienanteil.
    Die 2,29% sind der sog. "Basiszins", den die Finanzbehörden zu Jahresbeginn für das dann kommende Jahr festlegen. Für 2025 beträgt er 2,59%

    Der fiktive Gewinn dieses Postens für das Jahr 2024 betrug somit 1,1221% des Postenwertes am 02.01.2024. Steuerlich zählt dieser fiktive Gewinn ins Jahr 2025.

    Ich nehme an, dass diese Pauschale bis zum Sparer-Freibetrag keine Steuern kostet, wenn ich bei der Bank einen Freistellungsauftrag einreiche, richtig?

    So ist es.

    Auf diesen fiktiven Gewinn zahlst Du die übliche Abgeltungsteuer, auch wird der Gewinn auf Deinen Pauschbetrag gerechnet. Wenn Du genug Pauschbetrag hattest, wurde der wie üblich ver- oder aufgebraucht, und Du hast keine Steuer bezahlt.

    Du müßtest das auf der Webseite Deiner Bank nachvollziehen können

    Gibt es eine Möglichkeit, nicht ausgeschöpfte Freibeträge anzusammeln, um sie dann zu nutzen, wenn ich wirklich etwas verkaufen will?

    Das geht nicht. Der Sparerpauschbetrag gilt immer für das betreffende Jahr. Was am Jahresende nicht genutzt ist, verfällt.

    Gerade dieser Vorabpauschale wegen ist es momentan günstiger, daß man (normale) Ausschütter kauft statt Thesaurierern. Mit "normale" Ausschütter sind die ausschüttenden Varianten gängiger ETFs gemeint, spezielle Dividenden-ETFs rentieren sich oftmals schlechter als neutrale ETFs.

  • Prima Achim, das verstehe ich wohl, vielen Dank.

    Nur zur Kontrolle: Wenn der Wert der ETFs am 1.1.25 60.000 € betrug, wird nach deiner Formel ein fiktiver Gewinn von 761,46 festgelegt, für den ich keine Steuern zahle, wenn ich bei der Bank einen ausreichenden Freibetrag eingetragen habe. Der Rest des Freibetrags verfällt, wenn ich nicht bei einer anderen Anlage freigestellte Gewinne habe. Es wäre also für 2025 sinnvoll, noch einige andere Papiere zu verkaufen, um die 2000 € auszuschöpfen (bin verheiratet).

  • Du bringst die Jahre durcheinander.

    Im Januar 2025 hast Du die Vorabpauschale (also den fiktiven Gewinn) Deines ETFs im Jahr 2024 versteuert. Wenn der Wert des ETFs am 1.1.24 (vierundzwanzig!) 60.000 € betrug, beträgt die Vorabpauschale für das Jahr 2024, versteuert im Jahr 2025, 673,26 €.

    Typischerweise kann man im Bankinterface nachschauen, wieviel Freibetrag bereits genutzt wurde.

    Du könntest nun also zum Jahresende 2025 passend Anteile verkaufen, also Gewinn realisieren, um den Rest des Sparerpauschbetrags zu nutzen.

    Ob für das Jahr 2025 eine Vorabpauschale zum Tragen kommt oder nicht, ist erst am 2.1.2026 sicher. Bei mir ist das für zwei ETFs relevant. Aktuell stehen die (bezogen auf den Jahresanfang) bei +3% und +4%. Das ist mehr als der Basiszins * 70%, also wäre im Januar 2026 eine Vorabpauschale üblicher Höhe fällig. Ob das tatsächlich der Fall ist, weist sich. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß The Donald mal wieder Ideen entwickelt und der Kurs bis dahin fällt.

    Wenn das der Fall sein sollte, ist die Vorabpauschale kleiner oder gar 0 (Negativ werden kann sie nicht).

    Früher konnte man sagen: Kaufe einen Thesaurierer, der ist steuerlich günstiger als ein Ausschütter! Heute kann man das so nicht mehr sagen. Heute lautet die Antwort: Es kommt darauf an! Unter normalen Bedingungen ist der Ausschütter (etwas) günstiger. (Der Unterschied ist nicht groß.)

  • Was spricht dagegen, jetzt Anteile zu verkaufen, so lange der Pauschbetrag noch nicht aufgebraucht ist? Wie gesagt erhöht der sich nicht. Und wenn Kauf und Verkauf nah beieinander liegen, sind kaum Nachteile zu erwarten. Wobei es natürlich auch auf den Broker und die Kosten ankommt.

    Aber da thesaurierende ETF vorhanden sind, ist der Hinweis auf ausschüttende ETFs wenig hilfreich. Es sei denn, es wird nach dem Verkauf ein Ausschütter gekauft.

    Ich mache das mittlerweile so: am Anfang des Jahres die Steuer auf die Vorabpauschale bezahlen und gegen Ende des Jahres ausrechnen. bzw. überschlagen, wie viel nach Vorabpauschale Ausschüttungen, Tagesgeld, Festgeld etc. noch frei ist. Dann verkaufe ich dementsprechend Anteile. Mittlerweile habe ich nicht mehr den Anspruch, die 1000€ genau zu treffen, denn, wie sagt Achim Weiss gern sinngemäß: Ich zahle lieber Steuern auf Gewinne, die ich gemacht habe, als keine Steuern, weil ich keine Gewinne gemacht habe.