Pflichtteil einfordern - Vorgehen

  • Hallo,

    ich habe kürzlich vom Nachlassgericht ein Schreiben bzgl. des Todes meines Großvaters erhalten.

    Darin ist aufgeführt, dass ich vom Erbe ausgeschlossen wurde, eine Kopie des Testamentes liegt dem Schreiben bei. Leider bin ich juristischer Laie und mir ist das Vorgehen trotz des beiliegenden Merkblattes nicht ganz klar, auch weil die Familiensituation etwas verworren ist.

    Laut Schreiben bin berechtigt, dem Pflichtteil zu fordern. Meine Eltern (und Onkel) sind bereits verstorben, ich bin die letzte lebende direkte Nachfahrin meines Großvaters. Meine Mutter entstammte dabei erster Ehe, mein Großvater hatte aber erneut geheiratet und dessen 2. Frau brachte weitere (erwachsene) Kinder in die Ehe. Eines dieser Kinder wurde nun als Alleinerbe im Testament eingesetzt, die anderen Kinder im Rahmen eines Vermächtnisses beteiligt. Mein Großvater war seit vielen Jahren Witwer.

    Gehe ich Recht in der Annahme, dass der Pflichtteil in diesem Falle 25% beträgt? Was wäre denn nun das sinnvollste Vorgehen aus meiner Sicht? Ich würde den Erben auffordern, mir eine detaillierte Aufstellung des Nachlasses zuzusenden, damit sich der Wert des Pflichtteiles überhaupt beziffern lässt. Gibt es dabei etwas zu beachten und welche Fristen greifen hier? Oder ist ein gänzlich anderes Vorgehen sinnvoll?


    Vielen Dank schonmal

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  • Kater.Ka 14. November 2025 um 18:28

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Noch eine Frage direkt hinterher:

    Im Testament ist jedoch aufgeführt, dass die Stiefkinder möglicherweise in der Zukunft von meinem Großvater adoptiert werden könnten. Inwiefern diese erfolgt ist ist mir aber nicht bekannt. Hat dies eine Relevanz für mich (da diese Personen ja ebenfalls als als Erbe ausgeschlossen wurden und nur mit dem Vermächtnis bedacht wurden)?

  • Für mich sieht es nach deinen Schilderungen so aus:

    Du bist in deinem Fall vermutlich alleinige gesetzliche Erbin, weil deine Mutter vorverstorben ist und die Stiefkinder aus der zweiten Ehe deines Großvaters keine gesetzlichen Erben sind. Damit wäre dein gesetzlicher Erbteil 100 %, und der Pflichtteil beträgt davon die Hälfte, also 50 % – nicht 25 %.

    Als Pflichtteilsberechtigte solltest du schriftlich folgendes machen
    1. Pflichtteil geltend machen
    2. Vollständiges Nachlassverzeichnis nach § 2314 BGB

  • Wenn, wie du ausführst, dein Großvater verwitwet war, von den Kindern deines Großvaters nur deine Mutter ein Kind, nämlich dich hatte und dein Großvater die Kinder seiner 2. Frau nicht adoptiert hat, wärst du sein gesetzlicher Alleinerbe. Der Pflichtteil beträgt 50 % deines gesetzlichen Erbteils, daher wäre der Pflichtteil bei dir 50%.

    Ja, du solltest den Pflichtteil sehr schnell gegenüber dem Alleinerben geltend machen. Denn damit beginnt die Verzinsung des Anspruchs. Ich würde aber einen Rechtsanwalt für Erbrecht damit beauftragen, der wird ein notarielles Nachlassverzeichnis vom Erben anfordern. Es geht nicht nur um den heutigen Nachlass, sondern auch um evtl. Schenkungen in den letzten 10 Jahren.

  • Soweit mir im Moment bekannt hat mein Großvater mindesten eines der Stiefkinder adoptiert, nämlich den eigesetzten Alleinerben. Bei den anderen beiden bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ich könnte es mir aber gut vorstellen. Diese wurden aber ja ebenfalls als Erben im Testament ausgeschlossen (und dafür mit dem Vermächtnis bedacht, welches erlischt, wenn sie den Pflichtteil einfordern.

    Ferner steht folgender Passus im Testament:
    "Soweit der Vermächtnisnehmer auch Miterbe ist, wird vorstehendes Vermächtnis als Vorausvermächtnis und ohne Anrechnung auf den Erbteil angeordnet." Diesen Teil verstehe ich nicht, weil ja durch das Einsetzten eines alleinigen Erben bereits weitere Miterben ausgeschlossen wurden?

    Ich werde dann auf jeden Fall mal die Aufstellung anfordern und den Pflichtteil geltend machen.
    Hier hätte ich noch eine Frage zum Ablauf: Fordere ich erst die Vermögensübersicht an und erkläre dann meinen Anspruch? Oder erkläre ich erst meinen Anspruch, in dessen Folge mir die Vermögensübersicht zusteht?


    Vielen Dank auf jeden Fall für die hilfreichen Antworten!

  • So wie es klingt sind die Vermögensverhältnisse sehr undurchsichtig. Wäre es in diesem Falle nicht ratsam, zunächst die Vermögensauskunft einzuholen um abzuklopfen, ob sich die Beauftragung eines Anwaltes überhaupt lohnt?

    Es ist in rechtlichen Dingen immer die Frage, ob man selbst stümpert oder einen Anwalt bezahlt, der zumindest die Formfehler vermeidet.

    Ist das Testament überhaupt gültig? In meinen Laienaugen sieht es danach aus, als ob die zweite Frau (die wohl mittlerweile auch schon verstorben ist), daran etwas gedreht hätte.

    Mir wäre der Anwalt das Geld vermutlich wert, aber das muß der TE selber wissen.

  • Hallo Stuart,

    etwas langsam mit den jungen Pferden.

    Wenn das Nachlassgericht das Testament anerkennt, spricht erst einmal der erste Anschein dafür, dass es gültig ist.

    Für die – im Streitfall gerichtliche - Geltendmachung des Pflichtteils haben Sie drei Jahre Zeit. Den ersten Schritt können Sie allein ohne Anwalt machen. Fordern Sie vom benannten Alleinerben schriftlich (Einwurfeinschreiben) Ihr Pflichtteil dem Grunde nach ein und fordern ein Nachlassverzeichnis. Um die Frage der gesetzlichen, d.h. hier adoptierten, Erben zu klären, fordern Sie als angeblicher gesetzlicher Alleinerbe erst einmal 50% des Erbes. Dann sehen Sie, wie reagiert wird und welche weiteren adoptierten gesetzlichen Erben benannt werden.

    Je nach Reaktion und Höhe der Erbmasse können Sie dann immer noch entscheiden, ob es sich lohnt, Geld für einen Anwalt auszugeben. Ggf. kommt heraus, die Erbmasse sind 10k und Ihr Anteil 8%. Da wäre jeder Euro für einen Anwalt einer zu viel. (Sorry für alle hier mitschreibenden und -lesenden Anwälte.)

    Gruß Pumphut

  • Je nach Reaktion und Höhe der Erbmasse können Sie dann immer noch entscheiden, ob es sich lohnt, Geld für einen Anwalt auszugeben. Ggf. kommt heraus, die Erbmasse sind 10k und Ihr Anteil 8%. Da wäre jeder Euro für einen Anwalt einer zu viel. (Sorry für alle hier mitschreibenden und -lesenden Anwälte.)

    Gibt es denn überhaupt Informationen, wie das alles beim Großvater familiär in den letzten zehn Jahren abgelaufen ist?
    Wie hoch wird denn sein Vermögen überhaupt geschätzt?


    wie stehen überhaupt Kontakte zu dieser Familie?
    da ist ja von null bis unendlich alles möglich.

    Hat der Großvater vielleicht in den letzten Jahren noch erhebliche Summen oder Immobilien verschenkt?

  • Ist das Testament überhaupt gültig? In meinen Laienaugen sieht es danach aus, als ob die zweite Frau (die wohl mittlerweile auch schon verstorben ist), daran etwas gedreht hätte.

    Das Testament ist vor vielen Jahren beim Notar beglaubigt worden und vom Gericht anerkannt. Da das Testament aber nach dem Tode der zweiten Ehefrau erstellt wurde, würde ich diesen Gedanken zunächst nicht weiterführen und auch einen Grund sehen, warum das Testament zunächst nicht gültig sein sollte.


    Gibt es denn überhaupt Informationen, wie das alles beim Großvater familiär in den letzten zehn Jahren abgelaufen ist?
    Wie hoch wird denn sein Vermögen überhaupt geschätzt?


    wie stehen überhaupt Kontakte zu dieser Familie?
    da ist ja von null bis unendlich alles möglich.

    Hat der Großvater vielleicht in den letzten Jahren noch erhebliche Summen oder Immobilien verschenkt?


    Der Kontakt zum Großvater war in den letzten Jahren durchaus vorhanden, über Geld wurde da aber nie gesprochen. Der Kontakt zum Rest der Familie ist praktisch nicht existent.

    Da auch die räumliche Entfernung relativ groß ist, ist mir da tatsächlich vieles unklar. Vor einigen Jahren hat er mir eben erzählt, dass er demnächst den Alleinerben adoptieren will, ich gehe aber davon aus, dass das vollzogen wurde. Bei den anderen beiden Stiefkindern wurde das nie angesprochen. Auch sonst wurde über bei Besuchen Telefonaten eigentlich nicht über diesen Teil der Familie gesprochen.

    Auch die Vermögensverhältnisse sind mir nicht bekannt. Grund/Immobilien besaß er laut Angabe Testament nicht, das Haus in dem er lebte brachte seine zweite Frau mit in die Ehe. Ansonsten weiß ich nur, dass mein Großvater durchaus nicht arm war (aber auch nicht reich) und früher einen gut bezahlten Job hatte. Was davon aber nach mehreren Jahrzehnten Rente, zudem in den letzten Jahren mit teilweisem Betreuungsbedarf noch übrig ist, ist mir völlig unklar. Über Schenkungen weiß ich nichts, würde es aber auch nicht ausschließen.

    Insofern bin ich mir tatsächlich nicht sicher, ob sich ein Anwalt überhaupt lohnt, anderseits ist das wegen der unklaren Verhältnisse wahrscheinlich das klügste.


    Was mir noch immer nicht ganz klar ist. Wie wirkt sich nun die Adoption des Alleinerben aus, da er ja durch Adoption ja in die gesetzliche Erbfolge eintritt, aber durch das Testament ja ohnehin Alleinerbe ist? Wie ändern sich die Anteile, wenn auch die anderen Kinder adoptiert wurden (die aber auch im Vermächtnis stehen, welches wiederum erlischt, wenn sie einen Pflichtteil einfordern)?

  • Wenn das Nachlassgericht das Testament anerkennt, spricht erst einmal der erste Anschein dafür, dass es gültig ist.

    Irrtum, die Übersendung des Testamentes durch das Nachlassgericht sagt nichts über die Gültigkeit aus, es ist lediglich eine Information des gesetzlichen Erben. Da es aber ein notarielles Testament ist und was bislang daraus bekannt gegeben wurde, macht Sinn, daher zweifle ich nicht an der Gültigkeit.


    Zitat von Pumphut

    "Für die – im Streitfall gerichtliche - Geltendmachung des Pflichtteils haben Sie drei Jahre Zeit. Den ersten Schritt können Sie allein ohne Anwalt machen."

    Hier hat bislang niemand die "gerichtliche" Geltendmachung des Pflichtteils empfohlen. Aber wenn ein Pflichtteilsberechtigter so wenig Ahnung vom Erbrecht hat und der Erblasser offensichtlich gut beraten war (die Adoptionen sind ein probates Mittel den Pflichtteil zu reduzieren) und alles tat, um den Pflichtteil seines leiblichen Abkömmlings zu schmälern, würde ich fachlichen Rat einholen. Aber jeder wie er mag.

    • Hilfreichste Antwort

    Vor einigen Jahren hat er mir eben erzählt, dass er demnächst den Alleinerben adoptieren will, ich gehe aber davon aus, dass das vollzogen wurde. Bei den anderen beiden Stiefkindern wurde das nie angesprochen.

    Auch die Vermögensverhältnisse sind mir nicht bekannt. Grund/Immobilien besaß er laut Angabe Testament nicht, das Haus in dem er lebte brachte seine zweite Frau mit in die Ehe. Ansonsten weiß ich nur, dass mein Großvater durchaus nicht arm war (aber auch nicht reich) und früher einen gut bezahlten Job hatte. Was davon aber nach mehreren Jahrzehnten Rente, zudem in den letzten Jahren mit teilweisem Betreuungsbedarf noch übrig ist, ist mir völlig unklar. Über Schenkungen weiß ich nichts, würde es aber auch nicht ausschließen.


    Was mir noch immer nicht ganz klar ist. Wie wirkt sich nun die Adoption des Alleinerben aus, da er ja durch Adoption ja in die gesetzliche Erbfolge eintritt, aber durch das Testament ja ohnehin Alleinerbe ist? Wie ändern sich die Anteile, wenn auch die anderen Kinder adoptiert wurden (die aber auch im Vermächtnis stehen, welches wiederum erlischt, wenn sie einen Pflichtteil einfordern)?

    Es ist wegen des Hinweises, dass die Vermächtnisse auf den Pflichtteil anzurechnen sind, zu vermuten, dass alle 3 Stiefkinder adoptiert wurden, falls das zutrifft, wäre dein Pflichtteil nur 1/8, falls nur der Alleinerbe adoptiert wurde, wäre er 1/4.

    Ich gehe davon aus, dass auch erhebliche Schenkungen erfolgten, denn es wurde m.E. alles getan, dass du leer ausgehst. Wenn diese aber älter als 10 Jahre sind, werden sie beim Pflichteil nicht mehr berücksichtigt, davor pro vergangenem Jahr 1/10 weniger.


    Vielleicht hilft es dir auch ein Fachbuch über Pflichtteil und seine Geltendmachung zu lesen. Schau aber, dass es nicht zu alt ist, denn es hat sich in den letzten Jahren einiges geändert.

  • Stuart 15. November 2025 um 12:47

    Hat einen Beitrag als hilfreichste Antwort ausgewählt.
  • Hallo Stuart,

    Was mir noch immer nicht ganz klar ist. Wie wirkt sich nun die Adoption des Alleinerben aus, da er ja durch Adoption ja in die gesetzliche Erbfolge eintritt, aber durch das Testament ja ohnehin Alleinerbe ist? Wie ändern sich die Anteile, wenn auch die anderen Kinder adoptiert wurden (die aber auch im Vermächtnis stehen, welches wiederum erlischt, wenn sie einen Pflichtteil einfordern)?

    Sie müssen zwei Ebenen unterscheiden, die testamentarische Verfügung, nach der Sie nicht Erbe sind. Ob und welche anderen Erben oder Vermächtnisnehmer noch neben den „Alleinerben“ bestehen, ist für Sie maximal noch von akademischem Interesse. Ob die anderen gesetzlichen Erben vom testamentarischen Alleinerben nun ein Vermächtnis einfordern oder nicht, berührt Sie nicht.

    Ein Pflichtteil berechnet sich nach der gesetzlichen Erbfolge, so als ob es kein Testament gäbe. Da ist es schon interessant, wie viele adoptierte Kinder Ihr Großvater neben seiner leiblichen Tochter hatte. Nur Ihre Mutter ergibt ein Pflichtteil von 50%, plus drei adoptierte Kinder von nur noch 12,5%, so wie Naseweis angegeben. Ob die adoptierten und mit einem Vermächtnis bedachten anderen Kinder nun vom Alleinerben das Vermächtnis oder den Pflichtteil fordern, ist ggf. ein Problem des Alleinerben, aber nicht Ihres. Sie erhalten im schlechtesten Fall (4 gesetzlich erbberechtigte Kinder) vom Nachlass 12,5% in Geld.

    Wenn Sie schreiben, es gab keine Immobilien und der Großvater war zuletzt im Pflegeheim, ist zu befürchten, der Nachlass könnte nicht groß sein. Unabhängig von der Konsultation eines Anwalts, die Fakten müssen Sie selbst besorgen. Lassen Sie sich die Adoptionsurkunden vorlegen, die sind entscheidend für den prozentualen Anteil des Pflichtteils und sowieso das Nachlassverzeichnis.

    Gruß Pumphut

  • Im Immobilie gehörte der verstorbenen 2.Ehefrau.
    Wem gehört sie jetzt ?

    Hat der Witwer eventuell nach dem Tod seiner Frau als Erbe einer Immobilie auf das Erbe verzichtet oder später seinen Anteil verschenkt ?

    Ich denke eher er hat auf das Erbe verzichtet, wem sie heute gehört weiß ich nicht, nur dass er eben ein lebenslanges Wohnrecht hatte. Ist aber wahrscheinlich nicht relevant, da selbst eine Schenkung inzwischen über 10 Jahre vergangen wäre.


    Wie dem auch sei, ich habe mich entschieden, einen Termin bei einem Anwalt zur Erstberatung zu vereinbaren. Diese max. 190€ oder 250€ sind es mir auf jeden Fall wert. Dann sehen wir weiter. Vielen Dank auf jeden Fall für eure Einschätzungen und Gedanken!