Tausende Euro sparen durch fehlerhafte Widerrufsbelehrung

  • Mittlerweile haben sich offenbar weitere Landgerichte dem Urteil des LG Ravensburg angeschlossen. Weitere Urteile gibt es meines Wissens nicht, aber entsprechende Hinweise in mündlichen Verhandlungen. Von daher sollte man das Urteil aus Ravensburg schon ernst nehmen, auch wenn es natürlich erstmal nur ein erstinstanzliches Urteil ist.


    Auf eigene Kosten würde ich hier auch nicht klagen. Aber mit Rechtsschutzversicherung lohnt sich ein Vorgehen durchaus. Und hier nochmal die Erinnerung für alle: In bestimmten Fällen (kein Neubau, keine Vermietung) kann immer noch bei bestimmten Gesellschaften eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden, bevor der Widerruf erklärt wird.


    Näheres dazu hier:
    Wann zahlt die Rechtsschutzversicherung beim Widerrufsjoker?

  • Wie findet man Urteile anderer Landgerichte? Ich habe ewig gegoogelt, jedoch nichts gefunden. Besonders eines vom Lieben Gruß Stuttgart wäre interessant. Da Neubaufinanzierubf bringt mir der Rechtsschutz nichts und deswegen sollte eine Klage, sollte die Bank Nicht ohne „wollen“, recht sicher sein. Geht leider um zu viel Geld dass ich da drüber hinwegsehen könnte.

  • Sobald Banken vermuten, dass ein ihnen nicht genehmes Urteil ergeht, versuchen sie häufig doch noch einen Vergleich zu schließen. Daher könnte das nächste Urteil, das die Meinung des Landgerichts Ravensburg teilt, noch auf sich warten lassen.

  • Zum Aufrechnungsverbot und seiner Wechselwirkung auf die Widerrufsinformation


    Das OLG Köln (4 U 90/18, Beschluss vom 18.10.2018) hat Bezug genommen auf die Entscheidung des LG Ravensburg (2 O 21/18, Urteil vom 21.09.2018) und eine Analogie abgeleht.


    Zudem haben die Richter in seltener Deutlichkeit klargestellt, was sie von diesem Urteil halten: gar nichts - insbesondere, da sich das LG nicht damit auseinander gesetzt hat, wie die AGB-Klausel die Widerrufsinformation irreführund und damit unrichtig werden lässt, sondern nur die Entscheidungsgründe des BGH (Urteil vom 20.03.2018, XI ZR 309/16) in sein eigenes Urteil kopiert hat:


    "Darüber hinaus wird in dieser Entscheidung nicht begründet, warum außerhalb der eigentlichen Widerrufsinformation liegende Umstände, deren Wirksamkeit beeinflussen sollen, sondern lediglich auf die vom Bundesgerichtshof für die Unwirksamkeit der Aufrechnungsklausel, (...), herangezogene Begründung abgestellt."

  • In meinem Fall hat die Bank im erstinstanzlichen Verfahren einen inazeptablen Vergleich vorgeschlagen. Daraufhin erging eine Entscheidung des LG Frankfurt, zu meinen Ungunsten. In diesem Urteil wurde nicht juristisch sachargumentiert, sondern die offensichtlich mit der Materie überforderte Richterin übernahm die sachfremden Erwägungen des Rechtsvertreters der Bank auf "die Klägerin hat das Geld ja auch benötigt.." (Wie bitte?) Obwohl ich keine Rechtsschutzversicherung habe, ging ich über meinen Anwalt (einer, der von Finanztip als erfahren gemeldet wurde und mit dem ich höchst zufrieden war) in Berufung. Hier kam zunächst auch wieder ein inakzeptabler Vergleichvorschlag, daraufhin Gegenvergleich meines Anwalts, der der Rechtslage (zu meinen Gunsten) entsprach, und der von der Bank angenommen wurde. Daher keine gerichtliche Entscheidung, es ging im schriftlichen Verfahren. Wobei mein Anwalt mir sagte, beim OLG Frankfurt sähe es ganz anders aus, was die Bank wohl wußte. Einziger Wermutstropfen: In der Zwischenzeit hatte der BGH entschieden, daß die von den Banken in solchen Fällen von den Verbrauchern geforderten Zinsen wegen der allgemeinen Zinsentwicklung herabzusetzen seien (wurde auch von Finanztip berichtet). Daher wurde dem schon von meinem Anwalt beim Gegenvergleichsangebot Rechnung getragen. Das Ganze hatte den gleichen Erfolg wie ein Urteil zu meinen Gunsten, denn ich bekam meine vorverauslagten Anwaltskosten ebenfalls erstattet.
    Kapitalertragsteuer wurde nicht erhoben, die beklagte Bank hatte insoweit auch nichts einbehalten. Es handelt sich ja auch nicht um eine Einkunftart in diesem Sinne, sondern eine Rückforderung. Die darauf entfallenden Zinsen sind auch kein Ertrag, sondern liegen auf der erlittenen Schadensseite. In den Fällen, in denen diese berechnet wurden, hat vielleicht schon die Bank eine fehlerhafte Meldung an das Finanzamt gemacht. Auch soweit die Rückzahlung von dem, der die Einkommensteuer erklärt, fälschlicherweise selbst als Einnahme deklariert wurde, oder vom Finanzamt die Kapitalertragsteuer selbst eingestellt wurde, ist natürlich unverzüglich Einspruch einzulegen. Sofern die Bank von vornherein diese angebliche Kapitalertragsteuer abgezogen hat, ist der Rechtsstreit noch nicht zuende, d.h. dies muß von der Bank nachgefordert werden. Es ist leider so, dass man bis zuletzt wachsam sein muß und ohne Anwalt nicht zu seinem Recht kommt. Übrigens hatte ich meinen Fall in der community auch seinerzeit geschildert. Da kam tatsächlich von einem Bankvertreter (eben dieser Bank, die ich genannt hatte) ein arroganter Beitrag, man hätte mit ihnen sprechen können, denn obwohl man im Recht sei, wäre vielleicht was möglich gewesen. Tatsache ist aber, dass ich Bank vor Einschaltung eines Anwalts auf dessen taktisches Anraten hin zunächst sachlich mit Darlegung aller Berechnungen angeschrieben hatte, natürlich mit negativem Ergebnis. Soweit zu diesem offenbar nicht enden wollenden Komplex, an dem auch der Fiskus sich gerne noch beteiligt.

  • Danke für den sehr ausführlichen Erfahrungsbericht. Liest man viel zu selten davon.
    Darf man fragen, was "obei mein Anwalt mir sagte, beim OLG Frankfurt sähe es ganz anders aus" genau heißt?

  • Mein Anwalt meine damit, im Gegensatz um Landgericht sei man beim OLG fachkundiger, d.h. er rechnete aus Erfahrung mit guten Aussichten für meine Berufung - sonst hätte er nicht dazu geraten. Und die Bank wurde ja auch in dieser Instanz besserer Einsicht. Ich kenne selbst auch keine weiteren Entscheidungen in diesen Sache, offenbar wird vieles per Vergleich geregelt. Aber gerade deshalb habe ich gerne den gesamten Verlauf mal dargestellt.

  • Hallo Frau RAin DrEckhardt
    Ich komme noch einmal auf Ihre Antwort zu dem Post von Berliner Kindl zurück. Ich habe den Post von BK so verstanden, dass Anschlussfinanzierungen nur anfechtbar sind, wenn der ursprüngliche Kreditvertrag zu einer Zeit abgeschlossen wurde, als das Widerrufsrecht bereits existierte bzw. wenn die AF nach dem Fernabsatzgesetz abgeschlossen wurde.


    1. Stimmt das? (Ich habe 2016 fristgerecht widersprochen aus gegebenem Grund aber noch nicht geklagt)
    2. Ich habe die Finanzierungen zusammen mit einem Haus in 2011 geerbt, somit weiss ich nicht ob die Anschlussfinanzierung per Fernabsatzgesetz zustande gekommen ist). Wie kann ich das feststellen?
    3. Gibt es eine Liste spezialisierter Anwälte in Remscheid bzw. dem Oberbergischen Kreis?


    Besten Dank im voraus!

  • hatte die Volksbank Hameln-Stadthagen eG eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ?


    • 2003 abgeschlossen; 6/16 widerrufen - was die Bank schriftlich ablehnte.
    • vor Jahren gab es eine Liste von Banken mit fehlerhaften Belehrungen; gibt es die noch ?
    • in meiner Rechtsschutzversicherung leider nicht drin (1984 - zu alte Klauseln). In Nds. wenig Chancen, meinte 2016 die Bank.
    • unglaublich schwere Entscheidung, hat jemand einen Tip ? (und wenn ja, welche Anwalt in Hamburg oder Nähe Bückeburg) ?
  • Die Verträge aus 2003 waren fast alle falsch, wegen "frühestens".


    Aber vermutlich bist Du jetzt bei diesen Altverträgen sowieso schon zu spät dran. Auch Anwälte wollen Weihnachten feiern. Wenn Du jetzt noch nach Listen suchst und Tipps hier im Forum wartest, ist das Jahr garantiert rum - und deine Ansprüche sind verjährt.


    Wenn Du noch eine Chance haben willst, dann wende Dich schleunigst an einen Anwalt aus der Test-Liste oder beispielsweise an die Interessengemeinschaft Widerruf. Vielleicht hast Du ja noch Glück und die sitzen noch nicht unterm Weihnachtsbaum.


    PS: Für alle anderen: Die Verjährung gilt nur für Verträge vor Juli 2010. Alle danach abgeschlossenen Baufinanzierungen können noch uneingeschränkt widerrufen werden - und in vielen Fällen gibt es auch gute Aussichten.

  • Das Landgericht Ravensburg hat mit Beschluss vom 07.01.2020 (Aktenzeichen: 2 O 315/19) wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Pkw-Finanzierungsvertrages dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.


    Das Landgericht Ravensburg stellte dem Europäischen Gerichtshof 5 Fragen:


    1.
    Einerseits möchte das Landgericht Ravensburg wissen, ob der bei Abschluss des Kreditvertrages geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl oder zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gem. § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz
    durch einen Zuschlag als absolute Zahl anzugeben ist.


    2.
    Darüber hinaus soll der EuGH erläutern, ob der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret im Darlehensvertragzu erläutern ist.


    3.
    Der EuGH soll sich dazu erklären, ob im Kreditvertrag ein konkreter vom Verbraucher nachvollziehbarer Rechenweg für die Ermittlung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der bei vorzeitiger Kündigung anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann.


    4.
    Ferner wird gefragt, ob auch die im nationalen Recht geregelten Kündigungsrechte der Parteien des Kreditvertrags angegeben werden müssen, insbesondere auch das Kündigungsrecht
    des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB bei befristeten
    Darlehensverträgen?


    5.
    Schließlich soll der EuGH Stellung nehmen, ob bei sämtlichen Kündigungsrechten der Parteien des Kreditvertrags auf die bei der Ausübung des Kündigungsrechts jeweils vorgeschriebene Frist und Form für die Kündigungserklärung hinzuweisen ist.

  • Paukenschlag aus Luxemburg: Der Europäische Gerichtshof hat am 26.03.2020 auf Vorlagefrage des Landgerichts Saarbrücken im Verfahren C-66/19 ("JC / Kreissparkasse Saarlouis) entschieden, dass eine Widerrufsinformation der Sparkasse - diese wies die in nahezu allen deutschen Darlehensverträgen ausgewiesene Kaskadenverweisung auf - europarechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird.



    Wörtlich führte der EuGH laut Pressemitteilung aus:


    "[Der Gerichtshof stellt fest], dass die Richtlinie, die darauf abzielt, allen Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten, dahin auszulegen ist, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt. Außerdem steht die Richtlinie dem entgegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.



    Im Fall einer solchen Kaskadenverweisung kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags nämlich weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat. Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass der im fraglichen Vertrag enthaltene Verweis auf die deutschen Rechtsvorschriften nicht dem Erfordernis genügt, den Verbraucher in klarer und prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. "