Im Kontext mit diesem Thema (u. a. Bonität Deutschlands) ist die aktuelle Debatte um die Reform der EU-Budgetregeln hoch interessant da sehr relevant. Die zur Zeit ausgesetzten Budgetregeln (europäischer Fiskalpakt) stehen vor einer Reform. Alternative wäre die vertraglich vereinbarten ursprünglichen Regeln zum Jahreswechsel wieder gelten zu lassen. Dies wollen aber die hoch- und höchstverschuldeten EU-Länder nicht (insbesondere die "Schuldenkönige" Italien und Frankreich wollen dies unter allen Umständen verhindern ...).
Leider wurden schon die ursprünglichen EU-Regeln (Vertrag von Maastricht, Maastricht-Kriterien) hundertfach gebrochen (ohne daß die EU-Kommission - die sich selbst als "Hüterin der EU-Verträge" bezeichnetet - dies jemals verhindert hätte oder es wenigstens - zwecks Einhaltung der Verträge - danach jemals zu Sanktionen gekommen wäre). Dieser kontinuierliche und hundertfache Vertragsbruch war ein entscheidender Auslöser der Eurokrise bzw. europäischen Staatsschuldenkrise (ab dem Jahr 2010 ff).
In die Details der Verhandlungen einzusteigen würde hier den Rahmen sprengen. Interessant ist aber der Blick auf die - auch dabei wieder - immanenten und systemischen Probleme einer solchen Währungsunion (Moral Hazard, Tragik der Allmende, Fehlanreize, unauflösbare Widersprüche): Die (noch) soliden Eurostaaten befinden sich dabei in einem "strategischen Dilemma", solange sie die Währungsunion selbst nicht riskieren wollen.
Sobald die Hochschuldenstaaten (wie in der Eurokrise - beginnend damals mit Griechenland) in Finanzierungsschwierigkeiten geraten, greift entweder die EZB mit (im Notfall Billionen schweren) Anleihekäufen ein (auch hier erfolgt via der EZB-Bilanz eine Mithaftung Deutschlands von ca. knapp 30% am Gesamtvolumen) - oder die besser gestellten Staaten müssen für die Schuldenstaaten wieder mithaften (was den erneuten Bruch des Art. 125 AEUV der sog. "Nichtbeistandsklausel" bedeutet). Solidere Staaten (wie Deutschland) müssen dabei dann ihr Haftungspotential (und damit auch ihre Bonität) für Gemeinschaftsschulden einsetzen oder eine inflationäre Geldpolitik der EZB akzeptieren (Billionen schwere Anleihekäufe mit aus dem Nichts geschaffenen Geld wirken - über kurz oder lang - auf die Preise inkl. die Vermögenspreise). Im Zweifel oder Notfall auch eine Mischung aus beidem also Mithaftung plus inflationäre Geldpolitik.
Nur am Rande: Die jahrelange Niedrigzins, Nullzins- und schließlich sogar Negativzinspolitik seitens der EZB wurde von den Hochschuldenländern nicht angemessen oder gar nicht zum Schuldenabbau genutzt.
Sehr bedenklich dürfte zudem der Ansatz sein, daß ausgerechnet die EU-Kommission (s. o. Abs. 2) mit den einzelnen Mitgliedern - und nicht mehr gemäß der ursprünglichen EU-Verträge sondern nur noch individuell "maßgeschneiderte Ausgabepfade" und damit - nur noch "bilateral" ver- und aushandeln will. Nach den hundertfachen Vertragsbrüchen des Vertrages von Maastricht bezüglich der Maastricht-Kriterien mit der "EU-Kommission am Tisch" läßt das kaum mehr Raum für Hoffnung bezüglich einer finanziellen Konsolidierung der Schuldenkönige (pointiert muß man sagen, damit würde endgültig der "Bock zum Gärtner" gemacht mit dann noch dazu viel zu viel diskretionärem Spielraum; "allgemein gültiges Vertragswerk" versus "bilaterale Absprache").
Fast noch bedenklicher unter dem ursprünglichen in den EU-Verträgen festgelegten Leitmotiv der EU (Grundsatz der Subsidiarität): Mit der stärkeren Ausrichtung der nationalen Haushaltspolitik (das Budgetrecht ist das "Königsrecht" jedes nationalen Parlaments) an EU-Prioritäten würde zudem eine "Budgetsteuerung durch die Hintertür" seitens der EU erfolgen und die nationale Souveränität (auch des jeweiligen Parlaments) noch weiter eingeschränkt oder sogar ausgehöhlt. Pointiert formuliert: Die Bürger dürfen zwar noch ihr Parlament wählen, das Königsrecht des Parlaments (Budgetplanung) wird aber von Brüssel vorgegeben und bestimmt.
Ob und inwieweit die vermutlich bald zustande kommende Reform Auswirkungen auf die eigenen privaten Finanzen hat, muß und sollte - wie stets - jeder Sparer, Anleger, für sein Alter Vorsorgende, Investor etc. für sich selbst beurteilen.