Einspruch gegen Feststellung des Grundsteuerwertes wurde abgelehnt, was nun?

  • LI / vielen Dank für Deine Ausführung, Du empfiehlst also eher den Einspruch nicht weiter zu verfolgen, da meine Berechnung offensichtlich stimmt. Ich finde es dennoch schwierig, nicht genau zu wissen, was am Ende als Grundsteuer tatsächlich rauskommt und später kann ich den Einspruch nicht mehr erheben.

  • LI / vielen Dank für Deine Ausführung, Du empfiehlst also eher den Einspruch nicht weiter zu verfolgen, da meine Berechnung offensichtlich stimmt.

    Das ist meine persönliche Meinung. Ich kann ja auch nicht gegen meinen Einkommensteuerbescheid pauschal Einspruch erheben, wenn objektiv alles stimmt, ich aber der Meinung bin, dass die Steuersätze zu hoch sind. Und dann glauben, dass dem einfach so ohne weitere Begründung stattgegeben wird.


    Zitat

    Ich finde es dennoch schwierig, nicht genau zu wissen, was am Ende als Grundsteuer tatsächlich rauskommt und später kann ich den Einspruch nicht mehr erheben.

    Das liegt ja auch nicht in den Händen des Finanzamts, sondern der jeweiligen Kommune.

  • Das Finanzamt berechnet nach Landesgesetz den neuen Grundsteuermessbetrag, der dem Eigentümer mitgeteilt wird.

    Wer auf dieser Basis und dem aktuellen Hebsatz seiner Kommune seine Grundsteuer errechnen will, geht so vor:

    Grundsteuermessbetrag x Hebesatz : 100 = zu zahlende Grundsteuer (z.B.: 87,73 x 450 : 100 = 394,79 Euro).


    Aber Vorsicht: Der Hebesatz der Kommune wird sich wohl bis 2025 verändern. Hierfür ist dann die Politik der Kommune und nicht das Finanzamt verantwortlich.


    Bei meinen Grundstücken sieht es laut Finanzamt so aus:

    NI: Grundsteuermessbetrag um 16,2 Prozent niedriger als heute

    NRW: Grundsteuermessbetrag um 9,5 Prozent höher als heute

  • Ich finde es dennoch schwierig, nicht genau zu wissen, was am Ende als Grundsteuer tatsächlich rauskommt und später kann ich den Einspruch nicht mehr erheben.

    Kleines Gedankenexperiment: Es gibt keine Reform der Grundsteuer. Woher weißt du, welche Grundsteuer du 2025 zu zahlen hast?


    Antwort: gar nicht, denn der Hebesatz für die weitere Zukunft ist dir nicht bekannt. Das stört dich jetzt nicht, weil du einfach den aktuellen Hebesatz für die Zukunft annimmst. Und umgekehrt stört dich genau diese Strategie, weil sich jetzt etwas ändert, aber die Hebesesätze noch angepasst werden sollen

  • Vielen Dank an Euch alle, die Unterhaltung hat mir wirklich sehr geholfen, selbst das Gedankenexperiment.


    Einen schönen Tag, ich werde mich nun ein wenig mit Gartenarbeit vom Thema ablenken lassen und alles in den kommenden Tagen nochmal reflektieren.


    Bis bald und herzliche Grüße von MP aus Berlin.


    :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

  • Hallo Zusammen, mein zuständiges Finanzamt hat meinen Einspruch gegen die Feststellung des Grundsteuerwertes zum Grundvermögen mit einem sehr langen Schreiben abgelehnt und mich aufgefordert, den Einspruch bis zum 20.4.2023 zurückzunehmen. Habt Ihr schon einmal ähnliche Erfahrungen sammeln können und habt vielleicht einen Tipp für mich, wie ich dennoch am Einspruch festhalten kann? Es gab ja auch die Empfehlung von vielen Stellen, grundsätzlich in einen Widerspruch zu gehen, da das neue Verfahren der Berechnung grundlegend in Frage steht und bereits erste Verfahren anhängig sind.


    Freue mich von Euch / Ihnen zu hören. Vielen Dank und sonnige Grüße aus Berlin von Michael P.

    Wie wurde denn begründet?

    Zum Festhalten am Einspruch reicht es, ihn nicht zurück zu nehmen.

    Taxation is not charity. It is not voluntary. As we shrink the state and make government smaller, we will find that more and more people are able to take care of themselves.


    Grover Norquist

  • Guten Morgen zusammen und vielen Dank für die zahlreichen Antworten. So wie IC vermutet, habe ich tatsächlich noch keine Ablehnung erhalten, sondern nur den Hinweis auf wenig Erfolgsaussichten meines Einspruchs und ich solle an Hand der langen Ausführungen des Finanzamtes den Einspruch nochmals überprüfen. Ich könnte mit einer weiterreichende Begründung auch am Einspruch festhalten, sofern sich der Einspruch, Zitat: "....gegen eine unzutreffende Feststellung aus sachlichen, rechtlichen oder rechnerischen Gründen richtet ."

    In jedem Fall soll ich mich bis 20.4.2023 melden oder der Einspruch wird automatisch eingestellt. Sorry für die unklare Formulierung in meiner Anfrage, aber die Texte sind mitunter auch in einem Amtsdeutsch so geschrieben, dass man Vieles nicht gleich auf den ersten Blick richtig verstehen kann. Ich werde nun nochmal prüfen, was ich tatsächlich tue, aber vielleicht habt Ihr ja auch noch einen Vorschlag für mich. Euch allen einen schönen Tag und beste Grüße aus Berlin.

    Ich habe wie folgt begründet:


    Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer B in Baden-Württemberg, da nur die Bodenrichtwerte, die Grundstücksgröße und die überwiegende Wohnnutzung eine Rolle spielen und die Bodenrichtwerte auch nicht justiziabel sind.



    Hinzu kommt, dass aufgrund fehlender Hebesätze für 2025 aller Kommunen niemand die künftige Höhe der Grundsteuer B heute schon berechnen kann. Mangels Vorhersehbarkeit der künftigen Steuerlast spricht in rechtlicher Hinsicht vieles dafür, dass die isolierte bestandskräftige Festsetzung der Grundsteuerwertbescheide gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt (BVerfGE 19, 253, 267; 34, 348,365; 73, 388, 400).



    Zumindest der zweite Punkt dürfte in allen Bundesländern zum Tragen kommen.

    Taxation is not charity. It is not voluntary. As we shrink the state and make government smaller, we will find that more and more people are able to take care of themselves.


    Grover Norquist

  • Kleines Gedankenexperiment: Es gibt keine Reform der Grundsteuer. Woher weißt du, welche Grundsteuer du 2025 zu zahlen hast?


    Antwort: gar nicht, denn der Hebesatz für die weitere Zukunft ist dir nicht bekannt. Das stört dich jetzt nicht, weil du einfach den aktuellen Hebesatz für die Zukunft annimmst. Und umgekehrt stört dich genau diese Strategie, weil sich jetzt etwas ändert, aber die Hebesesätze noch angepasst werden sollen

    Und genau das ist rechtswidrig. Das BVerfG hat bereits 1965 entschieden:


    "Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im Bereich des Abgabenwesens fordert, daß steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, daß der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann."

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    Grover Norquist

  • Korrektur: (Die Zeitspanne zum editieren ist mal wieder abgelaufen)


    Das bezieht sich nur auf die neue Grundsteuer. Ich habe mich verlesen.

    Klar sind Steuersatzänderungen nicht betroffen.

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    Grover Norquist

  • Wenn Du "ernstliche Zweifel" an der Verfassungsmäßigkeit des Grundsteuergesetzes für Baden-Württemberg hast, warum hast Du dann nicht innerhalb der Jahresfrist Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben? Das wäre sogar ein kostenfreies Verfahren gewesen. Die gleiche Frage darf natürlich auch den Verbänden gestellt werden, die heute über den Umweg des Einspruchs gegen die Bescheide gegen das Gesetz vorgehen wollen. Aber denen hätte es wohl verbandspolitisch nicht in den Kram gepasst, dass über eine solche Verfassungsbeschwerde heute wahrscheinlich bereits entschieden wäre und die Mitgliederwerbeaktion "Einspruch gegen die Grundsteuer" im Sande verlaufen wäre.


    Die zitierte BVerfG-Entscheidung aus 1965 (!) liegt übrigens ziemlich neben der Sache. In dem Urteil vom 14.12.1965 ging es um das Recht der Kirchen, ihre Mitglieder nach den fortgeltenden Regeln der Weimarer Reichsverfassung zu besteuern. Und der von Dir wörtlich zitierte Satz bezieht sich auf die damals entschiedene Frage, ob eine im Kaiserreich anerkannte Religionsgemeinschaft deshalb auch im Jahre 1965 noch das Recht zur Besteuerung ihrer Mitglieder hatte. Diesen "steuerbegründenden Tatbestand" mit dem aktuellen Grundsteuergesetz Ba.-Wü. in Zusammenhang bringen zu wollen, ist nun wirklich sehr weit hergeholt.

  • Wenn Du "ernstliche Zweifel" an der Verfassungsmäßigkeit des Grundsteuergesetzes für Baden-Württemberg hast, warum hast Du dann nicht innerhalb der Jahresfrist Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben? Das wäre sogar ein kostenfreies Verfahren gewesen. Die gleiche Frage darf natürlich auch den Verbänden gestellt werden, die heute über den Umweg des Einspruchs gegen die Bescheide gegen das Gesetz vorgehen wollen. Aber denen hätte es wohl verbandspolitisch nicht in den Kram gepasst, dass über eine solche Verfassungsbeschwerde heute wahrscheinlich bereits entschieden wäre und die Mitgliederwerbeaktion "Einspruch gegen die Grundsteuer" im Sande verlaufen wäre.


    Die zitierte BVerfG-Entscheidung aus 1965 (!) liegt übrigens ziemlich neben der Sache. In dem Urteil vom 14.12.1965 ging es um das Recht der Kirchen, ihre Mitglieder nach den fortgeltenden Regeln der Weimarer Reichsverfassung zu besteuern. Und der von Dir wörtlich zitierte Satz bezieht sich auf die damals entschiedene Frage, ob eine im Kaiserreich anerkannte Religionsgemeinschaft deshalb auch im Jahre 1965 noch das Recht zur Besteuerung ihrer Mitglieder hatte. Diesen "steuerbegründenden Tatbestand" mit dem aktuellen Grundsteuergesetz Ba.-Wü. in Zusammenhang bringen zu wollen, ist nun wirklich sehr weit hergeholt.

    Du hast noch keine Verfassungsbeschwerde formuliert, oder? Das BVerfG sortiert da gnadenlos aus, 2021 wurden gerade einmal 1,29 % der Beschwerden angenommen. Und da soll man Arbeit reinstecken?


    Was die Entscheidung angeht:

    Das BVerfG hat hier das Rechtsstaatsprinzip konkretisiert. Das gilt nicht nur auf den konkreten Einzelfall, sondern global.

    Es käme ja auch niemand auf die Idee, dass die Klarstellungen zu Art. 2 GG aus dem Elfes-Urteil nur bei Passentziehung gelten.

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    Grover Norquist

  • Du hast noch keine Verfassungsbeschwerde formuliert, oder? Das BVerfG sortiert da gnadenlos aus, 2021 wurden gerade einmal 1,29 % der Beschwerden angenommen. Und da soll man Arbeit reinstecken? ...

    Doch, ich gehöre sogar zu den wenigen, die damit schon mal erfolgreich waren (Beschl. v. 31.08.1993 - 2 BvR 843/93). Das ist formal nicht wirklich schwer. Einen Anwalt brauchst du auch erst, wenn darüber mündlich verhandelt wird, was bei Verfassungsbeschwerden eher selten ist. Die schwache Erfolgsquote liegt daran, dass nicht alles, was man für falsch halten kann oder ungerecht erscheint, auch gegen die Verfassung verstößt. Und an der Arbeit wirst du nicht vorbei kommen, wenn der Einspruch ernst gemeint ist. Dann musst du nämlich nach dem kostenpflichtigen Gang durch die Instanzen in ca. 5 Jahren gegen die abschließende Entscheidung des BFH Verfassungsbeschwerde erheben. Wenn Du das von vornherein nicht willst, kannst Du Dir die Mühe für den Einspruch und die Kosten für das Verfahren vor dem Finanzgericht eigentlich jetzt schon sparen.

  • Doch, ich gehöre sogar zu den wenigen, die damit schon mal erfolgreich waren (Beschl. v. 31.08.1993 - 2 BvR 843/93). Das ist formal nicht wirklich schwer. Einen Anwalt brauchst du auch erst, wenn darüber mündlich verhandelt wird, was bei Verfassungsbeschwerden eher selten ist. Die schwache Erfolgsquote liegt daran, dass nicht alles, was man für falsch halten kann oder ungerecht erscheint, auch gegen die Verfassung verstößt. Und an der Arbeit wirst du nicht vorbei kommen, wenn der Einspruch ernst gemeint ist. Dann musst du nämlich nach dem kostenpflichtigen Gang durch die Instanzen in ca. 5 Jahren gegen die abschließende Entscheidung des BFH Verfassungsbeschwerde erheben. Wenn Du das von vornherein nicht willst, kannst Du Dir die Mühe für den Einspruch und die Kosten für das Verfahren vor dem Finanzgericht eigentlich jetzt schon sparen.

    Herzlichen Glückwunsch...


    Die Begründung sehe ich aber anders - das BVerfG ist einfach überlastet und hat deshalb entsprechend die Anforderungen an den Vortrag extrem hochgeschraubt (von Unsinn wie Subsidarität mal ganz zu schweigen, die selbst unzulässige Rechtsmittel verlangt). Die Politik hätte darauf längst reagieren und die Anzahl der Richter erhöhen müssen, die seit 1949 gleich geblieben ist, obwohl die Anzahl der Verfassungsbeschwerden stetig und deutlich angestiegen ist.


    Ob am Ende eine Verfassungsbeschwerde kommen muss, ist doch alles andere als sicher: Man könnte auch einfach auf dem Instanzenweg recht bekommen. Derzeit ist mein Einspruch aber so oder so ruhen, Musterverfahren sei Dank.

    Taxation is not charity. It is not voluntary. As we shrink the state and make government smaller, we will find that more and more people are able to take care of themselves.


    Grover Norquist