Depot entrümpeln

  • Hallo,


    in den letzten Jahren habe ich mir leider auf Anraten meines Finanz-„Beraters“ meiner Volksbank diverse Produkte gekauft (bzw. aufschwatzten lassen) und mir damit ein ziemlich „interessantes“ Portfolio kreiert, dass ich nun „entrümpeln“ möchte


    Insbesondere zu den Zertifikaten und Anleihen würde mich Eure Meinung interessieren. Denn auch wenn es mir damals im Verkaufsgespräch so vorgekommen ist, dass ich grundsätzlich den Sinn der Produkte verstanden hätte und mir der Kauf vernünftig erschien: So wirklich blicke ich nicht durch, was ich mir da eigentlich gekauft habe.


    Die Frage ist nun, ob ich die Zertifikate und Anleihen einfach sofort verkaufen soll oder ob es Sinn ergibt, das Ende der Laufzeit oder aber einen Bewertungstag abzuwarten.


    Wenn jemand von Euch Ahnung von der Materie hat, wäre ich dankbar für ein Feedback.


    Konkret geht es um folgende Wertpapiere:


    3,800% DZ BANK AG DEUT.ZENTRAL-GEN. MTN-IHS A.2345 V.23, DE000DJ9ABR8

    DZ BANK AG DEUT.ZENTRAL-GEN. ZINSFIX ST 1 24/27 12.01.2027, DE000DJ5YVY0

    DZ BANK AG DEUT.ZENTRAL-GEN. RENDITE EXPRESS ING 24/30, DE000DJ5RNW5

    DZ BANK AG DEUT.ZENTRAL-GEN.REND EXP SD ST FRE 07 20/27, DE000DGE2SU9

    DZ BANK AG DEUT.ZENTRAL-GEN.REND EXP SD ST AXA 04 23/29, DE000DJ0BYK2


    Mein Ziel ist es übrigens relativ zügig den risikobehaften Teil meines Portfolios mit einem ETF wie dem FSTE All World abzudecken.


    Viele Grüße Christian

  • Hallo zusammen,

    hier eine kleiner Einstieg.

    Zertifikate
    Zertifikate eignen sich nur für erfahrene Anleger
    www.finanztip.de

    Alternativ wäre ein Geldmarkt ETF für den Sicherheitsbaustein.

    Diese sind deutlich günstiger und einfacher zu verstehen bzw. zu handhaben.

    Genau ohne weltweiten ETF wird es schwer. Wenn langfristig investiert, gute Richtung.

    LG

  • Hallo,


    Insbesondere zu den Zertifikaten und Anleihen würde mich Eure Meinung interessieren. Denn auch wenn es mir damals im Verkaufsgespräch so vorgekommen ist, dass ich grundsätzlich den Sinn der Produkte verstanden hätte und mir der Kauf vernünftig erschien: So wirklich blicke ich nicht durch, was ich mir da eigentlich gekauft habe.


    Die Frage ist nun, ob ich die Zertifikate und Anleihen einfach sofort verkaufen soll oder ob es Sinn ergibt, das Ende der Laufzeit oder aber einen Bewertungstag abzuwarten.


    Oha, Express-Zertifikate...

    Also, hätte ich mir auch nur eines von den Zertifikaten gekauft? Kurze Antwort: Nein.


    Du wettest entweder auf einen kurzfristigen Kursanstieg und dein Zertifikat wird sofort "eingelöst" (über Markrendite). Oder aber du hoffst, dass du nicht unter die Ausübungsschwelle rutschst und bekommst einen Coupon unter Markt. Du partizipierst nicht an der Marktbewegung. Du bekommst auch keine Dividenden. Fällst du unter die Schwelle, zum Laufzeitende, dann wird das Zertifikat ausgeführt und du realisierst diesen Verlust. Als Besitzer der Aktie wartest du einfach. Wann genau ergeben diese Zertifikate Sinn? Naja - bei schwach-volatilen Indizes, wenn man eine Fixe Auszahlung braucht.


    Bei Aktien? Naja, schau dir dein Fresenius-Zertifikat an. Du hast die erste Schwelle schon gerissen, also kannst du nichts mehr vorzeitig ausüben. Wenn die Aktie weiter fällt, ist das 1:1 ein Verlust.


    Die Dinger sind so konstruiert, dass die Bank gewinnt und du praktisch keine Marktrendite erhältst. Also was genau ist der Sinn von dem Ganzen?

  • Zunächst generell: Die Bank verkauft diese Produkte, da eine gute Provision eingerechnet ist. Diese "Abschlussgebühr" hast Du bereits bezahlt (die Höhe stand im BIB) und ist weg. Vermeiden kannst Du das nur, indem Du solche Produkte nicht kaufst.


    Jetzt kannst Du nur nach vorne schauen. Vorteil ist, dass Du die Produkte jederzeit zum Geldkurs verkaufen kannst. Du bleibst also jederzeit liquide. Jedoch ist der Geldkurs immer unter dem FairValue, d.h. bei einem vorzeitigem Verkauf zahlst Du erneut Kosten. Daher halte ich die Reaktion "alles Mist, alles raus" für voreilig. Oft ist durchhalten günstiger. Voraussetzung ist, Du verstehst das Produkt und stehst weiter hinter der Strategie.

    Die Dinger sind so konstruiert, dass die Bank gewinnt und du praktisch keine Marktrendite erhältst.

    Das ist ein weit verbreiteter Irrtum!!! Die Bank will keine Spekulation und daher gibt es keine Wette gegen die Bank! Die Bank sichert alle Risiken am Derivatemarkt ab. Das Ergebnis für die Bank steht also bei der Emission bereits fest, eben die Provisionen. Danach hofft sie, dass das Produkt gut für Dich läuft, denn nur dann wirst Du weitere Produkte kaufen und neue Provisionen für die Bank generieren.



    DE000DJ9ABR8: Das ist zunächst eine normale Anleihe. Die Bank hat nur ein zusätzliches, jährliches Kündigungsrecht. Dafür hast Du einen etwas höheren Kupon erhalten. Würde ich nicht verkaufen. Kann gut sein, dass die Anleihe sowieso im Dezember zu 100% zurückgezahlt wird, da inzwischen die Zinsen etwas gefallen sind.


    DE000DJ5YVY0: Eine Aktienanleihe auf den EuroStoxx 50. Obwohl erst kürzlich emittiert und der Index gestiegen ist, notiert das Papier leicht unter pari. Das liegt eben an den (hier ca. 1,4%) Provisionen. Ein Problem hast Du, wenn der Index unter 2.901,2815 fällt (das ist immerhin sehr tief). Dann bekommst Du einen ETF auf diesen Index geliefert und hast die gleichen Risiken, wie ein ETF-Anleger. Umgekehrt sind Deine Chancen bei 4,2% p.a. gedeckelt. Jedoch auch, wenn sich der Index seitwärts bewegt.


    Die anderen Produkte sind Expresszertifikate auf Einzelaktien. Kann man machen, wenn man von den Basiswerten insoweit überzeugt ist, dass man einen stärkeren Kursrückgang für unwahrscheinlich hält. Ich hoffe, Du hast Dich mit den Basiswerten gut beschäftigt und machst das weiterhin.

    Im Schnitt werden fast 50% der Expresszertifikate nach einem Jahr mit Gewinn vorzeitig zurückgezahlt. Von den länger laufenden Produkten enden recht wenige mit Verlust (ich meine ca. 20%), der kann aber empfindlich sein.

  • Das ist ein weit verbreiteter Irrtum!!! Die Bank will keine Spekulation und daher gibt es keine Wette gegen die Bank! Die Bank sichert alle Risiken am Derivatemarkt ab. Das Ergebnis für die Bank steht also bei der Emission bereits fest, eben die Provisionen. Danach hofft sie, dass das Produkt gut für Dich läuft, denn nur dann wirst Du weitere Produkte kaufen und neue Provisionen für die Bank generieren.

    Was soll daran ein Irrtum sein? Ja, die Bank hat sich abgesichert. Du hast als Anleger deine Rendite nach oben hin beschränkt. Ergo investierst du hier in ein Produkt, dass auf das Kreditinstitut und nicht auf den Verbraucher zugeschnitten ist.

    Von einer Kasino-Wette war hier nicht die Rede.

  • Vielen Dank für Euer Feedback – insbesondere für die sehr differenzierte Sichtweise von Hornie. Obwohl oder gerade weil ich tatsächlich derzeit vom Gefühl her am liebsten nach dem Prinzip „alles Mist, alles raus“ reagieren würde – irgendwo habe ich gelesen, man sollte nur Sachen im Depot haben, die man selber auch versteht - und das tue ich leider nicht wirklich. Das ich mir den Kram gekauft habe, war ein schwerer Fehler - das ist klar. Unklar ist mir, wie ich das Zeug am besten wieder loswerde oder ob es in einigen Fällen sogar sinnvoller ist, manches trotzdem (vorerst?) zu behalten.


    Eine Verständnisfrage: Ich muss also davon ausgehen, dass wenn ich jetzt die Wertpapiere einfach verkaufe, ich noch zusätzlich zu der bereits bezahlten Provision in jedem Fall noch zusätzlich einen Verlust in Form des „Fair Value Gaps“ zu tragen habe? Weiß jemand, wie man diesen herausbekommen kann, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben?


    LG

  • Moin Chrisedgar724 ,


    hast du ein Beratungsprotokoll oder ähnliches beim Verkauf der Produkte erhalten?


    Wurdest du da ordentlich aufgeklärt und dir alle Produktdetails hinreichend erklärt?


    Solltest du kein Beratungsprotokoll unterschrieben haben müsstest du mal mit deiner Bank verhandeln wie du da wieder rauskommst und vielleicht mal den Ombudsmann einschalten.


    Service - Kundenbeschwerdestelle - BVR - Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken


    Wahrscheinlich hast du aber irgendeinen Wisch mit unterschrieben und wirst dich wohl oder übel mal selbst mit deinen Finanzprodukten auseinander setzten müssen.


    Viel Erfolg bei deinen zukünftigen Finanzentscheidungen.

  • Vielen Dank für Euer Feedback – insbesondere für die sehr differenzierte Sichtweise von Hornie. Obwohl oder gerade weil ich tatsächlich derzeit vom Gefühl her am liebsten nach dem Prinzip „alles Mist, alles raus“ reagieren würde – irgendwo habe ich gelesen, man sollte nur Sachen im Depot haben, die man selber auch versteht - und das tue ich leider nicht wirklich. Das ich mir den Kram gekauft habe, war ein schwerer Fehler - das ist klar. Unklar ist mir, wie ich das Zeug am besten wieder loswerde oder ob es in einigen Fällen sogar sinnvoller ist, manches trotzdem (vorerst?) zu behalten.

    Die Entscheidung kann Dir keiner abnehmen.



    Eine Verständnisfrage: Ich muss also davon ausgehen, dass wenn ich jetzt die Wertpapiere einfach verkaufe, ich noch zusätzlich zu der bereits bezahlten Provision in jedem Fall noch zusätzlich einen Verlust in Form des „Fair Value Gaps“ zu tragen habe? Weiß jemand, wie man diesen herausbekommen kann, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben?

    Die Zertifikate sind ja alle börsennotiert, sprich Du kennst den aktuellen Kurs und kannst im Vergleich mit dem Einstandskurs (+AA) berechnen, was Du bei einem zeitnahen Verkauf ungefähr heraus bekommst.


    Wichtig dabei: Lies Dich etwas in die Sunk Cost Fallacy ein. Mit dem Wissen wird das "Verkaufen trotz Verlust" deutlich leichter. Zusätzlich wäre es noch gut, sich die zu erwartenden Renditen eines weltweit gestreuten Aktienportfolios in Erinnerung zu rufen und die eigene Risikoklasse zu bestimmen (sprich wie viel Aktien bzw wie viel festverzinsliche Anlagen möchte man)

  • Wurdest du da ordentlich aufgeklärt und dir alle Produktdetails hinreichend erklärt?


    Solltest du kein Beratungsprotokoll unterschrieben haben müsstest du mal mit deiner Bank verhandeln wie du da wieder rauskommst und vielleicht mal den Ombudsmann einschalten.

    Das Beratungsprotokoll und das Basisinformationsblatt wird ausgehändigt. Manche Banken lassen sich das vom Kunden unterschreiben, das ist aber nicht notwendig.


    Die Banken sind sehr stark reguliert. Frage einen Autohändler, wieviel er verdient, wenn Du ein Auto bei ihm kaufst. Du wirst keine brauchbare Antwort erhalten. Das geht bei diesem Geschäft nicht. Du musst über alles aufgeklärt werden und inzwischen halten sich die Banken an die Vorgaben. Das einzige Problem ist, dass kaum ein Kunde die Unterlagen studiert. Das ist aber ein Problem des Kunden, nicht der Bank.

    Eine Verständnisfrage: Ich muss also davon ausgehen, dass wenn ich jetzt die Wertpapiere einfach verkaufe, ich noch zusätzlich zu der bereits bezahlten Provision in jedem Fall noch zusätzlich einen Verlust in Form des „Fair Value Gaps“ zu tragen habe? Weiß jemand, wie man diesen herausbekommen kann, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben?

    Wenn Du ein Zertifikat verkauft, bekommst Du vorher eine ex-ante-Kostenschätzung für die Order. Dort findest Du

    a) die Ordergebühren für deine Bank/Broker, also deren Dienstleisterkosten und

    b) die Produktkosten. Diese werden i.d.R. mir 50% der Geld-Brief-Spanne geschätzt. Das passt, wenn der Emittent seine Geld-Brief-Kurse gleichmäßig um den FairValue stellt (Beispiel: FV ist 98,60% und der Emittent stellt 97,60% zu 99,60%).

    Das ist aber nicht immer so der Fall. Oft stellt der Emittent nach unten verschoben (z.B. 96,80% zu 98,80% bei FV=98,60%), da er kein Interesse an Rückflüssen hat.

    In den Ex-post-Kostenaufstellungen, die Du hinterher bekommst (meist quartalsweise), sollte es dann genau stehen.