Fondsgebundene Rentenversicherung fortführen versus ETF besparen

  • Liebe Foristinnen und Foristen,


    nun stehe auch ich vor der klassischsten aller Fragen, so alt wie die Menschheit selbst: Soll ich meine fondsgebundene Rentenversicherung fortführen, oder den bis dato erreichten Rückkaufwert nehmen und selber anlegen?


    Zu den Eckdaten:


    Es handelt sich um eine seit Oktober 2000 laufende fondsgebundene Rentenversicherung ("Wertpapier-Plus-Rente") der Zurich im Tarif B621.


    Die Aufschubzeit beträgt 38 Jahre, d.h. die Rentenzahlungen beginnen im Oktober 2038, ich werde dann 60 Jahre alt sein.


    Der Vertrag garantiert eine Monatsrente i.H.v. 31,56 Euro je 10.000 Euro Vertragsguthaben.


    Die Beiträge sind mit 5% pro Jahr dynamisiert — ich habe im Jahr 2.000 mit ca. 50,- Euro monatlichem Beitrag angefangen, und liege aktuell bei rund 167 Euro Monatsbeitrag.


    Insgesamt habe ich so über die Jahre ca. 29.000 Euro an Beiträgen bezahlt.


    Dem gegenüber steht ein aktueller Rückkaufwert von rund 50.000 Euro, was natürlich erst mal ganz erfreulich ist.


    Die Hochrechnung der Zurich behauptet, dass bei unveränderter Fortführung und einer Fonds-Wertentwicklung von 4% (6%) p.a. im Jahr 2038 ein Vertragswert von rund 110.000 (141.000) Euro vorliegen wird, und somit eine monatliche Rente von 345 (443) Euro ausbezahlt werden kann.


    Weitere Annahmen: Da der Vertrag vor 2005 geschlossen wurde, müssten nach meinem Verständnis sämtliche Auszahlungen (sei es Rückkaufwert jetzt oder später, oder Rentenzahlungen später) komplett steuerfrei sein. Neben diesem Datum sind nach meinem Verständnis noch die Attribute "vereinbarte Mindestlaufzeit 12 Jahre" und "vereinbarte Beitragszahlung von mindestens 5 Jahre" relevant — da der Vertrag bereits deutlich länger läuft und ich immer brav die Beiträge bezahlt habe, erlaube ich mir von dieser völligen Steuerfreiheit auszugehen.


    PS: Der Widerrufsjoker ist bei diesem Vertrag nicht möglich, dies habe ich bereits vor Gericht klären lassen.



    Nun zur eigentlichen Gretchenfrage.


    Wie so viele andere auch, habe ich in den vergangenen Jahren immer stärker den Weg eingeschlagen, finanzielle Themen in die eigene Hand zu nehmen. Der zentrale Baustein meiner Altersvorsorge ist daher mittlerweile ein Aktiendepot mit wenigen sehr breit gestreuten, kostengünstigen, thesaurierenden ETFs, die ich noch mindestens 15 Jahre halten kann und werde.


    Da erscheint die Möglichkeit einer weiteren "lump sum" Besparung dieser ETFs natürlich erst einmal sehr verlockend.


    Kippe ich in https://www.zinsen-berechnen.de/sparrechner.php die folgenden Werte:


    Anfangskapital: 50.000 Euro (Startwert ETFs dank Rückkaufwert)


    Sparrate: 167 Euro monatlich (analog zu Monatsbeitrag Versicherung)


    Dynamik Sparrate: 5% jährlich (analog zu Dynamik Versicherung)


    Zinssatz: 5% (was halt üblicherweise an Rendite bei ETFs mit Laufzeit > 10 Jahren angenommen wird)


    Ansparzeit: 15 Jahre (analog zu Restlaufzeit Vertrag)



    dann komme ich auf ein Endkapital i.H.v. 165.000 Euro, schlage also selbst die 6% Hochrechnung der Zurich um rund 24.000 Euro.


    Die monatliche Rente i.H.v 443 Euro kann ich mir damit dann selber 31 Jahre, also bis zum Alter von 91 Jahren, auszahlen.


    Aber halt, ETF-Gewinne muss ich ja versteuern. Ich habe der Einfachheit halber mal die 50.000 und die 165.000 in https://www.justetf.com/de/etf-steuerrechner.html gekippt, und komme dabei auf Steuern i.H.v. 21.231 Euro.


    Verbleibt ein Kapital von rund 143.000 Euro, also mehr oder weniger das was im 6% Szenario der Zurich am Ende rauskommt.


    Würde immer noch für 27 Jahre Rente (bis zum Alter von 87 Jahren) reichen.


    Es stellen sich die üblichen Fragen: Übersehe ich was? Mache ich Rechen- oder Logikfehler? Vergleiche ich Äpfel mit Birnen?


    Und natürlich: Was würdet ihr tun, was würdet ihr mir raten?

  • Soll ich meine fondsgebundene Rentenversicherung fortführen oder den bis dato erreichten Rückkaufwert nehmen und selber anlegen?

    Klare Antwort: Das kommt darauf an! :)

    Es handelt sich um eine seit Oktober 2000 laufende fondsgebundene Rentenversicherung ("Wertpapier-Plus-Rente") der Zurich im Tarif B621.

    Die Aufschubzeit beträgt 38 Jahre, d.h. die Rentenzahlungen beginnen im Oktober 2038, ich werde dann 60 Jahre alt sein.


    Der Vertrag garantiert eine Monatsrente i.H.v. 31,56 Euro je 10.000 Euro Vertragsguthaben.

    Wenn Du an Deinem 60. Geburtstag 10.000 € unter Deine Matratze legtest und dann jeden Monat 31,56 € wegnähmest, würde das Geld 316 Monate reichen (oder 26,4 Jahre). Das Geld wäre also aus, wenn Du etwa 86,4 Jahre alt wärest. Das ist einigermaßen die durchschnittliche fernere Lebenserwartung für einen männlichen Akademiker.

    Die Beiträge sind mit 5% pro Jahr dynamisiert — ich habe im Jahr 2.000 mit ca. 50,- Euro monatlichem Beitrag angefangen, und liege aktuell bei rund 167 Euro Monatsbeitrag.

    Ich würde mir überlegen, die Dynamik herauszunehmen. Sie bringt dem Finanzprodukteverkäufer jedes Jahr eine neue Vertriebsprovision.


    Andererseits: Wenn Du von diesem Anlageinstrument überzeugt bist, könntest Du sie auch drinlassen, weil Du so jedes Jahr mehr Geld dort hineinsparst.


    Ich weiß nicht im Detail, welche Änderungen am Vertrag die Steuerfreiheit gefährden würden, meines Wissens die Herausnahme der Dynamik nicht, eine spätere Wiederaufnahme aber wohl. Wenns mein Vertrag wäre, würde ich das genau prüfen, bevor ich etwas änderte.

    Insgesamt habe ich so über die Jahre ca. 29.000 Euro an Beiträgen bezahlt.

    Es ist allgemein üblich, Zahlungen über Jahre und Jahrzehnte einfach zu addieren. Sachgerecht ist das nicht. Du müßtest mit Barwerten rechnen.

    Dem gegenüber steht ein aktueller Rückkaufwert von rund 50.000 Euro, was natürlich erst mal ganz erfreulich ist.

    Man müßte ausrechnen, was eine parallele Anlage gebracht hätte. Stichwort: Interner Zinsfuß.

    Die Hochrechnung der Zurich behauptet, dass bei unveränderter Fortführung und einer Fonds-Wertentwicklung von 4% (6%) p.a. im Jahr 2038 ein Vertragswert von rund 110.000 (141.000) Euro vorliegen wird, und somit eine monatliche Rente von 345 (443) Euro ausbezahlt werden kann.

    Prognosen sind immer schwierig, vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen.

    Weitere Annahmen: Da der Vertrag vor 2005 geschlossen wurde, müssten nach meinem Verständnis sämtliche Auszahlungen (sei es Rückkaufwert jetzt oder später, oder Rentenzahlungen später) komplett steuerfrei sein. Neben diesem Datum sind nach meinem Verständnis noch die Attribute "vereinbarte Mindestlaufzeit 12 Jahre" und "vereinbarte Beitragszahlung von mindestens 5 Jahre" relevant — da der Vertrag bereits deutlich länger läuft und ich immer brav die Beiträge bezahlt habe, erlaube ich mir von dieser völligen Steuerfreiheit auszugehen.

    Das solltest Du besser nicht. Vermutlich wäre die Kapitalauszahlung steuerfrei, die Verrentung würde mit dem sog. Ertragsanteil besteuert.

    Was würdet ihr mir raten?

    Natürlich nichts, denn die Entscheidung ist schließlich Deine Sache.


    Was Du oben schreibst, sieht für mich schlüssig aus, aber ich habe natürlich keine Kristallkugel. Ich würde bei meinem Vertrag prüfen, ob ich die Dynamik herausnehmen könnte. Andererseits sind 150 €/m so viel auch wieder nicht (selbst, wenn sie in den kommenden 14 Jahren 300 €/m werden). Du wirst nebenher auch noch etwas anderes besparen müssen.


    Am Ende (oder in der Mitte?) würde ich nicht die Rente, sondern die Kapitalauszahlung wählen.


    Your mileage may vary. :)

  • Es stellen sich die üblichen Fragen: Übersehe ich was? Mache ich Rechen- oder Logikfehler? Vergleiche ich Äpfel mit Birnen?

    Ganz abseits der Zahlen: Wenn Du die Versicherung kündigst und den Rückkaufswert selbst anlegst, gewinnst Du vor allem Flexibilität! Wer weiß, was Dich die nächsten 14 Jahre bis 2038 noch erwartet? Vielleicht bekommst Du eine unschöne Krankheitsdiagnose (ich wünsche es Dir natürlich nicht, aber man weiß ja nie) und willst das Geld oder einen Teil davon lieber einfach ausgeben, für Therapien, behindertengerechte Umbauten usw... verwenden? Vielleicht ändern sich sonstige Lebensumstände oder -aussichten?

  • Ganz abseits der Zahlen: Wenn Du die Versicherung kündigst und den Rückkaufswert selbst anlegst, gewinnst Du vor allem Flexibilität! Wer weiß, was Dich die nächsten 14 Jahre bis 2038 noch erwartet? Vielleicht bekommst Du eine unschöne Krankheitsdiagnose (ich wünsche es Dir natürlich nicht, aber man weiß ja nie) und willst das Geld oder einen Teil davon lieber einfach ausgeben, für Therapien, behindertengerechte Umbauten usw... verwenden? Vielleicht ändern sich sonstige Lebensumstände oder -aussichten?

    Das ist durchaus ein Aspekt, aber ich glaube, gar kein so sehr entscheidender; denn ein Rückkauf der Versicherung ist ja ebenfalls jederzeit möglich.


    Vermutlich dauert es zwar ein paar Tage bis man das Geld auf dem Konto hat — da ist ein ETF Verkauf zwar sicherlich schneller, aber für echte Notfälle mit ganz kurzfristigem Liquiditätsbedarf gibt es andere Geldtöpfe.

  • Einfach ein paar weitere Gedanken

    - bist du auf die Zusatzrente angewiesen bzw. bietet sie dir einen persönlichen Mehrwert?


    Besteht die Gefahr, dass du einen ETF Sparplan eventuell schneller "angreifst" und z.B. für Konsum verwendest?


    Ich würde zumindest die Dynamik schon einmal rausnehmen. Ist vielleicht schon einmal ein erster Schritt.


    Wenn du mit einer baldigen Korrektur rechnest, kannst du dann auch einfach mal warten und ggf. dann immer noch kündigen und neu investieren

    Stichwort: weniger Steuer

  • Aber halt, ETF-Gewinne muss ich ja versteuern. Ich habe der Einfachheit halber mal die 50.000 und die 165.000 in https://www.justetf.com/de/etf-steuerrechner.html gekippt, und komme dabei auf Steuern i.H.v. 21.231 Euro.

    Zunächst mal ist die Einzahlung in den ETF steuerfrei. Es muss nur der Gewinn aus dem ETF besteuert werden.

    Die 50.000 aus Deiner Versicherung sollten steuerfrei sein, ebenso Deine Einzahlungen.

    Ich habe das mal bei zunsen berechnen eingegeben.

    Fondsrechner zum Fondssparen (zinsen-berechnen.de)


    Demnach fällt ein Gewinn von 67.000€ an. Auf diese fällt dann Kapitalertragssteuer von aktuell min. 26,375% an. Dabei muss die Teilfreistellung bei einem Aktienfonds berücksichtigt werden (30%), so dass der Steuersatz effektiv bei min. 18,4625% liegt.

    Bei 67.000 Euro Gewinn fallen also 12.370€ Steuer an.


    Zur Berücksichtigen wäre auch, dass in der Ansparzeit jährlich der Sparerfreibetrag genutzt werden kann (1.000€ p.a.).

    Verbleibt ein Kapital von rund 143.000 Euro, also mehr oder weniger das was im 6% Szenario der Zurich am Ende rauskommt.


    Würde immer noch für 27 Jahre Rente (bis zum Alter von 87 Jahren) reichen.


    Es stellen sich die üblichen Fragen: Übersehe ich was? Mache ich Rechen- oder Logikfehler? Vergleiche ich Äpfel mit Birnen?

    Ja, das ist m.E. Alles eine Milchmädchenrechnung.

    Du rechnest mit einer Rente von 443€. Dabei berücksichtigt Du aber nicht die Inflation!

    Wenn Du also mit 67 in Rente gehst hast Du Deine 443€/Monat und kannst Dir davon etwas kaufen.

    Mit 77 wirst Du dann aber von 443€ weniger kaufen können.

    Mit 87 dann nochmal weniger.

    Die Inflation wird im allgemeinen unterschätz!


    Es geht also nach Möglichkeit darum das Geld an die Inflation angepasst zu 'verrenten'.

    Beschäftige Dich mal mit Entnahmeplänen aus einem ETF-Depot.

    Und natürlich: Was würdet ihr tun, was würdet ihr mir raten?


    Beschäftige Dich mit Entnahmeplänen!

    Und dann entscheide ob das was für Dich ist. Die m.E. umfangreichste Seite zu Entnahmestrategien auf Deutsch ist der Blog von Georg Wieninger: https://www.finanzen-erklaert.…egory/entnahmestrategien/


    Dabei sollte man auch immer die Gesamtsituation betrachten. Du betrachtest jetzt nur Deine private Rentenversicherung.

    Was kommt später sonst noch so rein (Rente, Pension, betriebliche AV, Mieteinnahmen, usw.)