Ethische Grenzen der Geldanlage

  • Vielen Dank für das Aufgreifen dieser Punkte.

    Ich hatte "kaum" eine Chance geschrieben, was die Hauptversammlungen angeht.

    Ich war in den 90er Jahren auf HV von Hoechst AG und Deutsche Bank, da ging es durch die sogenannten "Kritischen Aktionäre" teilweise ganz schon rund, bei der Bank aufgrund von Investitionen in Südafrika (Apartheid) und bei Hoechst wegen der Mainverschmutzung und der Produktion der ozonschichtschädigenden Gase und Kühlmittel.

  • Finanzen hat bei mir nichts mit Ethik zu tun, da geht’s mir um Rendite.
    Ganz einfach und ehrlich.

    Selbst wenn ich hier ethisch kommen wollte, dann verzichte ich nicht nur auf Rendite sondern muss mir viele schwierige Fragen stellen, was genau ich darunter verstehe, wo ich die Grenzen ziehe und selbst auswählen und mich mit allen Firmen beschäftigen. Ja es gibt entsprechende ETFs aber passt deren ethische Auswahl dann zu meinem Ethik Empfinden und will ich dafür einen Aufpreis zahlen?


    Bei meinen Einzelaktien achte ich allerdings darauf. Ich hab mir mit Absicht keine Rheinmetall Aktien gekauft und bin auch bei Coca Cola nicht eingestiegen. Wirklich extra und proaktiv in Waffen und Zuckerwasser zu investieren muss dann doch nicht sein.

  • Zum jetzigen Zeitpunkt, nur als Zuspitzung bzw Polarisierung gedacht, wie weit könnte zum Beispiel die USA eine Diktatur werden, ohne daß es euch bei euren Investitionen juckt?

    Man kann sich natürlich Gedanken über die regionale Diversifikation und insbesondere aktuell den USA-Anteile im Portfolio machen. Die postet man dann in irgendwelchen (a)sozialen Meta-Netzwerken, übers neueste Endgerät von Apple, dass einem von Amazon an die Haustür gebracht wurde, und trinkt dazu ne Pepsi. Ja, die USA sind schon schlimm...

    Man kann auch jeden Tag zweieinhalb Kilo Kartoffelsalat futtern und sich einreden, das für Seelenheil und Weltfrieden zu tun. Die Auswirkungen auf die globalen Geschehnisse sind ähnlich wie die, wenn man sich für ex-USA oder ESG oder ähnliche ETF-Spielereien entscheidet. Wer das will, solls halt tun. Bei der Geldanlage muss auch ein Wohlfühlfaktor dabei sein, damit es vernünftig funktioniert. Basiert dieses Wohlfühlen auf Quatsch, ist das eben so.

  • Man kann auch jeden Tag zweieinhalb Kilo Kartoffelsalat futtern und sich einreden, das für Seelenheil und Weltfrieden zu tun. Die Auswirkungen auf die globalen Geschehnisse sind ähnlich wie die, wenn man sich für ex-USA oder ESG oder ähnliche ETF-Spielereien entscheidet. Wer das will, solls halt tun. Bei der Geldanlage muss auch ein Wohlfühlfaktor dabei sein, damit es vernünftig funktioniert. Basiert dieses Wohlfühlen auf Quatsch, ist das eben so.

    Okay, anscheinend habe ich es noch nicht ausreichend zugespitzt.

    Etwas härter und konkreter: Hättest du 1944 in IG-Farben (Bayer,Hoechst, BASF, Degussa) mit dem Wissen um deren Taten, Produkte, Auswirkungen, investiert? Wenn Das Deutsche Reich im MSCI World gewesen wäre und du zu faul oder zu scharf auf exakt diese Rendite wärst?

  • Als Privatperson kannst du zur Polizei gehen und für deren Arbeit ist es wichtig, dass jeder ein komplettes Arsenal zu Hause hat.

    Fehlt da eventuell ein "nicht" zwischen dem "dass" und dem "jeder" ... ?

    Waffen, insbesondere Kriegswaffen, in Privatbesitz untergraben das staatliche Gewaltmonopol ...

    Eine Pistole oder einen Revolver im Privatbesitz (darauf bezog sich Nr. 17) wird sich nur schwerlich oder eher gar nicht unter "Kriegswaffen" subsumieren lassen.

    ... das ja eben dazu dient, das Recht des Stärkeren zu verhindern und durch rechtsstaatliche Prozesse zu ersetzen.

    Dem ist fraglos so - jedenfalls so lange der Staat selbst ausreichend für die sog. "innere Sicherheit" sorgt.

    Dagegen gibt es keine Weltpolizei

    In der Rolle ("Weltpolizist") dürften sich die USA früher vermutlich gesehen haben - aus welchen Gründen auch immer (Aufwand, Kosten, Stimmungslage in der Bevölkerung, Kosten/Nutzenabwägung usw.) hat sich das schon lange geändert.

    Schon die Obama-Administration und insbesondere auch die Biden-Administration hatte einen anderen und neuen Fokus samt neuer strategischer Ausrichtung (siehe auch Strategiedokumente der letzten Jahre wie "National Security Strategy" (NSS) und "National Defense Strategy" (NDS)): Anstatt einem Fokus Richtung Europa/EU und Russland - nunmehr einen eindeutigen Fokus Richtung Indo-Pazifik.

    Die zwischenstaatliche Ordnung ist - de facto - auf das Recht des Stärkeren reduziert, wobei Stärke hier nicht nur militärisch zu sehen ist, auch wirtschaftlich lässt sich Druck ausüben.

    Würde ich im Sinne einer "Conditio sine qua non" aber nicht als Alternativen sehen - sondern als kumulative Voraussetzungen.

    Im besten Fall verfügt man als Land nämlich sowohl über das eine (Wettbewerbsfähigkeit und damit wirtschaftliche Stärke) als auch über das andere (militärische Power).

    Eine (noch jedenfalls) vorhandene wirtschaftliche Stärke hilft kaum bis nahezu nichts bei militärischer Verzwergung - wie die EU in letzter Zeit in praxi mehrfach vorgeführt bekam.

    Und auch eine (zumindest gewisse) militärische Stärke (wenn auch im Bereich der atomaren Bewaffnung nahezu ohne jede strategische Tiefe für abgestuft Maßnahmen) wenig bis nichts bei seit vielen Jahren erodierender Wettbewerbsfähigkeit und einer fraglicher werdenden Tragfähigkeit der nationalen Rekord-Verschuldung - wie Frankreich gerade in praxi erfährt.

    Dazu kommt selbst bei einer nur einseitigen sprich isolierten Betrachtung auf den Bereich "Wirtschaft" und ggf. harte "Sanktionen": Nicht einmal da kann eine Einigkeit unter den 27 (unterschiedlichen) Mitgliedern der EU (mit teilweise sehr unterschiedlichen Interessen) verzeichnet werden ...

    Und dann ist man entweder selbst stark genug oder hat genügend Freunde, um gemeinsam stark zu sein...

    Es wird interessant zu beobachten sein, ob Deutschland und die EU das noch lernen - und entweder für das eine oder das andere sorgen.

  • Hättest du 1944 in IG-Farben (Bayer,Hoechst, BASF, Degussa) mit dem Wissen um deren Taten, Produkte, Auswirkungen, investiert? Wenn Das Deutsche Reich im MSCI World gewesen wäre und du zu faul oder zu scharf auf exakt diese Rendite wärst?

    Ja. Ich bin nur scharf auf Rendite. Wäre ich nicht nur, wenn ich mit meinen Finanzmitteln das vergangene Handeln der Firma XY "honoriere" (was ja schon wieder Quatsch ist), sondern auch wenn, was ich bestreite, ich damit zukünftige Verhalten der Firma wesentlich mitsteuern könnte.

    Wieso investiere ich überhaupt? Weil es eine Absicherung im Alter sein soll. Absicherung im Alter ist auch zumindest teilweise Aufgabe des Staates und der Gesellschaft. Warum hat Staat/Gesellschaft denn alleine nicht die Finanzmittel, mich abzusichern? Weil das Geld auch in Rüstung geht - find ich doof, aber ok, dann versuche ich wenigstens auch ein bisschen davon zu profitieren. Weil das Geld in ungesunde Lebensweisen gesteckt wird - ok, bin Nichtraucher, aber freue mich über jede Dividende der Tabakindustrie. Und so weiter, und so fort... Da bin ich vielleicht egoistisch, aber eben auch realistisch. Wäre das Deutsche Reich anders/gar nicht verlaufen, wenn ich damals im MSCI World darin verstrickt gewesen wäre? Nö. Würden sich die USA aktuell anders entwickeln, hätte ich keinen ~50%-Anteil (Pseudo-Anteil...) USA im Depot? Nein. Meine Investments sind für diese Dinge völlig irrelevant. Selbst wenn man es mit den ganzen Millionendepots der anderen Forennutzer hier addieren würde, juckt das keinen Trump, keinen Putin, keinen Xi Jinping oder sonstwen. Kein Wahlrecht ändert sich, kein Wahlverhalten in den Ländern wird sich davon beeinflussen lassen.

    Sich das Gegenteil einzureden, ist irgendwie doch auch eine Art von Faulheit, oder? Wer die USA meiden will, müsste sich auch den ex-USA-ETF mal anschauen, wie stark die angeblichen Nicht-USA-Unternehmen in ihren Bilanzen dann doch wieder dort verwurzelt sind. Wer meint, "SRI" (Socially Responsible Investment) wäre ein erstrebenswertes Merkmal seines ETFs, muss sich die Frage stellen, wieso der achtgrößte Wert darin doch wieder ein TOP-Softwareanbieter fürs US-Militär sein kann, aber Lockheed Martin mit 0,11% im All-World ist dagegen ein unethisches Investment?

    Kann man überhaupt ethisch begrenzt investieren? Ich glaube wenn man ehrlich ist, nein. Man kann sich nur was einreden, damit der Wohlfühlfaktor zum Investment passt.

  • Als ich 1996 mit Einzelaktien anfing, hat sich mir als absoluter Laie die Thematik erst gar nicht erschlossen. Wichtig war nur Geld zu vermehren und möglichst keinen Verlust zu machen. Damit waren die Platzhirsche Öl, Tabak, Alkohol und Fastfood automatisch gesetzt. Ich habe allerdings zeitgleich Gesundheitsaktien dazugenommen, denn der ungesunde Lebenswandel der Weltbevölkerung ist mir schon damals aufgefallen. Was soll ich sagen, die Taktik ist aufgegangen. Ich habe noch alle Aktien, sitze auf hohen Gewinnen und erfreue mich an deren Dividenden.

    Ich fühle mich nicht für die suboptimale Ernährungsweise der Weltbevölkerung verantwortlich. Übergewichtige US-Amerikaner sind mir schon vor meinen Börseninvestments bei Besuchen in den Staaten aufgefallen. Der Verzicht auf McDonalds und Co hätte nur mein Depot abgemagert, ganz sicher aber nicht den Vormarsch des Übergewichts in der restlichen Welt verhindert.

    Weil dann noch so vorbildliche Institution wie der Vatikan früher ebenfalls in Gas, Öl und Tabak investieren haben, ist das quasi wie ein kirchlicher Ablassbrief.

  • Okay, wir haben da eindeutig unterschiedliche Gedanken.

    Wir arbeiten ja auch mit eindeutig unterschiedlichem Geld, von daher ist das so in Ordnung ;)

    Ich könnte aber darauf wetten: In jedem von dir im Eingangsbeitrag angesprochenen ethisch eingegrenzten ETF, sofern er sagen wir mal mind. eine dreistellige Anzahl an Positionen hat, kann man bei näherem Hinsehen etwas finden, was diesen Grenzen nicht standhält. Von der Schärfe und Sinnhaftigkeit, wie diese Grenzen z.T. vom Anbieter selbst gesetzt wurden (ESG...) und angepasst werden ganz zu schweigen.

    Du fühlst dich mit deinen Investments vielleicht darin wohl, und ich mich eben damit, diese Grenzen ganz bewußt nicht zu ziehen.

  • Ich habe gestern meinen US-Anteil am Gesamtdepot auf 7% gesenkt. Hauptsächlich geschuldet durch 4% Berkshire Hathaway.

    Nein, ich werde weder die Welt noch die gefährdete Demokratie in der USA damit stabilisieren. Aber diese Situation passt mir insgesamt nicht.

    Ich werde noch ein oder zwei Wochen schauen und dann vermutlich meinen Europa Value ETF aufstocken, eventuell Nordic ETF in selber Größe.

  • Das sei dir unbenommen. Aber ich erlaube mir doch, es als weiteres Beispiel zu nehmen: Wer beispielsweise ausschließlich in Berkshire Hathaway investiert wäre, hätte der damit 100% USA im Depot? BH hat in den letzten Monaten ein paar Positionen z.B. japanischer Unternehmen ausgebaut, den nennen wir es mal "internen USA-Anteil" also selber schon etwas gesenkt.

    Europa Value ETF

    Der von ishares? Mit über 5% BAT an der Spitze (die 46% ihrer Umsätze in den USA machen), gefolgt von unserer lieben deutschen Siemens. Die machen gerade nur 24% Umsatz in den USA, aber die ein oder andere Idee von Donald dürfte das trotz Zöllen zukünftig auch wieder anwachsen lassen.

    Nordic ETF

    Angeführt von 11,9% Novo Nordisk. Die machen bislang über 60% des Umsatzes in den USA, seit dem dort die Abnehmspritze Kultstatus hat, leiden aber u.a. darunter, dass Trump beo dem Pharmazöllen auch gerne Richtung Grönland schielt.

    Der Wohlfühlfaktor muss stimmen. Ob die erreichten 7% USA-Anteil wirklich 7% sind, und wie die USA den Rest der Welt(wirtschaft) beeinflussen, ist dabei zweitrangig. Aber man kommt nicht drumherum: Diese 7% stimmen im Leben nicht.