Anschlussfinanzierung: Kredit aufstocken zum Investieren?

  • Hallo,

    in rund vier Jahren (2028) läuft unser Hauskredit aus.

    Bis dato habe ich immer gedacht wir müssten uns dann entweder um eine Anschlussfinanzierung für die Restschuld kümmern oder wir zahlen die Restschuld dann komplett ab.

    Nun habe ich aber auch noch von einer dritten Möglichkeit gehört: das Eigenheim nicht nur zum Wohnen verwenden, sondern als Hebel für den Vermögensaufbau.

    Man nimmt also neue Schulden auf und investiert diese in den breiten Aktienmarkt.

    Das wäre deshalb bedenkenswert, weil es bei Immobiliendarlehen relativ günstige Zinssätze gibt.

    Der Plan dabei wäre, dass man - weitere 10 Jahre gedacht, also 2038 - finanziell besser da steht, als wenn man es nicht gemacht hätte.

    2028 bin ich 45, es wäre also noch genug Zeit die neuen Schulden abzutragen.

    Ist das ein valider Gedankengang? Macht man sowas? Machen die Banken so etwas überhaupt mit?

    Ich hab darüber auch ein Video Interview mit Morgan Housel ("Psychologie des Geldes") gesehen, er meinte rational wäre es sinnvoll, aber psychologisch nicht.

    Hattet ihr solche Gedankengänge, was meint ihr dazu?

  • Letztendlich betreibst du ein Zinsdifferenzgeschäft. Du leihst dir Geld und hoffst, dass du nach Kosten und Steuern mehr Rendite erwirtschaftest. Über den Daumen gepeilt brauchst du gut ein Drittel mehr Rendite als Zins, also bei 3% Zins bräuchtest du gute 4% Rendite. Unter 4,5-5% erwarteter Rendite würde ich das aber nicht anfangen, du willst ja Kompensation für dein Risiko.

    Mit Investition auf Kredit erhöhst du halt dein Risiko. Verlierst du beispielsweise den Job, kannst die Rate nicht mehr begleichen und steht die Börse dann gerade schlecht (in einer Wirtschaftskrise nicht unwahrscheinlich) kannst du damit einen großen Verlust realisieren oder das Haus verlieren.

  • Man nimmt also neue Schulden auf und investiert diese in den breiten Aktienmarkt.

    Das wäre deshalb bedenkenswert, weil es bei Immobiliendarlehen relativ günstige Zinssätze gibt.


    Der Plan dabei wäre, dass man - weitere 10 Jahre gedacht, also 2038 - finanziell besser da steht, als wenn man es nicht gemacht hätte.


    2028 bin ich 45, es wäre also noch genug Zeit die neuen Schulden abzutragen.

    Was machst Du, wenn 2038 ein großer Börsencrash kommt, die auf Pump investierten Gelder bei minus 50% stehen, Du 55 bist, gerade den Job verloren hast und eine weitere Anschlussfinanzierung leider bei 6% Zinsen plus Tilgung liegt?

    Immobiliendarlehen bekommt man aktuell für um die 3,5% Zinsen auf 10 Jahre. Das heißt, Deine alternative Geldanlage müsste vor Steuer mehr als 4,75% bringen, damit sich das rechnet. Du hast keinerlei Garantie, dass auf gerade mal 10 Jahre eine Anlage in einen Welt-ETF überhaupt im Plus ist, geschweige denn mit durchschnittlich mehr als 4,75% pro Jahr.

    Es ist eben ein Zock. Du kannst dabei gewinnen, Du kannst aber auch verlieren. Und die Frage ist, geht es Dir finanziell so gut, dass es am Ende egal ist, wenn Du richtig Minus machst mit der Aktion, oder riskierst Du damit Dein Haus.

    Bis dato habe ich immer gedacht wir müssten uns dann entweder um eine Anschlussfinanzierung für die Restschuld kümmern oder wir zahlen die Restschuld dann komplett ab.

    Wieviel Restschuld werden ihr denn 2028 haben, wieviel werden ihr bis dahin voraussichtlich zum Abzahlen angespart haben, und wie spart ihr das Geld aktuell an?

  • Ich hab darüber auch ein Video Interview mit Morgan Housel ("Psychologie des Geldes") gesehen, er meinte rational wäre es sinnvoll, aber psychologisch nicht.

    Es mag rational sinnvoll sein, wenn wir über einen sehr niedrigen Zinssatz, eine sehr lange Zinsbindungsfrist und über Beträge reden, die auch im worst case nicht ernsthaft wehtun.

    Also Beispiel: Du hast 2020 einen Zinssatz von 1% auf 30 Jahre festgeschrieben und stehst vor der Frage "Sondertilgungen ja oder nein?". Das wäre ein Fall, wo man selbst mit sicheren Anlagen (Festgeld, zeitlich passende Staatsanleihen...) nach Steuern mehr Zinsen erzielt als man mit der Sondertilgung bei 1% Kreditzinsen ersparen würde. Auch da wäre es noch Spekulation, in einen Welt-ETF anzulegen, aber zumindest mit einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite des Welt-ETF auf 30 Jahre die 1% Kreditzinsen schlägt (denn dafür bräuchte man vor Steuer gerade mal 1,35% Rendite).

  • Wieviel Restschuld werden ihr denn 2028 haben, wieviel werden ihr bis dahin voraussichtlich zum Abzahlen angespart haben, und wie spart ihr das Geld aktuell an?

    Ca. 80.000€ Restschuld in 2028, wenn wir bis dahin nichts mehr sondertilgen, wovon ich ausgehe.

    Aktuell spare ich fast alles in ETF, weil ich für die nächsten Jahre keine großen Ausgaben erwarte bzw. plane. Das Haus ist Baujahr 2018, da dürfte erstmal keine Instandhaltung anfallen.

    Zielallokation ist ca. 10% Tagesgeld, 90% Aktien. Meine Partnerin ist da etwas sicherer unterwegs.

    Wir können mindestens 30.000 Eur pro Jahr sparen, d.h. ich könnte zur Not die Sparrate auch noch 2026 umlenken auf sichere Anlagen. Plan ist aber eher riskant weiter zu fahren und 2028 entweder ETFs verkaufen oder eine Anschlussfinanzierung abzuschließen.

    Oder eben noch mehr Risiko zu gehen wie oben beschrieben, also auf die 80k vielleicht nochmal so 50-100k€ draufzulegen (neue Schulden).

  • Nun habe ich aber auch noch von einer dritten Möglichkeit gehört: das Eigenheim nicht nur zum Wohnen verwenden, sondern als Hebel für den Vermögensaufbau.

    Das ist bei Immobilien als reine Kapitalanlage (sprich vermietete Objekte) die eine Sache. Zumal da Schuldzinsen steuerlich relevant sprich absetzbar sind.

    Beim Eigenheim aber aus meiner Sicht eine ganz andere Sache. Zumal da Schuldzinsen steuerlich aus dem Nettoeinkommen zu bezahlen sind. Generell würde ich - ganz persönlich - ein Eigenheim (sprich eine selbst genutzte Immobilie) immer so schnell wie irgend möglich lastenfrei stellen. Schon aus dem Grund heraus, daß ein Eigenheim auch immer (einen mehr oder weniger großen) Anteil an Konsum/Lebensstil darstellt. Konsum bzw. Lebensstil via Kredit liegt nicht auf meiner Linie.

    Wie hier schon von anderen dargestellt ist das zudem ein "Zinsdifferenzgeschäft", ein "Spekulieren via Kredit" bzw. "Zock auf Kredit" - noch dazu mit dem eigenen Zuhause - und hat zudem weitere Voraussetzungen wie einen langfristig festgeschriebenen günstigen Zinssatz.

    Ich hab darüber auch ein Video Interview mit Morgan Housel ("Psychologie des Geldes") gesehen, er meinte rational wäre es sinnvoll

    Den besagten Herrn kenne ich nicht. Klingt aber amerikanisch.

    Nur am Rande: Diese damals gängige Praxis in den USA - bei Hauspreisanstieg und/oder aufgrund von Tilgungen dann "Mortgage upgraden" sprich aufstocken zwecks anderer Ideen (wie Konsum - das "zusätzliche" Geld ging in einen Autokauf beispielsweise) - nahm kein gutes Ende (Stichwort: Aus der Immobilienkrise in den USA wurde eine globale Finanzkrise - sprich via Verbriefung der oftmals nicht werthaltigen Immo-Kredite wurde (fast) die ganze (Finanz)Welt kontaminiert).

    Machen die Banken so etwas überhaupt mit?

    Da habe ich vor dem Hintergrund der EU-Regulatorik (EU-WIKR seit März 2016) gewisse Bedenken in Sachen einer reiner Kapitalbeschaffung zwecks "Hebel für den Vermögensaufbau" via beispielsweise Aktien bzw. Aktien-ETFs.

    Ist das ein valider Gedankengang? Macht man sowas?

    Zweimal eher Nein. Aus meiner Sicht.

    Mein Ansatz (für Otto Normalverbraucher jedenfalls) wäre: Warum nicht das Eigenheim so schnell wie möglich glatt stellen (Schulden tilgen), um dann danach möglichst viel und schnell freie Mittel in eine andere Anlageklasse (wie Aktien) - auch aus Gründen der Diversifikation - zu schieben sprich zu investieren ... ?!

    Da dann die Kreditrate nach der vollständigen Tilgung wegfällt, sollte das umso besser gelingen.