Mentale Gesundheit im Depot - Teil 2

  • Am Anfang noch einmal vielen Dank an dieses Forum. Die Aussage "Du musst Dich mit Deinem Depot auch wohl fühlen" hat mir sehr geholfen, meine Anlagestrategie zu verfeinern. Ich bin 60 Jahre, investiere (leider) erst seit 3 Monaten und habe die berühmten ersten 100K im Depot. Wie vielfach beschrieben, ändern sich damit doch einige Dinge. Ich habe mal einige Gedanken von mir aufgeschrieben und bin auf Eure Gedanken dazu schon sehr gespannt. Klar, zum Schluss muss ich mir meine eigene Meinung bilden :-).

    Mein Anlagezeitraum sind 5-15 Jahre. Etwas mehr Sicherheit gegen etwas weniger Ertrag ist OK für mich. Ertrag brauche ich aber noch, da ich nicht gut investiert war.

    Der erste Gedanke ist, wenn es zu einem Einbruch kommt, um wieviel es runter geht. Ich bin froh darüber, dass in meiner Testphase mit 7K Depotgröße der Trumpsche-Zoll-Einbruch kam. So habe ich da mit kleineren Beträgen auch schon mal etwas lernen können. Theoretisch können ETFs ja auch komplett wertlos werden, die Absicherung brauche ich mental aber nicht. Dazu meine ersten Fragen:


    Mit welchem WorstCase-Szenario rechnet ihr? Ich bin so zwischen -20 und -50%.


    Derzeit denke ich nicht, dass ich mit zunehmendem Alter das Geld in "Sicherheit" bringen muss. Ich denke wenn es crasht kommt es auch irgendwann wieder hoch. Bei meinem sicheren Anteil im Depot denke ich eher an die Zeit, die ich überbrücken will, damit ich nicht ans Depot ran muss. Die Höhe ist auch von anderen Dingen, wie z.B. meinem Einkommen und später von Rentenzahlungen Dritter abhängig. Welchen Zeitraum sichert man da üblicherweise ab? Meine ersten Gedanken liegen zwischen 2 und 5 Jahren.

    Ich denke mit einem Verlust meines Wertzuwachses kann ich besser leben, als mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals. Klar als ich jetzt die ca. 100K investiert habe, ging es die Tage/Wochen danach mal rauf und mal runter. 1% Tages-Volatilität sind halt bei 1000 Euro dann 10 Euro, bei 100.000 Euro halt 1000 Euro. Das muss man sich erst mal bewusst machen. Trotzdem sehe ich nach wenigen Monaten schon, dass es jetzt kaum noch Tage gibt, wo es bei mir ins Minus geht. Meine Denke ist jetzt so, dass wenn ich 100 K eingesetztes Kapitel habe, 50% Wertverlust 50K sind. Ist mein Depot in 2-3 Jahren auf 120K gewachsen, wären es 60K. ...aber 120-60=60, die Differenz zum ursprünglich angelegten Betrag sind nur noch 40K. Ist das eine Milchmädchenrechnung oder könnt Ihr das nachvollziehen?

  • Welchen Zeitraum sichert man da üblicherweise ab? Meine ersten Gedanken liegen zwischen 2 und 5 Jahren.

    Warum schaust Du nicht einfach nach, wie lange es in der Vergangenheit gedauert hat, bis es sich nach einem Crash wieder vollständig erholt hatte? Ab Anfang 2000 waren es ca. 12 Jahre bis man wieder auf Plus-Minus-Null war.

    ... Ist das eine Milchmädchenrechnung oder könnt Ihr das nachvollziehen?

    Ersteres! Du verlierst in beiden Fällen Geld, das Du bereits besessen hast.

    Du solltest Dir auch sonst abgewöhnen, nach Gefühl zu urteilen. Fakten wären besser.

    Gute Gefühle bei der Geldanlage sind auch gut. Aber wenn die Fakten vergessen werden, dauern die guten Gefühle erfahrungsgemäß nicht lange an.

  • In 10 Jahren dürfte sich dein Depot verdoppelt haben(wenn es gut läuft). Dann bist du 70 Jahre alt. Mein Rat: Leb dein Leben heute. Fahr in Urlaub, geh früher in Rente, reduzier deine Arbeitszeit, genieße Zeit mit deinen Liebsten. Wenn man den empfehlenswerten Investitionszeitraum von 15 Jahre. zuGrunde legt, wärst du dann 75. Überleg dir Dinge,die du mit dem heutigen Geld anstellen könntest, aber mit 75 vermutlich nicht mehr.

  • Mit welchem WorstCase-Szenario rechnet ihr? Ich bin so zwischen -20 und -50%.

    Ich halte die Frage für irrelevant. Wichtiger als die Frage, um wieviel der Markt abschmiert, ist die Frage, wie lange es dauert, bis er sich wieder erholt. Sind es nur ein paar Wochen wie bei der Corona-Krise, oder doch mehr als ein Jahrzehnt wie bei der dotcom-Krise? Dies spielt besonders bei deinem Alter eine wesentliche Rolle. wenn nämlich die Zeit zum Aussitzen knapp wird. Bist du in der Rentenphase auf Entnahmen aus dem Depot angewiesen und brechen die Kurse kurz nach Renteneintritt z.B. um 50% ein, um dann einige Jahre zur Erholung zu benötigen, dann hast du ein dickes Problem mit dem Rendite-Reihenfolge-Risiko. Mathematik ist da gnadenlos: fällt der Kurs um 50%, muss er danach um 100% steigen, um seinen Ausgangswert wieder zu erreichen. Entnimmst du währenddessen auch noch aus dem Depot, wirst du immer im roten Bereich bleiben.

    Ich betrachte die Anlage in Wertpapiere als Wette. Das dort investierte Geld benötige ich auch als Rentner nicht. Daher schlafe ich auch nicht schlechter, sollten die Kurse mal deutlich fallen. Anders würde es aussehen, wenn ich diese Mittel im Alter benötigte. Es hat ja seinen Grund, warum empfohlen wird, im Alter auf risikoärmere Anlagen zu gehen. Aber zum Glück steht es jedem frei, zwischen Rendite und gutem Schlaf abzuwägen.

  • Anlagezeitraum sind 5-15 Jahre ... die 15 Jahre sollten Dir da weniger Sorgen machen, eher die Jahre 5-14 ... da die meisten Profis ab 15 Jahre Anlagehorizont davon ausgehen, dass man keine nominellen Verluste erleidet (+/- 0 ... aber eben auch keinen Inflationsausgleich geschafft hat).

    Das Problem mit dem risikoarmen Depotanteil ist halt die mangelnde Rendite. Wenn Du auf Entnahmen daraus aber angewiesen bist in der Rente würde ich eher 5+ Jahre denken, wenn Du auch nur mit der Rente klarkommen würdest, auch weniger.

    Meine Existenz ist auch bei Totalverlust nicht bedroht ... daher werde ich voraussichtlich bei keinem Kursverlust verkaufen müssen, aber der Lebensstandard wäre halt auch dahin und ich würde brav warten bis sich alles erholt hat, habe aber auch 27+ Jahre bis zur Rente.

    Ich denke mit einem Verlust meines Wertzuwachses kann ich besser leben, als mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals.

    Das wird aber wohl hier 100% der Foristen so gehen 8o

  • Schwachzocker ... Hirn ist bei Geldanlage nie verkehrt ... und die Wenigsten werde die Wahl haben ob lieber Totalverlust oder nur Renditeausfall.

    Aber es wird für viele Anleger immer schmerzhaft sein, sein Depot tief in den roten Zahlen zu sehen. Dennoch sollte man die Kraft und das Hirn dafür haben, das auszusitzen.


  • Mit welchem WorstCase-Szenario rechnet ihr? Ich bin so zwischen -20 und -50%.

    Ich halte die Frage für irrelevant. Wichtiger als die Frage, um wieviel der Markt abschmiert, ist die Frage, wie lange es dauert, bis er sich wieder erholt. Sind es nur ein paar Wochen wie bei der Corona-Krise, oder doch mehr als ein Jahrzehnt wie bei der dotcom-Krise?

    20-50% Kursrückgang wäre aus meiner Sicht kein “worst case”, sondern lediglich eine kleine “Korrektur” im Rahmen der üblichen Schwankungen.

    Ich halte die aktuelle Situation für viel gefährlicher als die dotcom-Korrektur 2000 oder die Finanzkrise ab 2008. Ich würde eher die 1930er Jahre im Vergleich anschauen.

    Die Weltlage ist problematisch wie noch nie seit 1945 und gleichzeitig wählen selbst in den westlichen Demokratien immer mehr Menschen demokratiefeindliche und Regeln ablehnende Kräfte.

    Trotz dieser Warnsignale sind die Märkte von ungebremster Euphorie gekennzeichnet - Menschen denken, dass alte Regeln (zB über Kurs-Gewinnverhältnisse, Marktbedingungen, politische und Rechtssicherheit) nicht mehr gelten und verschulden sich, weil sie denken, durch Spekulation auf steigende Kurse noch schneller reich werden zu können. Riesige Vermögenswerte werden in völlig unregulierte Märkte (wie Krypto) bewegt, gegen die die sub-prime mortgages von 2008 wie seriöse Immobilieninvestments wirkten.

    Als “worst case”-Szenario würde ich deshalb eher von einem Crash in Höhe von 80-90% ausgehen, unzähligen Pleiten und Insolvenzen, Schuldenmoratorien und Handelskriegen, wenn nicht noch schlimmerem, sowie einem Zeitraum von mindestens 10-25 Jahren, bis überhaupt wieder stabile politische Verhältnisse und frühere Kursniveaus zumindest nominell erreicht werden können.

    Trotzdem gibt es zu einem breit gestreuten Depot über unterschiedliche Anlageklassen (Aktien, Anleihen, Immos, Gold) keine gute Alternative. Gerade wegen dieser sehr gravierenden Risiken.

  • Meine Depot-Aufteilung mit knapp 62:

    Xtrackers II Germany Government Bond 0-1 20%

    Vanguard LifeStrategy 60% EUR ACC. 34%

    ARERO-Der Weltfonds - EUR ACC. 17%

    Vanguard FTSE All-World USD DIS. 9%

    Xtrackers MSCI World ex USA. 7%

    Global Portfolio One (GPO) - EUR (Acc) 5%

    Berkshire. 4%

    Biontech. 2%

    Cash 2%

    Grob sind das 55% Aktien/45% Anleihen.

    Rückgänge sind dementsprechend nicht so heftig wie bei "der" Börse.

    Bei Sommer- oder Winterschlussverkauf (-20- -60) abgestufte Aufstockung des Aktienanteils bis 100%.

  • Hallo taunide , Danke für die Info. Hast Du einen Plan für die nächsten Jahre, in welchem Umfang Du dieses Verhältnis ändern möchtest?

    Gerne 😊

    Grundsätzlich ist das nur bei Rückgängen geplant, Stand jetzt 😎

    Umschichtung bei Kursrückgängen:

    -50%=100% Aktien (Vanguard World)

    -40%=90%

    -30%=85%

    -25%=75%

    -20%=70%

    -15%=60%

    -10%=55%

    IST= 50%

    Das IST hat sich aufgrund des Rückgangs und damit entsprechend durch den Kauf im April und Mai geändert.