Hallo zusammen,
seit längerem schon lege ich Geld für die Altersvorsorge über zwei "nachhaltige" UBS ETFs zurück, die kürzlich auch hier bei Finanztip empfohlen wurden. Der Artikel von Sara Zinnecker (https://www.finanztip.de/index…/nachhaltige-geldanlagen/) fasst aus meiner Sicht den aktuellen Stand der Dinge gut zusammen, danke dafür auch an dieser Stelle.
Allerdings kommen mir zunehmend Zweifel, die sich vielleicht mit dem Titel dieses Themas ganz gut zusammenfassen lassen: Während auch in diesem Forum immer wieder (zu Recht) darauf hingewiesen wird, dass der Begriff "ethisch" (oder auch "nachhaltig" etc.) sehr unterschiedlich interpretiert werden kann, geht es mir hier mehr um die Frage der Konsequenz bei meiner Anlageentscheidung.
Egal, ob ich vor allem ökologische, soziale oder andere Kriterien (oder auch eine Kombination dieser Gruppen) im Kopf habe, scheinen mir die "nachhaltigen" ETFs alle einen erheblichen Nachteil zu haben: sie führen zwar im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen dazu, dass das angelegte Geld weniger Schaden anrichtet, aber komplett vermeiden tun sie den Schaden nicht, und wirklich "Gutes" tut mein Geld damit erst recht nicht.
Dies hängt zum einen mit dem "Best-in-Class" Prinzip zusammen, den die Indizes (und damit die ETFs) verfolgen. Auch wenn ich weniger dreckige Energie im Porftolio habe: Total steckt eben dorch drin, weil sie unter den Produzenten fossiler Energie anscheinend halt zu den nicht ganz so dreckigen gehören. Auch McDonald's (Plastikmüll) und Nestlé (Grundwasservermarktung in Entwicklungsländern) sind große Firmen in den Fonds. Wirklich nachhaltig sind diese Firmen wohl nicht, aber die ETFs scheinen mir auf dem Prinzip zu basieren: ist ja nur ein Teil des angelegten Geldes, das der Nachhaltigkeit des Wirtschaftsgeschehens schadet.
ETFs mit synthetischer Nachbildung haben zweitens einen zusätzlichen (meiner Meinung nach schwerwiegenden) Nachteil, wenn ich das Prinzip richtig verstehe: die Firmen, in deren Papiere das Fondsvermögen fließt, müssen keineswegs in die (vergleichsweise "guten") Firmen investieren, die im Index abgebildet werden, sondern in irgend ein Portfolio, dass in der Lage ist, die Entwicklung des Index gut nachzuvollziehen. Welche Firmen in diesem Portfolio stecken, scheint mir von den Nachhaltigkeitskriterien nicht abgedeckt zu sein.
Und zum dritten verhalten sich ETFs vollkommen passiv - anders als einige aktiv gemanagte Fonds engagiert sich das Fondsmanagement also nicht zugunsten von nachhaltigen Entscheidungen der investierten Firmen. Als Eigentümer von Aktien könnte ich mich z.B. dafür einsetzen, dass McDonald's keine Einwegverpackungen mehr verwendet - über ETFs besteht diese Möglichkeit nicht. Das schränkt die Möglichkeit, mit dem investierten Geld "Gutes" zu tun und zur Verbesserung von Ökobilanz, Sozialverhalten oder anderen Kriterien auf Entscheidungen einzuwirken, ziemlich ein.
Letztlich habe ich daher den Eindruck, meine "nachhaltigen" ETFs erlauben mir zwar eine gute Rendite ohne mein Gewissen allzu sehr zu belasten, nicht aber sicherzustellen, dass mein Geld wirklich "gut" angelegt ist (was auch immer ich für die richtigen Kriterien halte). Zwischen "nachhaltigen" und "konventioellen" ETFs würden demnach lediglich graduelle Unterschiede bestehen - auch letztere legen das Geld ja nicht ausschließlich in "nicht-ethische" Aktivitäten an.
Das führt für mich zu einigen wichtigen (teils grundsätzlichen, teils ganz praktischen) Fragen,die ich gern an die Community weiterreichen möchte:
- Den dritten Punkt mal außer Acht lassend - warum gibt es keine ESG Indizes (und darauf basierende ETFs), die den "nicht-nachhaltigen" Anteil des Investments nicht nur reduzieren, sondern ihn wirlich konsequent ausschließen? Natürlich würde das den Pool der Unternehmen weiter einschränken, aber das wäre ja auch nur konsequent. Die physische Nachbildung eines Indizes, in dem nur Unternehmen enthalten sind, die konsequent eine Reihe von Kriterien einhalten, müsste doch eigentlich mach bar sein - gibt es solche Indizes und Fonds?
- Letztlich müsste es aber wohl um eine veränderte Fragestellung gehen. Nicht mehr "wie kann ich nachhaltiger investieren, ohne auf allzu viel Rendite zu verzichten", sondern "wie kann ich mein Geld möglichst produktiv anlegen, ohne durch die Anlage 'unethisches" Wirtschaften zu unterstützen, sondern durch diese positiv auf die Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftssystems einzuwirken"?
- Wenn ich wirklich "Gutes" mit meinem Geld machen möchte, stoße ich immer wieder auf den auch von Sara Zinnecker genannten Ökovision Classic, der aber durch den hohen Ausgabeaufschlag und die hohen laufenden Kosten ziemlich teuer ist. Ist dieser Fonds trotzdem das Ergebnis einer Renditemaximierung unter den genannten Nebenbedingungen?
- Weiß z.B. jemand näheres über den (relativ neuen) DKB Nachhaltigkeitsfonds Klilmaschutz, der zumindest deutlich billiger ist als der Ökovision Classic? Das dazu verfügbare Infomaterial scheint mir hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Fonds recht ungenau zu sein (meine kürzliche Anfrage bei der BayernInvest wartet noch auf Antwort).
Sorry für die lange Mail - danke an alle, die bis zum Ende gelesen haben . Über Anregungen, Kommentare und Vorschläge zu diesen Fragen würde ich mich jedenfalls sehr freuen.
Beste Grüße!