monstermania
Deinen Beitrag (Nr. 72) nehme ich als humoristische Einlage noch dazu nur einen beliebigen Einzelaspekt betreffend (meines Beitrags Nr.60)
Aus meiner Sicht ist es erstaunlich (um nicht zu sagen verwunderlich), daß - in allen mir bekannten Umfragen - eine Union aktuell mehr Stimmen auf sich vereinen kann - als SPD, Grüne und FDP mithin also alle Parteien der (ehemaligen) Regierungs-Ampel zusammen ...
Insbesondere vor dem Hintergrund (siehe Nr. 60), daß über die langen Merkel-Jahre fast alle Kompetenzzuschreibungen der Union betreffend mehr oder weniger erodiert sind (Wirtschaftskompetenz, Finanzkompetenz, Ordnungspolitik, Rechtsstaatlichkeit (man denke an den Grundsatz "Pacta sunt servanda" und die "Eurorettung"), innerer Sicherheit und äußere Sicherheit (man denke an die Jahre 2015 ff (Umgang mit der Asyl- und Migrationskrise) und an die schon viele Jahre zuvor stark vernachlässigte Verteidigungsfähigkeit) - um nur einige Themenfelder zu nennen). Auch Parteien sind eine Art "Marken" (nur eben im Politikfeld) und es kann erfahrungsgemäß zum Problem werden, wenn sich der "Markenkern" immer mehr verwässert bzw. signifikant verändert. Oder so weit mutiert, daß ehemalige Stammwähler die Partei kaum noch wiedererkennen.
Meine Wetten zu den US-Wahlen hatte ich u. a. deshalb gewonnen, weil ich regelmäßigen Kontakt zu Menschen in den USA halte (wenn auch inzwischen ganz überwiegend nur noch telefonisch und per E-Mail). Dabei wurde schon vor Monaten deutlich, daß eine große Mehrheit der US-Bürger der Meinung war und ist, daß sich ihr Land in eine (völlig) falsche Richtung entwickelt (und das bei einem Wirtschaftswachstum von 2,8% - wie froh und glücklich wäre unsere Regierung, wenn es statt Negativ-Wachstum mit der "roten Laterne" unter allen Industrienationen und damit knappen Kassen - ein solches Wachstum gäbe, wie in den USA und damit wachsende Steuereinnahmen ... !?) Als Zusammenfassung aus meinen Gesprächen konnte man den legendären Clinton Slogan wählen: It`s the economy, stupid".
Am häufigsten fielen da in den Gesprächen nämlich Stichworte wie Inflation, hohe Preise, Sorgen um den Wohlstand, Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz, Thema Wohnen und hohe Mieten, Sorge, daß sich immer weniger ein Haus leisten können usw. - und immer mit vorne dabei war auch das Thema der illegalen Migration in die USA. Und der Tenor: "Das abgehobene Washington kümmert sich um alles Mögliche aber nicht um unser Land und unsere bzw. meine Probleme im Alltag". Ob das so ist, da maße ich mir kein Urteil an. Es reicht aber schon aus, wenn eine Mehrheit der Bürger (Wähler) dies so wahrnimmt und empfindet.
Nur am Rande aber in dem Kontext: Wie stark muß ein solcher Verdruß sein, wenn es die Menschen nicht mal davon abhält einer Figur wie Trump zu einem erdrutschartigen Sieg zu verhelfen ... ?! Auch dies könnte man als Menetekel verstehen - wenn nur erstmal eine "passende" Person mit "Show-Qualitäten" und ohne Skrupel samt "Ausstrahlung" (wie immer man dieses "Charisma" auch bewerten mag) ein solchen Verdruß für seine Zwecke bündeln und nutzen kann.
Nach meinem Dafürhalten würde ich die US-Wahl als Lektion für Berlin (die "Berliner Blase") werten. Ich bin mir unsicher bzw. halte es für mehr als fraglich, ob nämlich die Mehrzahl der Menschen wirklich eine dauerhafte Stagnation, ein wirtschaftliches Schrumpfen, einen kontinuierlichen Abstieg oder gar wirtschaftlichen Niedergang wünscht, will oder wählen wird. Denn - und das wird auch schlichten Gemütern bewußt sein - an der Tatsache, daß "Wirtschaft natürlich nicht alles" aber "ohne funktionierende Wirtschaft natürlich alles nichts ist" kommt niemand vorbei. Daran hängen letztlich auch die Sozialsysteme, die Rente, die Beamtenpensionen, der Klimaschutz, Migration bzw. Integration, die Verteidigungsfähigkeit etc. pp. - bis hin zur Unterstützung der Ukraine.
Um mal (auch weil dies ein Finanz-Forum ist) zu dem diesbezüglichen Hintergrund (samt stringenter Definitionen) zu kommen: "Finanziell frei" dürften hierzulande lediglich um die 250 Menschen sein, weitere rund 2.500 könnte man als "finanziell halbwegs frei" bezeichnen und - je nach Rechnung - von immerhin ein bis drei Millionen Menschen ausgehen, die "finanziell unabhängig" sind. Was im Umkehrschluß bedeutet, daß die große Mehrzahl auf einen Arbeitsplatz angewiesen ist und/oder als Selbständiger, Freiberufler, Klein-Unternehmer etc. pp. auf eine halbwegs florierende Wirtschaft samt Planungssicherheit. Wobei auch diejenigen, die "finanziell frei" oder "finanziell unabhängig" sind, dann eher nicht ihr Geld in ein stagnierendes oder absteigendes Land schieben (investieren) dürften.
Ob sich unser Land eine wahrscheinliche politische "Hängepartie" samt einer gewissen bis erheblichen Handlungsunfähigkeit bis weit in das Jahr 2025 hinein leisten kann (von einer schwierigen Regierungsbildung nach den nächsten Wahlen ist nämlich auszugehen) mag jede(r) für sich selbst beurteilen (warum sollte ausgerechnet die Opposition einer gescheiterten und geplatzten Regierung und nunmehr ohne eigene Mehrheit, jetzt dabei helfen Projekte durchzubringen - die diese Regierung zuvor selbst nicht verabschiedet hat oder verabschieden konnte ?). Das gilt erst recht vor dem Hintergrund "Europa/EU" (neben dem "Motor" Deutschland ist diesbezüglich bereits der "Motor" Frankreich aufgrund innenpolitischer Problematiken ausgefallen bzw. zumindest erheblich am Stottern) und auch dem nächsten anstehenden "Rendezvous mit der Realität" für Berlin (Stichwort: Trump).
Ob vor dem ganzen Hintergrund ein "Kanzler auf Abruf" (um die Formulierung "Lame Duck" zu vermeiden) eine gute Variante ist (vermutlich schielt dieser auf die Hamburger Bürgerschaftswahl Anfang März und erhofft sich davon noch etwas Rückenwind ... ?!) wage ich ernsthaft zu bezweifeln.
Wie ich aus meinem Umfeld vernehme, zweifeln daran auch sehr viele andere; was übrigens repräsentativ zu sein scheint (nach einer aktuellen Umfrage (Infratest-Dimap) für die ARD sprachen sich am Donnerstag 65 Prozent der Bürger für eine möglichst schnelle Neuwahl aus; Quelle "Handelsblatt" vom 7. November).