Stundensatz als freiberuflicher Dozent im kaufmännischen Bereich

  • Hallo zusammen,


    ist hier jemand als Freiberufler tätig und kann mir evtl. bei folgendem Sachstand helfen?


    Folgende Situation:

    • Ich möchte mich als freiberuflicher Dozent selbständig machen und kaufmännisches Personal weiterbilden. Dabei werde ich schwerpunktmäßig Personalfachkaufleute und Industriefachwirte im Personalbereich ausbilden.
    • Der Unterricht würde teilweise online und teilweise vor Ort stattfinden. Eine Strecke sind ca. 30km Entfernung und in 30 Minuten fahrbar.
    • Ich habe ein Gespräch geführt und mir wurden je Unterrichtseinheit (45 Minuten) 28 bis 32 Euro in Aussicht gestellt. Also ca. 40 Euro je Zeitstunde.
    • Die Zahlen habe ich in einen Rechner eingegeben. Dabei habe ich 20 Tage für Weiterbildung und Urlaub sowie 10 Tage Krankheit eingerechnet. Die betrieblichen Kosten habe ich mit 1.000 Euro pro Jahr angesetzt. Sicherlich etwas zu niedrig. Ebenfalls habe ich noch keine Krankentagegeldversicherung eingerechnet. Ich möchte weiter gesetzlich versichert bleiben und diese Kosten wurden vom Rechner einkalkuliert.
    • Bei einer 80%igen Auslastung kämen ca. 3.000 Euro Nettogehalt heraus. Grundsätzlich nicht soooo schlecht.


    Zu meiner Frage:

    • Wie beurteilt ihr den Stundensatz? Ist dieser angemessen oder zu niedrig? Ich habe zwölf Jahre praktische Erfahrung im Personalbereich, aber noch keine als Dozent. Ich habe bei einer IHK auf der Seite nachgesehen. Die bieten ca. 35 Euro je Unterrichtseinheit bzw. 46,67 Euro je Zeitstunde.
    • Wie würdet ihr hier verfahren? Erstmal die Stelle annehmen und dann bei anderen Instituten mit mehr Erfahrung anheuern und einen höheren Stundensatz nehmen?
    • Die Begründung für den Stundensatz im Gespräch war, dass erfahrene Dozenten mehr bekommen, aber eben auch mehr Erfahrung haben. Das halte ich für vorgeschoben. Geführt würde sicherlich noch mehr gehen.


    Schon mal vielen Dank im Voraus für eure Antworten. Sollten noch Informationen fehlen kann ich diese gerne nachreichen.

  • Ich möchte mich als freiberuflicher Dozent selbständig machen und...

    Moin erstmal.

    Da du 'eine Stelle' annehmen willst, sehe ich nix mit selbstständiger Tätigkeit ;) ... dies nur am Rande. Diesen Punkt solltest du aber sauber klären, um nicht später (früher oder später) einen im Zusammenhang mit einer Scheinselbstständigkeit auf die Glatze zu bekommen.


    Zu deinen Überlegungen angesichts der Höhe deines 'Honorars'...


    Wenn du für eine (in Zahlen: 1) Einrichtung tätig wirst und vielleicht 120 bis 160 Stunden im Monat abrockst, darfst du bei rund 30 Öcken pro Stunde zwischen 3.600 und 4.800 Öcken in Rechnung stellen, richtig?

    Dann ziehst du deine Fahrtkosten ab; rund 1.200 km zu rund 0,40 Öcken, je nach Auto eher mehr, ergo mindestens rund 480 Öcken.

    An 'betrieblichen Kosten' hast du niedrige 1.000 angesetzt. Wofür genau?

    Hast du an eine Berufs-/Betriebshaftpflichtversicherung gedacht?

    Telefon bzw. Internet (für online...) und die entsprechende Hard- und Software kosten?


    So, und jetzt lass uns mal von 3.600 Öker 500 fürs Fahren und 200 für online-Dingens abziehen, dann die Beiträge für Renten- und Krankenversicherung (ink. Krankentagegeldversicherung zur Abdeckung des Verdienstausfalls bei AU). Was bleibt übrig?


    3.000 netto wohl sicherlich nicht. Und dafür kann man auch als 'kleiner' Angestellter arbeiten...


    MMn musst du einen Umsatz (Honorar..., Vergütung für deine Leistungen... you name it) in einer Größenordnung von wenigstens um die 100k p.a. anvisieren. Wenn du nicht gerade mit einem goldenen Löffelchen geboren wurdest, musst du Rücklagen bilden, von der Notreserve bis hin zu Rücklagen für Anschaffungen, die einmal fällig werden... und auch mal ein paar Tage Erholungsurlaub nehmen und (je nach Alter) mehr oder weniger kräftig für eine vernünftige Absicherung (DIY, nix Versicherung) im Alter investieren... all dies wird von deinem versteuerten Einkommen bestritten. Mit rund 30 Öcken pro Stunde wird das nix!

  • Erst mal ganz grob per Augenintegral: 3000 netto entsprächen ganz überschlägig 6000 brutto, was bei 40 EUR/Stunde 150 Stunden pro Monat wären, also gut 37 Stunden pro Woche, noch ganz ohne Urlaub, Krankheit, Feiertage. Und irgendwann musst Du Deine Seminare auch vorbereiten, Kunden akquirieren, Angebote entwickeln, dich selbst weiterbilden… Frag Dich selbst, ist das realistisch?


    Bei vielen Selbständigen im Bereich Weiterbildung ist die Auslastung auch von der Auftragslage sehr schwankend. Da ist auch immer mal Flaute, im Sommer sind die Kunden im Urlaub, um den Jahreswechsel ist im Tagesgeschäft zu viel los um eine Schulung einzuschieben, bei Konjunktursorgen wird Weiterbildung mit als erstes gestrichen. Also, wie konstant wird Deine Auslastung sein?


    Letztlich kommt es auch auf Deine Situation und die Alternativen an. Wenn Dein Lebenspartner z.B. gut verdient und ihr zur Not auch ein paar Monate ohne Dein Einkommen auskommt, dann ist das entspannter als wenn Du jeden Monat von Deinen freiberuflichen Einnahmen die Miete und das Essen zahlen musst. Und mal rein finanziell betrachtet: Bevor Du arbeitslos bist, ist es natürlich viel besser das zu machen. Aber als Angestellter mit einem halbwegs gut bezahlten Bürojob wirst Du finanziell wahrscheinlich besser rauskommen, als mit dem beschriebenen Modell.

  • Ich habe das vor vielen Jahren am Beginn einer anders ausgerichteten freiberuflichen Selbständigkeit zur finanziellen Mindestabsicherung einige Zeit gemacht. Das war Dozententätigkeit im Rahmen von Vorbereitungskursen für die Prüfung zum Betriebswirt (IHK), die eine Bildungseinrichtung des Einzelhandelsverbandes angeboten hatte. Übrigens auch in Nordhessen. Das liegt lange zurück, müsste noch in den Neunziger-Jahren gewesen sein, jedenfalls zu DM-Zeiten. Insofern bekomme ich nicht mehr zusammen, wie damals die Vergütung war. Das dürfte aber relativ zum damaligen Geldwert und Vergütungsniveau mit den hier genannten Sätzen vergleichbar gewesen sein. Da wundert mich, dass bei der Ertragskalkulation nur die reinen Unterrichtsstunden ohne Vorbereitungszeit angesetzt wurden. Beim ersten mal wird mehr Vorbereitungszeit anzusetzen sein als beim wiederholten mal zum gleichen Thema, aber ganz ohne Vorbereitung wird es nicht gehen. Für mich war das nur unter Beachtung spezieller Rahmenbedingungen finanziell lukrativ, die z. T. aber Nebenberuflichkeit oder den zeitlichen Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung voraussetzen:


    Keine Rentenversicherungspflicht. Ob es die Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI damals schon gab, weiß ich nicht, es wäre aber vom Umfang her (2 bis 6 Wochenstunden) nicht versicherungspflichtig gewesen. Bei einer Vollzeittätigkeit sieht das (heute) anders aus.


    Keine Umsatzsteuerpflicht. Dafür hat der Träger gesorgt, die haben sich für jeden Kurs von der Oberfinanzdirektion bescheinigen lassen, dass die Dozentenhonorare von der Umsatzsteuer befreit sind. Die Begründung dafür war zweifelhaft, aber verbindliche Feststellungen der OFD muss man nicht hinterfragen. Das sollte in jedem Fall vor Aufnahme der Tätigkeit geklärt werden.


    Bei der Einkommensteuer begünstigt durch Anwendbarkeit des Übungsleiterfreibetrages. Dafür muss es nebenberufliche Tätigkeit sein, die sonstigen Voraussetzungen sind erfüllt.

  • Keine Rentenversicherungspflicht. Ob es die Rentenversicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI damals schon gab, weiß ich nicht, es wäre aber vom Umfang her (2 bis 6 Wochenstunden) nicht versicherungspflichtig gewesen. Bei einer Vollzeittätigkeit sieht das (heute) anders aus.

    Paragraph 1 macht Arbeitnehmde versicherungspflichtig.


    Lehrende werden gem. Paragraph 2 Satz 1 Nr. 1 SGB 6 pflichtig.


    https://dejure.org/gesetze/SGB_VI/2.html

  • Ja, danke für den Hinweis. War verschrieben, es muss § 2 sein, nicht § 1. Ich habe es oben noch korrigieren können.

  • Wenn Sie eine Person mit Midijob beschäftigten entfällt der Rentenversicherungszwang.


    Mit einer weiteren Online-Präsenz würde sich das ganze skalieren lassen. Ggf. nach einer Weile eigene Seminare entwickeln und veranstalten.

  • Ich habe nochmal mit einem ehemaligen Kollegen gesprochen.


    Der war mal selbständig und meinte, auch als Einmannfirma mit Home Office und geringen Kosten sollte man ca. 8.000 Euro Umsatz im Monat machen.


    Basierend auf einer 80prozentigen Auslastung käme ich auf einen Stundensatz von ca. 57 Euro.

    (8.000 / 173 Monatsstunden * 0,8).

  • Wenn Sie eine Person mit Midijob beschäftigten entfällt der Rentenversicherungszwang.


    Mit einer weiteren Online-Präsenz würde sich das ganze skalieren lassen. Ggf. nach einer Weile eigene Seminare entwickeln und veranstalten.

    Korrekt, aber die Notwendigkeit, adequat fürs Alter vorzusorgen, entfällt nicht.


    Ich teile die anderen Aussagen, dass sich die Selbstständigkeit erst ab einem Stundensatz von 40, besser 50 Euro aufwärts lohnt. Zumindest wenn es um einen Wechsel in die Selbstständigkeit aus einem Angestelltenverhältnis geht und vor allem finanzielle Überlegungen einen Rolle spielen

  • Du gehst von 138 Stunden pro Monat im Jahresmittel (!) aus, das halte ich für extrem ambitioniert. Das sind ca. 7 Stunden jeden Werktag im Mittel! Wie willst Du das erreichen, mal ganz abgesehen dass das schon rein konditionell langfristig kaum zu schaffen ist.

  • Wobei ambitionierte Ziele ja nicht grundsätzlich verkehrt sind, es muss halt realistisch sein.


    Mir ist eher aufgefallen, dass einer, der die Selbständigkeit plant, mit 173 Stunden Arbeit im Monat, einer festen Anzahl Urlaubstagen und sogar Krankheit rechnet. Da steckt noch sehr viel Arbeitnehmerdenkweise in den Überlegungen.

  • Nicht so ganz vergleichbar, aber ich habe einen Lehrauftrag an einer kirchlichen Hochschule. Dort gibt es pro Lehreinheit (45Min.) 44€. Man muss nicht nur lehren, sondern auch Prüfungen abnehmen, was aber noch einmal extra vergütet wird. 15€ für die Begleitung und Korrektur von 15 Seiten Hausarbeit plus ein kleines Gutachten decken den Zeitaufwand da allerdings nicht wirklich. Mit Blick auf die nötige Vor- und Nachbereitung ist das alles nicht wirklich lukrativ. Aber das Geld steht da auch nicht im Vordergrund.


    Aber ich teile auch den Eindruck: Die ersten ein, zwei Male ist die Vorbereitung sehr aufwendig. Danach geht es dann etwas schneller.

  • Wobei ambitionierte Ziele ja nicht grundsätzlich verkehrt sind, es muss halt realistisch sein.


    Mir ist eher aufgefallen, dass einer, der die Selbständigkeit plant, mit 173 Stunden Arbeit im Monat, einer festen Anzahl Urlaubstagen und sogar Krankheit rechnet. Da steckt noch sehr viel Arbeitnehmerdenkweise in den Überlegungen.

    Mir ist klar, dass ich mit den „klassischen 40 Wochenstunden“ als Selbständiger nicht hinkomme.


    Trotzdem brauche ich eine Berechnungsgrundlage.


    Deswegen habe ich auch nur eine Produktivzeit von 80 Prozent angenommen und diese in die Berechnung des Stundensatzes einfließen lassen.


    Krankheit sucht man sich nicht aus und auch Urlaubszeit will ich hier einfließen lassen. Sonst verfälscht es den Stundensatz.

  • Ein relativ niedriger Stundensatz. An der dualen Hochschule bekomme ich 42€ pro Stunde, darf aber nur ein begrenztes Maß dozieren, da ich sonst Anspruch auf den Titel Privatdozent haben könnte. Das hat die DHBW mal vor x-Jahren so umgestellt. Ich glaube es sind maximal 120h, die man dort dozieren dürfte in zwei Semestern.

  • Gibt es 42€ pro Zeitstunde oder je 45 Minuten? Ich vermute, dass die höhere Vergütung damit zu tun hat, dass an einer Universität oder einer Hochschule ein anderes Niveau der Lehrenden und der Lehre erwartet werden kann. Zumindest in der Theorie ^^

  • Kann mir noch jemand einen Tip geben, wie ich evtl. einen höheren Stundensatz aushandeln kann?


    Ich würde das Argument bringen, dass der Marktpreis derzeit bei ca. 40 Euro je Unterrichtseinheit, also ca. 53 Euro je Zeitstunde liegt.