Welcher ETF

  • Der langfristige Gewinn von Investitionen gleicht den kurzfristigen ‚Verzicht’ auf Konsumausgaben wieder aus. Deshalb geht Nachhaltigkeit nur auf kurze Sicht mit Verzicht einher.

    Ich halte das für eine ziemlich romantische Darstellung. Nachhaltiges Wirtschaften erfordert zwangsläufig einen höheren Aufwand als Raubbau, es wird somit immer teurer sein als dieser. Solange "die Umwelt" groß genug ist, daß man es sich leisten kann, hinter sich verbrannte Erde zu lassen, ist der Raubbau immer "wirtschaftlicher" als nachhaltiges Wirtschaften. Wir Menschen sind allerdings an einem Punkt angelangt, an dem man sich Raubbau eigentlich nicht mehr leisten kann.


    Dennoch: "Nachhaltigkeit" ist allzuoft nicht mehr als ein Etikett, allzu genau hinschauen darf man nicht.


    Und klar: Die Umstellung auf nachhaltige Wirtschaftsweisen kostet Geld, somit Wohlstand. Man tut gut daran, das zu offen zu nennen, damit sich die falsche Vorstellung nicht weiter verfestigt, all das koste nichts.

    Wenn wir weiter ständig Fernflüge (Kerosin) und Kreuzfahrten (Marinediesel) machen und fossile Ressourcen (Erdgas/-öl) zur Energieerzeugung verbrennen, reicht eine Erde leider nicht zum Leben aus …

    Die Erde ist keine Person, sie will nichts und sie denkt nichts.


    Die Menschheit wächst ungebremst*, ihr Energiehunger ist ungebremst, die alljährliche Fernreise nach Bali und auf die Malediven zählt bei vielen zu den Menschenrechten. Die Menschen werden alle Ressourcen dieser Erde ausbeuten und nutzen, auch wenn sie wissen können, daß sie damit (wohlgemerkt!) nicht "die Erde" kaputtmachen, sondern die Lebensgrundlagen der eigenen Spezies. Unsere Erde war in ihrer Geschichte schon ein Eisball und Tropenhölle, und sie ist immer noch da.


    Ich sehe da keinerlei Umdenken. Die paar wenigen "last Generation" zählen diesbezüglich nicht. Sprit 50 ct/l höher aus Umweltgründen? Wenn nichts in Deutschland eine Revolution auslöst, dann dies. Strom und Gas sind "zu teuer"? Spart man dann? Nein, man ruft nach dem Staat nach Strom- und Gaspreisbremse und subventioniertem "Industriestrom".


    *und selbst, wenn das Bevölkerungswachstum zum Stillstand kommen, werden die vielen Armen dieser Erde den gleichen Wohlstand haben wollen wie die US-Amerikaner und Europäer, somit bei gleicher Kopfzahl dennoch immer mehr Ressourcen verbrauchen.

  • Ich denke sogar, dass es so ("Die Ablehnung von ESG hat vor allem mit Ideologie zu tun") eher passt als umgekehrt, aber lassen wird das ?

    "ESG" ist eine Einschränkung des Anlageuniversums. Wer auf "ESG" steht, reduziert damit die Diversifikation. Er macht das aus ideologischen Gründen, er wünscht "Nachhaltigkeit". In meinen Augen ist das eine Sektorwahl.


    Wenn jemand sich dieser Einschränkung nicht unterwerfen möchte, also nicht ausschließlich in den Sektor "Nachhaltig" investieren möchte, sondern in alle verfügbaren Anlagen, ist das in meinen Augen keine ideologische Position, sondern geradezu das Gegenteil, also unideologisch.

  • Und die Ablehnung von ESG hat natürlich nichts mit Ideologie zu tun ?

    ESG hat vor allem mit Ideologie zu tun.

    Ideologie = "Lehre der Ideen" oder die Lehre der verschiedenen Weltanschauungen.


    Die Aussage das ESG mit Ideologie zu tun hat, ist daher vollkommen richtig, da es bedingt, dass ich eine nachhaltige Weltanschauung habe und diese auch in diesem Bereich umsetzen möchte.


    Die Aussage die Ablehnung von ESG hat etwas mit Ideologie zu tun, ist daher aber ebenfalls vollkommen richtig. Hier können die Gründe verschiedener Natur sein. Zum einen in der generellen Ablehnung nachhaltiger Prinzipien und zum anderen in der Art und Weise der Umsetzung in ESG-Produkten.


    Ich für meinen Teil finde die ESG-Produkte nicht passend und gehe davon aus, dass die Weltindizes auch ohne diese Produkte nachhaltiger werden.


    Aber wahrscheinlich sorgt ja auch gerade die starke Nachfrage nach diesen Produkten durch andere Investoren für den nötigen Einfluss auf die Unternehmen zum nachhaltigeren wirtschaften.


    Daher bin ich persönlich dankbar, dass es genügend Investoren gibt, welche diese Form der Anlage suchen und nachfragen.

  • Ideologie = "Lehre der Ideen" oder die Lehre der verschiedenen Weltanschauungen.


    Die Aussage die Ablehnung von ESG hat etwas mit Ideologie zu tun, ist daher aber ebenfalls vollkommen richtig.

    Mit dem Nichtvorhandensein von irgendetwas zu argumentieren ist immer schwierig.


    Gegen ESG-Fonds spricht (ich hatte es bereits erwähnt) die geringere Diversifizierung. Das ist ein Sachgrund, der mit Ideologie (also Weltanschauung) nichts zu tun hat. Berücksichtigt jemand ESG-Fonds aus diesem Grund in seinen Überlegungen nicht, lehnt er sie deswegen nicht notwendigerweise ab. Vielmehr stellt er sich der Frage "Nachhaltigkeit ja oder nein" überhaupt nicht, weil sie für seine Entscheidung irrelevant wäre.


    Das ist schon ein Unterschied.

  • "ESG" ist eine Einschränkung des Anlageuniversums. Wer auf "ESG" steht, reduziert damit die Diversifikation. Er macht das aus ideologischen Gründen, er wünscht "Nachhaltigkeit". In meinen Augen ist das eine Sektorwahl.


    Wenn jemand sich dieser Einschränkung nicht unterwerfen möchte, also nicht ausschließlich in den Sektor "Nachhaltig" investieren möchte, sondern in alle verfügbaren Anlagen, ist das in meinen Augen keine ideologische Position, sondern geradezu das Gegenteil, also unideologisch.

    Wenn du es so versteht bin ich ganz bei dir. Das hieße dann, dass jede Investition, die nicht in ein weltweit diversifiziertes Anlageprodukt geht, ideologisch motiviert ist. Ok. Ich bezweifle aber, dass Iglufant das so gemeint hat.


    Die Ablehnung von ESG ist oft Teil eines ideologisch aufgeladenen Kulturkampfes.

  • Ich wiederhole mich: Wenn mir die ideologische Ausrichtung anderer Leute egal ist, ist das keine Ablehnung, sondern garnichts. Null. Neutral.


    Wenn ich bei der Wahl meiner Anlagepapiere ESG-Papiere nicht berücksichtige, weil ich etwas gegen eine künstliche Einschränkung des Anlageuniversums habe, dann lehne ich Sektorwetten ab, nicht ESG. Ich würde dann aus dem gleichen Grund auch keinen Spezial-ETF "Tabak" kaufen.


    Es handelt sich dabei um ein übergeordnetes Kriterium. Wenn ein Papier (oder eine Gruppe von Papieren) aus dem genannten Grund herausfällt, brauche ich mich mit der Frage, ob ich für oder gegen ESG wäre, überhaupt nicht zu beschäftigen.

  • Apropos ESG


    In meinem Umfeld gibt es sogar einige (wenige), die - man könnte fast sagen - einen umgekehrten Ansatz verfolgen. Also ihr Anlageuniversum mit tendenziell entgegengesetzter Ausrichtung (jedenfalls teilweise) einschränken. So in der Art des "Vice Fund" (Vicex) beispielsweise ("Laster-Fonds" bzw. "Sünden-Fonds", wenn ich mich richtig erinnere). Keine Ahnung, ob es den noch gibt. Fondsvolumen war eher sehr klein.


    Ihre Sicht und Haltung: Da die Menschen sind, wie sie sind und die Menschheit ist, wie sie ist - sind Sachen und Dinge wie Alkohol, Tabak, Glücksspielindustrie, Waffenindustrie usw. eine interessante, weil etablierte Angelegenheit mit sehr bis extrem langer Historie. Aus Sicht eines Anlegers jedenfalls.


    Genaue Zahlen habe ich spontan nicht auswendig parat, aber m. W. gab es Tabak schon vor ca. 500 Jahre, Alkohol schon Jahrtausende v. Chr., das Glücksspiel ist auch Jahrtausende alt und Streit, Auseinandersetzungen, Kämpfe, Schlachten, Kriege etc. sind sogar so alt wie die Menschen bzw. die Menschheit selbst.


    Die oben Genannten sind - m. W. jedenfalls - ganz überwiegend bzw. ausschließlich in entsprechenden Einzelwerten investiert.


    Hatte das schon vor Jahren mal angeprüft. Aus meiner Sicht (es gibt dazu auch einige Studien) verhalten sich diese Werte eher zyklisch und generieren auch keine Überrenditen. Teilweise liegt auch die Volatilität ziemlich hoch.


    Ausnahme (von der Performance her) dürfte allerdings das Thema "Waffen- bzw. Rüstungsindustrie" sein. Hat ja auch (leider aber Fakt) die längste Historie (s. o. Abs. 3). Außerdem gilt ja stets "si vis pacem para bellum".


    Nach meiner Erinnerung hält einer dieser o. g. genannten Protagonisten (ein US-Boy) auch einen diesbezüglichen ETF (meine von Blackrock; müßte der iShares "U. S. Aerospace & Defence" gewesen sein. Nach dem Chart, welches er mir zeigte, hat dieser ETF sogar den S&P 500 Index locker geschlagen (seit seiner Auflegung um 2007 rum). Überprüft hatte ich das nicht. Auch nicht das da genannte ziemlich beachtliche Fondsvolumen. Hatte ich aber auch von anderer Seite schon mal so gehört. Gut möglich aber, daß es sowas hier (deutsche Handelsplätze bzw. innerhalb der EU) gar nicht zu kaufen gibt. Schon wegen der europäischen Anlegerrichtlinie, die den Anlegerschutz in der EU regelt (UCITS - oder so ähnlich jedenfalls). Für ihn als Amerikaner natürlich kein Problem. Er war jedenfalls von diesem ETF sehr angetan und mit dessen Entwicklung äußerst zufrieden.


    Eine Diskussion zwischen diesem US-Boy und einem "total überzeugten links-grünen hoch gutmenschlichen Vertreter der Political Correctness und Wokeness" - hätte ich gerne live erlebt. Nur als Zuschauer, nicht als Beteiligter. Ein solcher Protagonist war aber (leider) bei dem Treffen nicht anwesend (wobei und obwohl beispielsweise der Anton Hofreiter (Grüne) - seit Beginn des Ukraine-Kriegs jedenfalls - plötzlich an den unterschiedlichsten Waffensystemen reges Interesse zeigt und sich damit auch gut auszukennen scheint ...).


    Übrigens: Hätte ich ETFs (was ich nicht habe) würde mich jedenfalls die (automatische bzw. zwangsweise) Umstellung konventioneller ETFs auf ESG-Kriterien - im Rahmen des ESG-Hypes - ziemlich stören. Zumal, wenn keine steuerneutrale Möglichkeit der Umschichtung angeboten wird. Was m. W. nicht der Fall ist. Das hier nur am Rande.


    Auch zu dem Thema "ESG" gibt es also offensichtlich auch (ganz andere) Herangehensweisen - sogar eher Gegenteilige.

  • […] verbrannte Erde zu lassen, ist der Raubbau immer "wirtschaftlicher" als nachhaltiges Wirtschaften. Wir Menschen sind allerdings an einem Punkt angelangt, an dem man sich Raubbau eigentlich nicht mehr leisten kann.

    Du bist selbst für Nachhaltigkeit, aber lehnst das ESG-Label ab, weil die Umsetzung für dich unzureichend ist?


    Dann empfehle ich SRI: Beim MSCI World ESG sind nahezu 90% aller Unternehmen des marktneutralen ETFs noch enthalten. Beim strengeren MSCI World SRI sind es nur noch knapp 25% aller Unternehmen weltweit (best-in-class).

    Es geht beim ESG-/SRI-Investment allerdings nicht nur um Umweltschutz (environmental), sondern auch um ethische Unternehmensführung (Korruption, Tarifverträge, Lohndumping, Arbeitsschutz usw.) - also das ‚S‘ und ‚G‘ im ESG.

    Und klar: Die Umstellung auf nachhaltige Wirtschaftsweisen kostet Geld, somit Wohlstand. Man tut gut daran, das zu offen zu nennen, damit sich die falsche Vorstellung nicht weiter verfestigt, all das koste nichts.

    Das ist unbestritten: Jede Investition kostet Geld und Zeit. Aber wenn man auf energieeffiziente Produktion oder lokale Lieferketten umstellen, kann das am Ende nicht nur Geld sparen, sondern auch die Unabhängigkeit in der Produktion erhöhen (Bsp. Bayer und BASF ersetzen russisches Erdgas wird durch deutsches Biogas und skandinavischen Ökostrom).

    Sektor "Nachhaltig"

    Es gibt keinen Sektor ‚nachhaltig‘. In jeder Branche/Sektor gibt es nachhaltige Konzerne. Es werden aber die ‚dreckigsten‘ Unternehmern ausgeschlossen. Selbst McDonald’s, Coca-Cola und der frz. Luxuskonzern Hermes gelten laut SRI als nachhaltig (seitdem die keine Krokodil-Leder mehr anbieten ?).

    Schau dir die Positionen des MSCI World SRI an:

    https://www.ishares.com/de/pri…-msci-world-sri-ucits-etf

    Ich frage mich eher, ob das noch passives Investieren ist oder ob die SRI-Auswahl (durch Analysten) nicht schon zum aktiven Fonds-Management zählt?

  • Hallo zusammen,

    da die Kosten gering sind, z.B. wie im

    UBS MSCI World SRI UCITS ETF

    ISIN LU0950674332 / WKN A1W3CQ

    ist es eher kein aktiver Fond.

    Daran kann man es erkennen und das ist ein hilfreich Kriterium:

    Kosten gering halten.

    Mit diesen „hellgrünen“ ETFs macht man nichts verkehrt . Sie laufen eher ähnlich dem MSCI und ist damit auf der Ebene des üblichen Welt oder All Welt ETFs.

    Wenn es zu „dunkelgrün“ wird kostet es eher Rendite.

    LG

  • Die Ablehnung von ESG ist oft Teil eines ideologisch aufgeladenen Kulturkampfes.

    Ich meine jetzt gar nicht Dich persönlich, weil ich Dich gar nicht kenne, aber so auf Grundlage bisheriger Lebenserfahrung gesprochen … ich finde es recht witzig, dass oft diejenigen, die selbst einen Kulturkampf führen, weil sie meinen, das Licht gesehen und eine höhere Wahrheit erkannt zu haben und nun missionieren zu müssen, ihrer Gegenposition vorwerfen, diese führe einen Kulturkampf. ?

  • UBS MSCI World SRI UCITS ETF

    ISIN LU0950674332 / WKN A1W3CQ

    ist es eher kein aktiver Fond.

    Ich weiß, dass ETFs als passiv definiert sind. Aber diese Auswahl und strategische Analyse hat Züge eines aktiv-gemanagten Aktien-Fonds. Das spiegelt sich in der vergleichsweise hohen TER wieder, die doppelt so hoch ausfällt im Vergleich zu ETFs auf den konventionellen MSCI World.

  • Du bist selbst für Nachhaltigkeit, aber lehnst das ESG-Label ab, weil die Umsetzung für dich unzureichend ist?

    Die Argumentation geht immer andersherum: Derjenige, der einen anderen zu einem bestimmten, von ihm erwünschten Verhalten bewegen möchte (Hier: daß er ESG-Fonds kauft), muß das erläutern, muß also seine Idee "verkaufen". Die Frage: "Warum machst Du das eigentlich nicht?" ist ein üblicher rhetorischer Trick, der den so Angesprochenen unter Rechtfertigungsdruck setzen soll. Ob ich ESG-Fonds kaufe oder nicht, ist meine Sache, ich bin niemandem deswegen eine Erklärung schuldig.

    Dann empfehle ich SRI ...

    Es geht beim ESG-/SRI-Investment allerdings nicht nur um Umweltschutz (environmental), sondern auch um ethische Unternehmensführung (Korruption, Tarifverträge, Lohndumping, Arbeitsschutz usw.) - also das ‚S‘ und ‚G‘ im ESG.

    Ich enthalte mich der (subjektiven) Bewertung, ob ein Unternehmen "moralisch" handelt oder nicht.


    Wir leben in einem freiheitlichen Land. Wer einen ESG- oder SRI-Fonds kaufen will, darf das ja gern tun. Aber auf der anderen Seite muß das niemand tun.

    Schau dir die Positionen des MSCI World SRI an:

    https://www.ishares.com/de/pri…-msci-world-sri-ucits-etf

    Ich frage mich eher, ob das noch passives Investieren ist oder ob die SRI-Auswahl (durch Analysten) nicht schon zum aktiven Fonds-Management zählt?

    Das braucht man sich nicht zu fragen, das ist natürlich aktives Investieren.

  • Ich meine jetzt gar nicht Dich persönlich, weil ich Dich gar nicht kenne, aber so auf Grundlage bisheriger Lebenserfahrung gesprochen … ich finde es recht witzig, dass oft diejenigen, die selbst einen Kulturkampf führen, weil sie meinen, das Licht gesehen und eine höhere Wahrheit erkannt zu haben und nun missionieren zu müssen, ihrer Gegenposition vorwerfen, diese führe einen Kulturkampf. ?

    Ich wollte gar nicht bestreiten, dass dieser Kulturkampf auch von der anderen Seite her geführt wird. Das ist quasi das Wesen von Kulturkämpfen, gegensätzliche (kulturelle) Vorstellungen und Interessen prallen aufeinander und versuchen sich durchzusetzen. Dazu passt auch die Definition von Ideologie die RNowotny gepostet hat.


    Der Ausgangspunkt war aber die o.g. Behauptung "ESG sei Ideologie". Ich wollte nur darauf hinweisen, dass auch die Ablehnung von ESG ideologisch motiviert sein kann bzw. oft ist.