ETF Vorabpauschale - Basiszins als Orientierungsgröße?

  • Vorabpauschale Rechner: So hoch ist die Steuer auf ETFs

    Zitat

    Die Höhe der Vorabpauschale hängt unter anderem vom allgemeinen Zinsniveau ab. Genaugenommen vom Basiszins, einem Wert, den das Finanzministerium zum Anfang des Jahres bekannt gibt. Er errechnet sich aus den aktuellen Renditen deutscher Staatsanleihen.

    Verläuft die Entwicklung von Aktien und Staatsanleihen nicht eher konträr zueinander? D.h. wenn der EZB Zinssatz steigt, dann steigt die Rendite von Staatsanleihen, damit deren Attraktivität auch gegenüber Aktien. Wenn die Zinsen sinken, dann auch die Renditen von Staatsanleihen. Aktien werden dann als Anlageform interessanter, mehr nachgefragt und ihr Kurswert steigt.

    Wieso wird dann für die Vorabpauschale der Basiszins als Orientierungsgröße verwendet?

  • Der Basiszinssatz dient eigentlich dazu Verzugszinsen bei Zahlungsverzug in Verträgen zu berechnen. Die Berechnung erfolgt alle 6 Monate ( Grundlage § 247 BGB ) und beruht auf der Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank ( Leitzins ).


    Die Berechnung der Vorabpauschale wird im § 18 InvStG festgelegt.


    Warum man den Basiszins als Referenz ( *0,7 ) nimmt? Keine Ahnung, ich finde auch keine schlüssige Begründung dafür.

  • Weil das der Prozentsatz ist, der dem Staat entgeht, wenn die Leute in thesaurierende etf investiestieren, anstelle von staatsanleihen? 🤔

    Aber wieso "entgeht"? Diese Zinsen muss der Staat ja für Staatsanleihen zahlen.

    Also eher, weil eine Tendenz da ist, in ETF zu investieren und man eine zuverlässige Geldquelle brauchte um die trotzdem zu emittierenden Staatsanleihen zu finanzieren? ;)

  • Aber mal ernsthaft: Wenn Zinssatz durch die Decke geht, dann dürfen die Halter von ETFs erst mal einiges "vorstrecken" und hoffen, dass sie das am Ende wieder herausbekommen.

    "am Ende" wollte man aber vielleicht nur noch Kapital entnehmen und nicht weiter am Markt operieren und dabei den Verlusttopf nutzen. Wenn einige Leute da den ETF in einer weniger guten Phase anzapfen müssen, dann zahlen sie vielleicht drauf?


    Ist das ggf. ein weiterer Grund, um in einer guten Phase vor der geplanten Nutzung umzuschichten?


    "Fiktive Gewinne" auf einer Basis zu besteuern, die nix mit der Entwicklung des ETF zu tun hat, finde ich schon grenzwertig. Warum macht man das nicht auf Basis der tatsächlichen Gewinnentwicklung des ETF - mit den üblichen Verrechnungen über den Verlusttopf?

    Und auch dann fände ich es immer noch seltsam, dass der Staat sein Geld sofort haben will, man selber aber nur einzahlt, auf seinen Ertrag lange wartet und währenddessen immer noch Restrisiken zu tragen hat.

  • Der Basiszins nach § 18 Abs. 4 InvStG ist nicht identisch mit dem Basiszins nach § 247 BGB. Berechnung und Wert sind völlig unterschiedlich, auch wenn der Gesetzgeber aus Schlampigkeit im InvestStG die aus dem BGB schon bekannte Bezeichnung verwendet hat. Der Basiszins nach § 247 BGB wird ab 01.01.2024 3,62% betragen (bisher 3,12%), der Basiszins für die am 02.01.2024 abzurechnende Vorabpauschale für 2023 liegt bei 2,55%.

  • § 18 InvStG - Einzelnorm


    Zitat

    (4) Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Dabei ist auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht den maßgebenden Zinssatz im Bundessteuerblatt.

    Wo kann man weitere Details finden?

    "öffentliche Anleihen" schliesst auch Anleihen der (Bundes-)Länder mit ein?

    "langfristig" meint was? Schliesst es kurz laufende BSA aus?

  • Ergibt sich doch aus dem Zitat: Im Bundessteuerblatt vom 02.01.2024 wird der Wert für 2024 mitgeteilt. Dieser Zinssatz gilt und die Feinheiten seiner Berechnung interessieren nicht. Wem es nicht gefällt, kann seine Fonds am 02.01.2024 verkaufen, dann ist er davon nicht betroffen. Das ist in Sachen Vertrauensschutz und Kalkulierbarkeit geradezu vorbildlich. Es gibt genug andere Konstellationen, bei denen der Staat erst am Ende des Jahres mitteilt, was für das laufende Jahr gilt.

  • für 2022 -festgelegt Anfang 2023 - habe ich gefunden:


    Basiszins zur Berechnung der Vorabpauschale gemäß § 18 Absatz 4 InvStG; Basiszins zum 2. Januar 2023 - Bundesfinanzministerium - Service
    Das BMF-Schreiben gibt den Basiszins zum 2. Januar 2023 bekannt, der für die Berechnung der Vorabpauschale für 2023 gemäß § 18 des Investmentsteuergesetzes…
    www.bundesfinanzministerium.de


    Dann kommt das erst noch für 2023 am Anfang 2024 - vermute ich.

    Ich war verwirrt, weil es schon online-Rechner gibt. Die machen das dann vermutlich in Näherung - d.h. Anlehnung an die Basisdaten der vorherigen (o.g.) Veröffentlichung.

  • https://www.gesetze-im-internet.de/invstg_2018/__18.html


    Wo kann man weitere Details finden?

    "öffentliche Anleihen" schliesst auch Anleihen der (Bundes-)Länder mit ein?

    "langfristig" meint was? Schliesst es kurz laufende BSA aus?

    hier vielleicht: https://data.europa.eu/data/da…rvxi80ahjev3zyq?locale=de


    oder hier (ist vermutlich nur auf die BRD bezogen): https://www.bundesbank.de/de/s…-bundeswertpapiere-772218

  • Der Basiszins für 2023 ist am 02.01.2023 veröffentlicht worden (2,55%). Mit dem wird am 02.01.2024 die Vorabpauschale für 2023 berechnet werden. Der Baisizins für 2024 wird am 02.01.2024 veröffentlicht werden. Mit dem wird dann am 02.01.2025 die Vorabpauschale für 2024 berechnet werden.

  • Aber mal ernsthaft: Wenn Zinssatz durch die Decke geht, dann dürfen die Halter von ETFs erst mal einiges "vorstrecken" und hoffen, dass sie das am Ende wieder herausbekommen.

    "am Ende" wollte man aber vielleicht nur noch Kapital entnehmen und nicht weiter am Markt operieren und dabei den Verlusttopf nutzen. Wenn einige Leute da den ETF in einer weniger guten Phase anzapfen müssen, dann zahlen sie vielleicht drauf?


    Ist das ggf. ein weiterer Grund, um in einer guten Phase vor der geplanten Nutzung umzuschichten?

    Wie seht ihr diesen Aspekt?

    Etwas provokant formuliert:

    Kann die Vorabpauschale - wenn man nicht aufpasst - auf eine Vermögenssteuer hinauslaufen?

  • Wie seht ihr diesen Aspekt?

    Ich sehe das langfristig nicht als Problem an. Es wird der risikolose Zins angesetzt, der per Definition über Zeit geringer sein sollte als eine risikobehaftete Rendite. Ferner wird dieser nur zu 70% angesetzt (nicht verwechseln mit der TFS, die bei Aktien-ETF auch noch zusätzlich 30% beträgt).


    Das gedankliche Konstrukt ist ja, dass es eine langdauernde Hochzinsphase gibt, die vorhandene thesaurierte Gewinne auffrisst. Haben wir jetzt kurzfristig durch den schnellen Zinserhöhungszyklus gesehen, aber eben nicht langandauernd.


    Den Aspekt Vermögenssteuer sehe ich als hergeholt an, da man zur Entnahme verkaufen muss und damit die VAP gegengerechnet wird.


    Es gibt mehrere Abhilfen:

    Ich habe aufgrund der Probleme mit ausländischen Thesaurierern in den 2010er-Jahren weitgehend auf Ausschütter umgestellt und habe dadurch das Problem mit der VAP nicht. Ich hatte in der Vergangenheit auch auf die Notwendigkeit des Bereitstellens von Liquidität hingewiesen, die jetzt erstmals zuschlägt.

    Wenn man an perspektivisch höhere Zinsen glaubt - das ist meine Annahme - sollte man sich ggf. an die ursprüngliche Regel zur Geldanlage erinnern, nämlich dass man in Misch-Portfolios anlegen soll. Die letzten Jahre waren dafür nichts, sehr langfristig waren die Renditen von Aktien und längerfristigen Anleihen nicht so unterschiedlich.