Geldmarktfonds - oder: warum überhaupt noch Tages- und Festgeld?

  • Hallo Community!


    Ich wüsste gerne mal Eure Meinung zum Thema "Geldmarkt-ETF versus Tages- und Festgeld".


    Meine steile These: ein Geldmarkt-ETF müsste jedes Tages- oder Festgeld schlagen (Annahme: wir reden nur vom Euro-Raum)


    Meine Gedanken dazu sind folgende: Banken wollen sich Geld besorgen, um dieses weiter zu verleihen. Eine Bank hat jetzt zwei Möglichkeiten: bei einer anderen Bank leihen, evtl auch Zentralbank, oder beim Verbraucher leihen. Logischerweise wird sie es sich dort leihen, wo es am günstigsten ist.


    Demnach müssten Angebote an Verbraucher - also Tages- und Festgelder - niedriger verzinst werden, als wenn sich die Bank das Kapital sich im Interbankenverkehr beschafft. Ein Festgeldzins müsste von der Bank dann immer niedriger sein als der für die Dauer der Festgeldanlage erwartete durchschnittliche Zins am Geldmarkt.


    Heißt also: Geldmarktzins (€STR) > Tagesgeldzins > Festgeldzins


    Schauen wir uns noch das Risiko an: im Tages- und Festgeldbereich habe ich ein Risiko für Einlagen > 100.000. Alles darunter ist gesichert (daher ggf. auch mehrere Banken). Im Geldmarktfonds habe ich dieses Risiko nicht, ich kann beliebige Summen in meinem ETF parken, der ja Sondervermögen darstellt.


    In diesem Sinne könnte ich doch jetzt logischerweise sagen: keine Tagesgelder, keine Festgelder mehr - sondern alles in einen Geldmarkt-ETF wie z.B. XTrackers II EUR Overnight Rate stecken.


    Was denkt ihr? Irre ich mich mit meiner Annahme, dass ein Geldmarkt-ETF in der Regel besser läuft und weniger Arbeit macht als Tages- und Festgeldhopping?


    Liebe Grüße,

    Peter

  • Ich bin letztes Jahr von TG auf den XTrackers II EUR Overnight Rate umgestiegen, aus genau diesen Überlegungen. Der Geldmarkt ETF sollte immer ungefähr soviel Zinsen abwerfen, wie die besten Tagesgelder. Es kann natürlich manchmal Ausnahmen geben, dass eine Bank besonders gute TG-Zinsen anbietet. Diese sind dann aber in der Regel zeitlich begrenzt und es bedarf dann eben immer des Tagesgeldhoppings.

    Vorteil beim TG ist dass ich es sofort gebührenfrei ein-/auszahlen kann. Beim Geldmarkt ETF fallen je nach Broker Gebühren an. Für dauerndes hin- und her ist also der ETF potentiell schlechter geeignet.

    Aber ich habe dort meinen Notgroschen angelegt und den fasse ich im Optimalfall niemals an.

  • Die Gebühren bekommt man ja mit Neobrokern ganz gut in den Griff.


    Die interessantere Frage ist für mich jedoch: müsste der Geldmarkt-ETF nicht im Schnitt auch besser performen als europäische Festgelder?


    Ein Beispiel: das beste 1-Jahres-Festgeld, welches ich heute (03.05.2024) über Weltsparen quellensteuerfrei anlegen kann, hat aktuell 3.60% (Italien; andere ~3.55%). Der €STR lag am 30.04.2024 bei 3,889%.


    Folglich liege ich selbst bei 0,1% TER noch immer besser als das Festgeld.


    Vorteil Festgeld: der Zinssatz ist fest. Aber Festgeldverträge sind ja in einer gewissen Form auch Market Timing: ich vermute, dass es heute besser ist zu investieren als in einem Monat ... und wir wissen alle, das Market Timing nicht funktioniert ...

  • Was ein Nachteil vom Geldmarktfonds ist, ist die Steuer auf die Vorabpauschale.

    Die Zinsen vom Festgeld und die darauf anfallende Steuer kann man leicht berechnen und man muss sich um nicht viel kümmern, weil die Steuern von den ausgezahlten Zinsen abgezogen werden.

    Beim ETF zahlt man v.a. bei den Thesaurierern Steuern auf die Vorabpauschale. Das ist letztlich eine Steuer auf einen virtuellen Gewinn. Man muss daher einen entsprechenden Betrag auf dem Verrechnungskonto bereitstellen, damit davon dann die Steuern abgebucht werden können.

  • Wirklich relevant bzw. problemstisch wird die Thematik m.E. erst wieder, wenn die Zinsen wieder in den negativen Bereich laufen: Da hatten die Bankeinlagen (TG/FG) einen massiven Vorteil durch verbleibende positive Rendite (zumindest zuletzt!), die GF-fonds liefen/laufen dann eben konsequent auch ins Minus…


    Das wäre aus meiner Sicht der kritische Punkt, ab dem sollte man dann m.E. wieder aussteigen und auf TG/FG setzen, bis dahin ist aber m.E. alles gut!

  • Klar, wenn die EZB-Zinsen wieder auf Null (oder ins Negative) laufen, macht der Geldmarkt-ETF mit. Aber die Tagesgelder auch quasi sofort, und bei Festgeldern würde ich erwarten, dass die Banken schon rechtzeitig aufhören würden, überhaupt Festgelder anzubieten.

  • Klar, wenn die EZB-Zinsen wieder auf Null (oder ins Negative) laufen, macht der Geldmarkt-ETF mit. Aber die Tagesgelder auch quasi sofort, und bei Festgeldern würde ich erwarten, dass die Banken schon rechtzeitig aufhören würden, überhaupt Festgelder anzubieten.


    Der Geldmarkt-ETF kann in Niedrigzinsphasen Verluste machen, weil die Gebühren immer anfallen. Tagesgeld/Festgeld machen immerhin keinen Verlust und immer noch Rendite. In der letzten Niedrigzinsphase hat man fast durchgängig irgendwo noch 0,3 % bekommen.


  • Solange die Zinskurve invers ist, ist ein Geldmarkt-ETF praktisch alternativlos. Das ganze Tagesgeld- und Festgeldhopping passiert ja nur, weil es die Leute nicht anders kennen. Die "großen" Verluste gegenüber dem ETF kommen dann dadurch, wenn die Zinskurve "zurückinvertiert" und man sein Geld aber zu schlechten Konditionen im Festgeld gefangen hat. Ansonsten wendet man irrsinnig viel Zeit auf, um in der Nachkommastelle zu optimieren. Wer's mag, kann das tun. Wer einmal in einen Aktien-ETF investiert hat, dem ists vermutlich egal, da das Ding auf Tagesbasis stärker schwanken kann, als die Renditeänderung von Festgeld auf Jahresbasis.

    Es reduziert sich am Ende immer zu der Frage: wieviel Vermögen muss ich nominal wie lange vorhalten, wieviel ich es in den kommenden Monaten/Jahren benötige.

  • Das ganze Tagesgeld- und Festgeldhopping passiert ja nur, weil es die Leute nicht anders kennen.

    Ja, das sehe ich ähnlich.


    Ich versuche allerdings, die Mechanik hinter den Geldmarkt-ETFs zu durchschauen. Und bis auf den Kommentar von andiii_98, der das Thema Steuern anbringt, habe ich auch noch von niemandem einen Kommentar gehört, warum meine These falsch sein könnte.


    Könnte es sein, dass sie richtig ist? ;)


    Das TG/FG nur deswegen noch existiert, weil Kunden es nachfragen? Weil Leute sagen: ich akzeptiere lieber 1 Jahr Festgeld zu etwas schlechteren Konditionen, als Zinsschwankungen zu akzeptieren?


    Ich betrachte einen Geldmarkt-ETF mehr wie ein etwas besseres Tagesgeld. Schnell verfügbar, etwas höhere Konditionen als "normales" Tagesgeld, keine Einlagensicherungsgrenze, ...


    Bleibt nur noch die Frage nach dem Kontrahentenrisiko. Das habe ich nämlich noch nicht wirklich durchschaut, wie das reinspielt und welche Auswirkungen das auf den ETF selbst hätte.

  • Der Effekt der Vorabpauschale ist vernachlässigbar. Bei 10k sind das irgendwas mit 50€ Steuern. Also der entgangene Gewinn aus einer erneuten Anlage sind 2. in Worten ZWEI Euro. Bei 100k also 20€ - Donnerwetter.

    Ja, das sehe ich ähnlich.


    Ich versuche allerdings, die Mechanik hinter den Geldmarkt-ETFs zu durchschauen. Und bis auf den Kommentar von andiii_98, der das Thema Steuern anbringt, habe ich auch noch von niemandem einen Kommentar gehört, warum meine These falsch sein könnte.


    Könnte es sein, dass sie richtig ist? ;)

    Anders herum denken. Du musst die Mechanik von Festgeld verstehen, was den meisten Nutzern überhaupt nicht klar ist. Die Denkweise ist, dass die EZB den Leitzins anhebt also muss es jetzt irgendwie wieder Zinsen auf mein Konto geben. So ist es natürlich nicht. Festgeld und Tagesgeldzinsen werden primär durch Anleihekäufe der Banken gesteuert, um das Geld der Kunden anzulocken. Im Prinzip reichen sie als Intermediär die Anleihecoupons an den Kunden weiter und zwacken etwas für sich ab. Daher ist Festgeld nach oben hin immer reglementiert. Und dahr kommen ja auch diese ganzen Nonename-Spezialfinanzierer (Autos, Haushaltsgeräte, Küchen -> Cronbank) auf einmal auf den Markt weil sie die Change sehen, den gewissenhaften Hans-Dieter aus dem Finanztip-Forum abzuwerben, der sein sauer verdientes Geld mit aller Gewalt/Verzweiflung versucht vor der Inflation zu verteidigen. Und wo dann bei bei marginalsten Zinsänderung im Nachkommabereich dann das Gehirn aussetzt, während er weiterhin gegenüber Realanlagen sein Vermögen verliert.


    Im Falle der Overnight Rate ist es natürlich lukrativ einfach kurzfristig Geld anzulegen, wenn das denn möglich ist (Nachfrage extrem hoch). Für Broker wie Trade Republic, bzw. die Banken dahinter, ist das das daher einfach nur ein durchlaufender Posten.

  • flip


    Es ging mir nicht darum, dass Steuern anfallen, sondern darum dass die nicht aus Erträgen des ETF getahlt werden sondern unabhängig davon aufgebracht werden müssen.


    Auch wenn es nur kleine Beträge sind.


    (Ärgerlicher als die Steuern können die virtuellen Einkünfte sein, die in manchen Situationen als Einkommen gelten.)

  • Die interessantere Frage ist für mich jedoch: müsste der Geldmarkt-ETF nicht im Schnitt auch besser performen als europäische Festgelder?


    Ein Beispiel: das beste 1-Jahres-Festgeld, welches ich heute (03.05.2024) über Weltsparen quellensteuerfrei anlegen kann, hat aktuell 3.60% (Italien; andere ~3.55%). Der €STR lag am 30.04.2024 bei 3,889%.


    Folglich liege ich selbst bei 0,1% TER noch immer besser als das Festgeld.

    Ich habe Ende 2023 zehnjähriges Festgeld für 4,25% p.a. angelegt. Da liege ich bisher besser als der Geldmarkt-ETF. Ob das auch für den gesamten Zehnjahreszeitraum gilt, wissen wir dann Ende 2033. Jedenfalls wenn der Leitzins demnächst wieder gesenkt werden und sich langfristig auf weniger als 4% einpendeln sollte, hätte das Festgeld wohl gewonnen.


    Seit der Zinswende war es zuletzt eher umgekehrt. Ich meine aber, das wird langfristig eher nicht so sein. Der historische „Normalfall“ ist, dass es für längere Festgelder höhere Zinsen gibt als für kurze bzw. Tagesgeld (als Prämie, weil man länger auf den Zugriff verzichtet).

  • Für mich ist Geldmarkt ETF = Bestes Tagesgeld. Man weiß zu jedem Zeitpunkt, wie viel Zinsen es gibt. Nehmen wir den beliebten Xtrackers Overnight ETF: Er orientiert sich eben an der €STR+8,5. Heißt 3,9+0,085=3,985%. Abzüglich TER von 0,1%. Tradingkosten lasse ich mal außen vor, wenn man bei Neobrokern zum Nulltarif kauft/verkauft.


    Es ist aber auch absehbar, dass die EZB im Juni die Zinsen um beispielsweise 0,25% senkt -> Daher hast du automatisch am nächsten Tag des Zinsentscheids nur noch 3,65+0,085=3,735%... usw usf.


    Daher ist wiederum für mich auch der optimale Zeitpunkt, um einen Teil in Festgeld mit max. 3 Jahren zu stecken. Denn ich weiß, in 2 Jahren brauch ich eine neue Küche -> Daher habe ich mir letztens noch gute Zinsen auf 2-Jahres Festgeld gesichert. Zumal ich davon ausgehe, dass der Leitzins nun stetig sinken wird. Kann mich aber auch irren -> dann wäre natürlich alles in einem Geldmarkt ETF besser gewesen.

  • Ich betrachte einen Geldmarkt-ETF mehr wie ein etwas besseres Tagesgeld. Schnell verfügbar, etwas höhere Konditionen als "normales" Tagesgeld, keine Einlagensicherungsgrenze, ...

    Ja, insofern hat das auch ein völlig anderes Profil als Festgeld. Jede Form der Geldanlage hat ihre Vor- und Nachteile. Eine ständig verfügbare Liquiditätsreserve kommt bei uns aufs Tagesgeld (alternativ ginge auch in einen Geldmarktfonds, bisher bekommen wir beim Tagesgeld aber mehr). Langfristige Geldanlage/Altersvorsorge kommt in einen Welt-ETF (schlägt langfristig idealerweise die Inflation). Geld zur Ablösung eines Immokredits in 10 Jahren kommt bei uns in Festgeld (Zinsdifferenzgeschäft - wir müssen nicht die Inflation schlagen, sondern nach Steuern nur den Kreditzins von 0,54%, vorher dran müssen wir nicht).

  • Ich hab das Konzept immer noch nicht so ganz verstanden.

    Was mach ich denn mit dem Geldmarktfonds-ETF, wenn die Zinsen immer niedriger werden oder gar ins Negative laufen. Verkaufen? Aber dann hab ich doch im Vergleich zum TG / FG auch Verlust gemacht oder nicht?

  • Hallo zusammen,

    besser in Geldmarkt ETFs investieren nicht in Geldmarktfonds.

    Irgendwann werden die Kurse fallen. Das geht aber nicht von jetzt auf gleich.

    Finanztip wird dann informieren.

    Daher macht der Newsletter Sinn.

    LG

  • Ich hab das Konzept immer noch nicht so ganz verstanden.

    Was mach ich denn mit dem Geldmarktfonds-ETF, wenn die Zinsen immer niedriger werden oder gar ins Negative laufen. Verkaufen? Aber dann hab ich doch im Vergleich zum TG / FG auch Verlust gemacht oder nicht?

    Wenn die Zinsen fallen, steigt der Kurs des Geldmarkt-ETF nur langsamer an, aber er steigt nach wie vor. Für Tagesgeld würdest du dann aber auch entsprechend weniger Zinsen bekommen, das steigt und fällt bei den meisten Banken ja auch orientiert am Leitzins.


    Erst wenn der Leitzins negativ (bzw. fast negativ reicht auch weil TER) werden sollte, sinkt der Geldmarkt ETF. Erst dann wird dein Geld wirklich weniger, und dann solltest du es rausnehmen und auf ein Tagesgeldkonto schieben. Dort wird es dann zwar auch keine bis kaum Zinsen geben, aber vermutlich bei den meisten Banken für überschaubare Geldmengen auch keinen Negativzins/Verwahrentgelt, so war es jedenfalls das letzte Mal.


    EDIT: Festgeld ist ein ganz anderes Thema, das kann man m.E. damit nicht vergleichen, weil man nicht täglich drankommt. Wer Festgeld anlegt, friert die Konditionen zum Marktzinsniveau des Anlagezeitpunkts ein. Da kann man Glück haben (wer 2008 zehnjähriges Festgeld für 5% - sind jetzt fiktive Werte - abgeschlossen hat, hat in der Niedrigzinsphase vom früheren höheren Zins profitiert) oder Pech (wer kurz vor einem größeren Zinsanstieg sein Geld lange festgelegt hat, bleibt an die niedrigeren Zinsen gebunden).