BTW: Viele Menschen können sich eine schlechte/keine Anlagestrategie finanziell leisten. Da ist es dann höchstens ärgerlich, dass man Rendite liegen lässt.
Ja, es ist doch ein erheblicher Unterschied, in welcher Situation man sagt "Hauptsache man fühlt sich wohl damit."
Meine Eltern haben zum Beispiel auch einen Großteil ihres Vermögens in einzelnen vermieteten Immobilien stecken, natürlich auch alle im näheren Umkreis. Sie haben zwar auch einige Einzelaktien, aber soweit ich weiß eher wenige im Verhältnis zu den Immobilien, und sowas wie ETFs gar nicht, soweit ich weiß.
Ist das rational die bestmögliche Aufteilung? - Nein.
Gibt es da ein Klumpenrisiko? - Ja, natürlich (wenn auch zumindest nicht in einer einzigen Immobilie konzentriert, aber eben in der Region).
Rentieren die Immobilien schlechter als es ein marktbreiter Welt-ETF tun würde, insbesondere vor dem Hintergrund von Instandhaltungskosten, gelegentlichem Leerstand wegen Mieterwechsel, inzwischen auch zusätzlichen Kosten wegen Sondereigentumsverwaltung (weil ihnen das selbst zu viel wurde mit Nebenkostenabrechnungen etc.)? - Vermutlich ja (aber das hat, wenig überraschend und wie vermutlich bei den meisten privaten Immobilieneigentümern / Vermietern, nie jemand nachgerechnet).
Machen sie dabei auch noch mehr Arbeit? Definitiv ja!
Es ist aber im Ergebnis egal, weil das Geld reicht. Und in dem Fall bin ich tatsächlich der Meinung, solange sie sich wohl damit fühlen, ist das völlig in Ordnung. Es ist ihr Geld, es war / ist ihr Weg, Vermögen aufzubauen, sie sind damit durchaus erfolgreich, und es mag nicht die beste Anlagestrategie sein, es ist aber definitiv auch nicht die schlechteste.
Der Threadstarter Jerry74 schreibt, er sei 57 Jahre alt und habe "2 abbezahlte Immobilien, noch deutlich mehr Geld auf der hohen Kante [...] plus andere Einnahmequellen."
Das wäre für mich persönlich eher ein Grund, die Gewinne im Depot nicht zu realisieren, sondern es einfach weiterlaufen zu lassen, denn vermutlich ist der Anteil am Vermögen so gering, dass ein kurzfristiger Einbruch kaum spürbar ist, und mit 57 Jahren ist der Anlagehorizont durchaus noch so lang, dass man einen etwaigen Einbruch aussetzen kann und perspektivisch (deutlich) mehr Rendite macht als mit Realisierung der Gewinne jetzt und Tagesgeld (bzw. Sparplan in homöopathischen Dosen) über die nächsten 20 Jahre.
Andererseits: Wenn er genug Geld aus anderen Quellen hat, ist er auf die Mehrrendite dieses kleinen Vermögensteils auch nicht angewiesen. Macht er damit real nach Inflation vermutlich ein Minus über die nächsten 10 bis 20 Jahre? Klar. Kann er es sich leisten? Ja, anscheinend schon. Und wenn er mit negativer Realrendite (aber weniger Schwankung) auf diesen kleinen Vermögensteil besser schläft, ist das ja auch ein Wert (wenn auch kein finanzieller).
Wichtig ist, dass man sich über diese Dinge überhaupt Gedanken macht. Denn wie monstermania richtig sagte, es gibt unzählige Leute, die sich mit ihrem "Finanzberater" zwischen Riesterrenten, Bausparverträgen und Fonds mit 5% Ausgabeaufschlag und 2,5% TER über Jahrzehnte total wohlfühlen und gar nicht realisieren, was für objektiv teure und schlechte Anlagen sie da eigentlich haben. Wohlfühlen allein ist bei der Geldanlage kein sinnvolles Kriterium. Es kann und sollte in die Abwägung einfließen, z.B. welche Risikoverteilung man wählt, aber es kann und darf nicht das einzige Kriterium sein und schon gar kein Argument dafür, die Augen davor zu verschließen, wie schlecht / unpassend / teuer man sein Geld die letzten Jahre oder Jahrzehnte angelegt hat.