Über 60 Geld aus ETF nehmen?

  • Hallo, ich habe erst Anfang des Jahres eine relativ hohe Summe aus einer fällig gewordenen Lebensversicherung in einen ETF gelegt, die bisherige Entwicklung liegt über dem Durchschnitt, und ich überlege, ob es Sinn macht, die Hälfte des reinen Gewinns einfach rauszunehmen. Die Überlegung: der ETF, das zeigt ja die Statistik über die immer so gerne angenommenen 15 Jahre, wird ja auch wieder mal ordentlich abrutschen zwischendurch und eben weniger bringen als die durchschnittlichn 7 Prozent, vor allem weniger als das, was er bei mir im ersten halben Jahr schon zugelegt hat. Macht das Sinn, in guten Jahren immer mal wieder einen Teil des bloßen Zugewinns abzuschöpfen, oder ist das eine Milchmädchenrechnung? Bin über 60, habe also sowieso spät angefangen...

    Freue mich über Anworten, danke! :)

  • Eine Milchmädchenrechnung ist es vielleicht in der Hinsicht, dass Du gedanklich dein Depot in “eingezahltes Geld” und “bloßer Zugewinn” aufzuteilen scheinst. Dieser Unterschied besteht nur in Deinem Kopf. Wertveränderungen betreffen nach oben wie auch nach unten immer dein gesamtes Depot. Dass Du jetzt irgendwie eine besondere Grenze einziehst und sagst du schöpfst den Zugewinn ab, ist willkürlich und hat keine bessere Logik als jeden anderen beliebigen Betrag zu entnehmen.

  • Hallo PantaRhei Man kann aus dem bisherigen Verlauf der Börse nicht direkt auf die Zukunft schließen. Wenn es also ein paar Monate gut lief, kann das bedeuten, dass demnächst die Kurse sinken. Oder aber weiter steigen. Oder erst ein wenig sinken und dann wieder über den heutigen Punkt steigen (das passiert häufig). Die einzige Vorhersage, die alle wagen ist, dass es tendenziell eher aufwärts als abwärts geht.


    Die Überlegungen, die Du anstellst, sind schon richtig. Du könntest Dir zwei Fragen beantworten: 1. Wie sehr brauchst Du das angelegte Geld? Ist es für verzichtbaren Luxus oder fest in Dein Monatsbudget eingeplant. 2. Was macht es emotional mit Dir, wenn am Montag die Börsen einbrechen, nächsten Freitag alles um 50 % runtergesackt ist und alle zur Bank rennen, um sich noch etwas Gold oder zumindest Bargeld zu holen.


    Daraus könnte man eine Aktienquote ... sagen wir mal: "bestimmen", die den Schnittpunkt zwischen maximaler Rendite und hinnehmbarem Risiko bildet.


    Vielleicht schaust Du mal nach "Entnahmestrategie", um die Entnahmephase zu optimieren und eventuell mit höheren Aktienquoten zurecht zu kommen. Da gab es hier neulich so einen schicken Link...

  • Ich habe erst Anfang des Jahres eine relativ hohe Summe aus einer fällig gewordenen Lebensversicherung in einen ETF gelegt,

    Könnte sein, daß Du damit schon einmal eine richtige Entscheidung getroffen hast, nämlich dem Werben der Finanzprodukteverkäufer zu widerstehen, die sicherlich auf eine Sofortrente gedrängt haben.

    die bisherige Entwicklung liegt über dem Durchschnitt, und ich überlege, ob es Sinn macht, die Hälfte des reinen Gewinns einfach rauszunehmen.

    Und wohin damit?


    Das ist Deine Anlageentscheidung, auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt. Das kann man so machen, das muß man aber nicht so machen.

    Der ETF, das zeigt ja die Statistik über die immer so gerne angenommenen 15 Jahre, wird ja auch wieder mal ordentlich abrutschen zwischendurch und eben weniger bringen als die durchschnittlich 7 Prozent, vor allem weniger als das, was er bei mir im ersten halben Jahr schon zugelegt hat. Macht das Sinn, in guten Jahren immer mal wieder einen Teil des bloßen Zugewinns abzuschöpfen, oder ist das eine Milchmädchenrechnung? Bin über 60, habe also sowieso spät angefangen...

    Die Statistik zeigt eindeutig, daß derjenige die beste Rendite erzielt, der überhaupt nicht handelt. Du schielst nach Market-Timing, weil das Jahr 2024 bisher besonders gut gelaufen ist. Also nimmst Du die Hälfte des Geldes jetzt heraus, in der zweiten Hälfte 2024 steigt die Börse nochmal um 10% - und Du ärgerst Dich, daß Du herausgegangen bist.


    Market-Timing geht fast :) immer schief - und aus statistischen Gründen wirst Du nicht derjenige mit dem goldenen Händchen sein.


    Was Du überhaupt mit Deinem Geld machst, sollte in eine übergeordnete Finanzplanung passen. Ich bin schon lang an der Börse unterwegs, ich beabsichtige nicht, in meinem Ruhestand davon abzugehen, meine Rente wird mir dann genügend "Sicherheitsbaustein" sein. Andere Leute wollen Schlag Eintritt Ruhestand jegliche Kursveränderung final ausschließen. Jeder legt sein eigenes Geld selber an.

  • Überleg Dir, wie viel Geld du mindestens jeden Monat benötigst, um Deine Rentenlücke auszugleichen. Rechne das großzügig mal 360 (30 Jahre). Alles darüber hinaus kannst Du im ETF lassen. Jetzt überleg Dir, ob 25 - 30 Jahre nicht ein ausreichend langer Zeitraum sind, um Schwankungen zu ertragen und Du einen Teil des Vermögens was für die Rente notwendig ist nicht auch im ETF verbleiben kann. ( Faustregel 120 - Lebensalter ) Und zu guter letzt: Gönn Dir jetzt was. (Reisen, Auto, etc.) wer weis ob Du in 10, 15, 20 Jahren nocht fit genug bist um das zu geniessen. Denk dran: Das letzte Hemd hat keine Taschen.

  • Macht das Sinn, in guten Jahren immer mal wieder einen Teil des bloßen Zugewinns abzuschöpfen,

    Was machst Du denn dann mit dem Geld? Wenn Du es nicht zum Leben brauchst und auf dem Tagesgeldkonto zu 2-3% Zinsen parkst, kostet das auf Dauer Opportunitätskosten.


    oder ist das eine Milchmädchenrechnung?

    Am Ende ist das Market Timing. Kann gutgehen, kann schiefgehen, merkst Du hinterher. Denn woher weißt Du, wann der richtige Zeitpunkt ist zum "abschöpfen"? Vom 1. Januar bis 1. März dieses Jahres gab es in dem MSCI-World-ETF, in dem ich anlege, einen Zuwachs von gut 8% in gerade mal 2 Monaten. Nach Deiner Logik wäre das möglicherweise ein super Zeitpunkt zum "abschöpfen" gewesen - krasse Rallye, aufs Jahr gesehen wären das 48%, wer weiß ob er nicht bald wieder abstürzt, lieber Gewinne sichern! Stand heute ist er aber seit dem 1. März um weitere 7% gesteigen. Hätte ich den Gewinn von 8% am 1. März "abgeschöpft" und seither auf dem Tagesgeld zu 3% Zinsen p.a. geparkt, hätte der in der Zwischenzeit (4 Monate) gerade mal 1% Zinsen gebracht.


    In Zahlen mit Beispiel-ETF (ich nutze diesen hier https://extraetf.com/de/etf-pr…IE00B4X9L533?tab=overview )

    1. Januar: ETF-Kurs 28,93 EUR, 100.000 EUR angelegt in 3.457 Anteilen

    1. März: ETF-Kurs 31,14 EUR, die Anteile sind also jetzt 107.631 EUR wert

    1. Juli: ETF-Kurs 33,00 EUR


    Variante a): Das Geld bleibt im ETF liegen.

    Ergebnis am 1. Juli: 114.081 EUR insgesamt (3.457 Anteile zu 33,00 EUR).


    Variante b): 7.631 EUR Gewinn (= ca. 245 Anteile) werden am 1. März "abgeschöpft" und zu 3% p.a. als Tagesgeld angelegt, auf dem Depot bleiben 3.212 Anteile.

    Ergebnis am 1. Juli: 113,703,31 EUR insgesamt, zusammengesetzt aus 7.707,31 EUR auf dem Tagesgeld (3% p.a. ergeben auf vier Monate 1%), zzgl. 105.996 EUR (3.212 Anteile zu je 33,00 EUR) im Depot.


    Das sind jetzt absolut gesehen in diesem Beispiel keine riesigen Beträge. Das "Gewinne abschöpfen" hätte Dich in diesem Szenario aber in nur 4 Monaten knapp 0,4% Rendite gekostet. Klar, wäre der ETF heute nicht bei 33 EUR, sondern wieder auf 28 EUR runtergegangen, hätte es sich gelohnt. Aber Du weißt eben nicht vorher, wann der passende Zeitpunkt zum kaufen und verkaufen ist.

  • Hallo, ich habe erst Anfang des Jahres eine relativ hohe Summe aus einer fällig gewordenen Lebensversicherung in einen ETF gelegt, die bisherige Entwicklung liegt über dem Durchschnitt, und ich überlege, ob es Sinn macht, die Hälfte des reinen Gewinns einfach rauszunehmen. Die Überlegung: der ETF, das zeigt ja die Statistik über die immer so gerne angenommenen 15 Jahre, wird ja auch wieder mal ordentlich abrutschen zwischendurch und eben weniger bringen als die durchschnittlichn 7 Prozent, vor allem weniger als das, was er bei mir im ersten halben Jahr schon zugelegt hat. Macht das Sinn, in guten Jahren immer mal wieder einen Teil des bloßen Zugewinns abzuschöpfen, oder ist das eine Milchmädchenrechnung? Bin über 60, habe also sowieso spät angefangen...

    Freue mich über Anworten, danke! :)

    Entscheidend ist wann das Geld benötigt wird und nicht wann man damit angefangen hat, das lässt sich eh nicht mehr ändern. Wenn man den Zugewinn abschöpft, fehlt dieser bei der weiteren Entwicklung, oder einfach der Zinseszins geht komplett verloren. Wenn du über 60 bist vermute ich, dass du mit Eintritt in die Rente Gelder aus dem ETF benötigst. Nun sollte man schauen, wann und in welchem Umfang das der Fall ist. Ich habe mir das genau berechnet und mir für den 5 Jahresbedarf alles in sichere Anlagen verschoben, der Rest ist weiterhin im ETF und wird bei gutem Stand wieder für die sicheren Anlagen der 5 Jahre verwendet. Damit versuche ich die kurzfristigen Crashs zu überbrücken. Das wäre eine von vielen Möglichkeiten, manche nutzen einen Entnahme-Plan, oder den Pantoffel von FinanzTest. Sollte man sich alles mal anschauen und für sich die beste Lösung finden.

  • Überleg Dir, wie viel Geld du mindestens jeden Monat benötigst, um Deine Rentenlücke auszugleichen. Rechne das großzügig mal 360 (30 Jahre). Alles darüber hinaus kannst Du im ETF lassen.


    Jetzt überleg Dir, ob 25 - 30 Jahre nicht ein ausreichend langer Zeitraum sind, um Schwankungen zu ertragen und Du einen Teil des Vermögens was für die Rente notwendig ist nicht auch im ETF verbleiben kann. (Faustregel 120 - Lebensalter) Und zu guter Letzt: Gönn Dir jetzt was. (Reisen, Auto, etc.). Wer weiß, ob Du in 10, 15, 20 Jahren nocht fit genug bist, um das zu genießen. Denk dran: Das letzte Hemd hat keine Taschen.

    :)

    Besser reich und gesund als arm und krank.


    Nicht viele Anleger haben Rentenlücke * 360 zur Verfügung und noch Geld darüber hinaus. Wenn das der Fall ist, kann man das natürlich machen.


    Wenn man im Ruhestand überhaupt Aktien halten möchte, wäre ein für viele Anleger realistischerer Ansatz, den Ergänzungsbedarf ("Rentenlücke") für 5 Jahre festverzinslich zu halten und den Rest in ETFs. Mal ausgehend davon, daß das frei investierbare Vermögen im Lauf des Ruhestands verzehrt werden soll, würde man den Ergänzungsbedarf aus den ETFs finanzieren, wenn die Börse gut läuft, und aus dem "Sicherheitsbaustein", wenn die Börse schlecht läuft, um das Depot zu schonen.


    Letzlich muß das alles aber in ein übergeordnetes Vermögenskonzept passen. Einzelfragen herauszupicken und beantworten zu wollen, bringt es meist nicht.