die Frage ist doch WARUM? Steckt da nicht primär Eigeninteresse drin?
Bei Vermögensverwaltern kann man dieses Argument bringen und wenn man bedenkt, dass die meisten Vermögensverwalter (auch Beck) ein einfaches 60/40 Portfolio nicht schlagen, ist die Kritik m.E. berechtigt. Allerdings gibt es sehr viel Kapitalmarktforschung zu dem Thema und da ist Eigeninteresse nicht das vordergründige Motiv. So zumindest mein Eindruck. Die Modelle, die wir aus der Wissenschaft kennen, gehen deutlich weiter und zeigen, dass man ein Portfolio (zumindest theoretisch) besser aufstellen kann. Du kannst dir ja mal die Studien von Fama/French oder auch Markowitz durchlesen oder anlesen. Das ist schon sehr faszinierend.
Zitat von TaustDas heißt aber auch, dass Volatilität für sich eigentlich gar kein Risiko ist. Risiko ist, dass man in den schlechten (volatil nach unten) Phasen entnehmen MUSS.
Man braucht also keine Mittel um die Volatilität zu reduzieren, sondern um sicher ausreichend liquide zu sein um sein Leben bestreiten zu können, wenn der Markt gerade xy % gecrashed ist.
In der Theorie ist das so. Aber wenn du das umsetzen musst, kommst du schnell an Grenzen. Wie viel Cash hältst du vor? 5 Jahre? 10 Jahre? 20 Jahre? Auf welcher Grundlage? Vergangene Crashs? Was ist mit dem hier? In der Kalkulation drin oder nicht? Das war ganz schön lange...
Jeder Euro in Cash sind Opportunitätskosten und jeder Euro im Risiko kann eventuell 20 Jahre (oder mehr) nicht ohne realen Verlust entnommen werden. Dazu kommt, dass es bei vielen Privatanlegern knapp ist. Da muss man schon genau planen damit das Geld reicht. 15 Jahre Lebenshaltungskosten im Geldmarkt bedeutet bei vielen ,,fast alles im Geldmarkt".
Ab einer bestimmten Vermögenhöhe ist es schlichtweg egal wie man anlegt. Aber bei den meisten Privatpersonen in der Entnahmephase ist genaue Planung m.E. essentiell. Dazu kommt, dass viele unerfahren sind und mit Volatilität schlecht umgehen können. Das kann ganz schön herausfordernd sein mit mehreren Produkten oder gezielten Aktionen im Crash.
Zitat von Taustaber das wäre für mich eben nur Selbstschutz, aber mathematisch/statistisch ist es eigentlich nicht begründbar
Volle Zustimmung! Die Abwägung von rein mathematisch basierten Faktoren und emotionalen Dingen ist das eigentlich Problem an der Sache. Ich kann mir gut vorstellen, dass Vermögensverwalter wie Gerd Kommer und Berater wie Nikolaus Braun nicht das mathematisch ideale Portfolio für die Mandanten vorschlagen, sondern eines, mit dem sie leben können.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ein junger Mensch mit einem Sparplan auf den FTSE All-World (also 100% in Aktien), der das gnadenlos durchzieht und jeden freien Euro investiert, im Alter so viel Volumen im Depot hat, dass er auch ohne Beimischung von anderen Assets zu jedem Zeitpunkt und während der Rente besser dastehen wird als ein Anleger mit komplizierter Asset-Allokation. Die Frage ist halt immer: Hält er das aus?
Nochmal: Man darf das nicht unterschätzen. Wenn man in einem Jahr 500-600.000 Euro verliert und das Ding über 10-15 Jahre nicht hoch kommt oder nach wenigen Jahren erneut einbricht, beginnen in einem Dinge zu arbeiten, die man sich bis dahin nicht vorstellen konnte. Du solltest dir mal die Videos von der Finanzkrise oder während Corona nochmal anschauen. Wenn selbst Gerd Kommer ganz weiß und mit zittriger Stimme: ,,Das wird schon wieder. Irgendwann." flüstert oder Warren Buffet davon redet, dass es diesmal auch nicht gut ausgehen könnte, kommt man richtig ins Grübeln.
Die Finanzkrise war praktisch eine Krise, aufgrund der Tatsache, dass unser gesamtes Finanzsystem nicht mehr funktioniert hat. Klar, im Nachhinein kann man das als ,,Crash" abtun, weil politisch reagiert wurde. Aber zu der Zeit war wirklich nicht klar, ob das zu einer Neuordnung führen wird. Warren Buffet meinte, dass wir großes Glück hatten, dass richtige Entscheidungen getroffen wurden. Das hätte auch anders ausgehen können...