82 jährige Mutter wird statt Festgeld ein Express-Zertifikat verkauft

  • Guten Morgen, liebe Leute,

    gestern Abend habe ich von meiner Mutter erfahren, daß sie ab November deutlich höhere Zinsen bekommt über die nächsten drei Jahre, nämlich zwischen 2,8% und 3,4%.

    Sie schickte mir eine Zeichnung ihrer "Beraterin" bei der Kreissparkasse. Ein bisschen klingelte die Alarmglocke bei mir, ich fragte sie, ob sie etwas unterschreiben musste und ob sie das Blatt zur Hand hat und ob dort der Name des Produktes steht.

    Nächstes Bild zeigt: Deka Express Zertifikat Relax MSCI World Climate 4,5 02/2032. Da war ich denn schon einigermaßen sauer auf die Sparkasse.

    Echte Laufzeit also über sechs Jahre und vor allem ein Zertifikat. Ich google also das Zertifikat. Es hat eine Barriere von 60%. Wenn ich es richtig verstanden habe, tritt ab der Schwelle eine Umwandlung in Kraft, aus dieser "Scheinanleihe", so nenn ich es mal, wird ein Indexpapier und der Kurs fällt um 40%, wie der darunter liegende Index, der den schönen Namen hat: MSCI World Climate Change Top ESG Select 4.5% Decrement Index.

    Es wird nicht börsennotiert sein laut Datenblatt. Rückgaben sind jährlich im Februar möglich ab 02/2027. Immissionsdatum ist nächste Woche.

    Meine Mutter wollte mit Sicherheit keine Wette eingehen, wie irgendein Aktienindex läuft. Sie hat von ihren 235.000€ aus dem Hausverkauf vor einem Jahr jetzt 100.000€ in diesem Papier und ist sehr stolz, selbst das Geld so gut angelegt sie haben. Laut der Beraterin und ihrem Chef, sie kannte schon seine Eltern...., ist alles sehr sicher. Datenblatt sagt: Risikostufe 4.

    Die 10 größten Werte im Index:

    Top 10 constituents Sector Weights

    Sector Index Wt. (%)

    VISA A Financials 5.29

    MASTERCARD A Financials 5.19

    SERVICENOW Info Tech 4.30

    EQUINIX Real Estate 2.39

    INTUIT Info Tech 2.11

    ADOBE Info Tech 2.05

    ADVANCED MICRO DEVICES Info Tech 2.05

    S&P GLOBAL Financials 1.95

    AMERICAN EXPRESS Financials 1.86

    AUTODESK Info Tech 1.60

    Total 28.80

    Nun überlege ich, morgen früh die Dame bei der Bank anzurufen und zu fragen, ob ausreichend auf die Risiken hingewiesen wurde.

    In diesem Monat sollten meine Schwester und ich eigentlich die Vollmacht über das Konto meiner Mutter bekommen, im September hatten wir dazu unsere Daten geschickt. Die Papiere zur Unterschrift kamen noch nicht, stattdessen jetzt ein Express-Zertifikat für 100T€....

    Was würdet ihr nun machen? Bin ich zu nervös, was die 60% Barriere angeht? Ein starker Verlust bei Crash wäre möglich, auch wenn die MAG7 in diesem Index anscheinend keine (große) Rolle spielen, aber indirekt natürlich schon....

    Meine Mutter möchte ruhig schlafen. Ich hatte sie gestern Abend schon etwas beunruhigt, konnte das zum Glück wieder einfangen, was aber an der Konstruktion des Zertifikats nichts ändert. Bei 800€ Rente ist sie auf das Geld definitiv angewiesen.

    Und natürlich sind die Zinsen für Festgeld bei der Sparkasse niedrig, Tagesgeld 0,2%, Monatsfestgeld 1,2%.

    Das Institut will sie auf keinen Fall wechseln....

    Sorry für den langen Text...

    Vielen Dank und schöne Grüße!

  • Angesichts der geschilderten Umstände würde ich schriftlich vom Kauf zurücktreten. Am besten mit Unterschrift der Mutter, sofern sie dazu bereit ist.

  • Eine Vollmacht für ein Konto ist keine Vorsorgevollmacht.

    Es handelt sich offenbar um einen leider typischen Fall im Kreissparkassenbereich.

    Ich würde elegant das Gespräch mit der Leitung suchen und „wegen eines Missverständnisses“ auf eine Rückabwicklung hinwirken.

    Schriftliche Erklärung der Mutter mitbringen, dass sie von den ganzen Zeug zurücktritt und nichts verstanden hat.

    Ansonsten würde man komplett medial diese Kreissparkasse ins Rampenlicht stellen.

    Das Zertifikat ist eine Katastrophe.
    Es kann unmöglich sein, dass die Kundin das Konstrukt begriffen hat.

    Die Fehlberatung ist zudem rechtlich angreifbar.

  • Ich würde mir einen Rechtsanwalt nehmen und der Sparkasse so dermaßen auf den Sack hauen, das er nächstes Jahr Weihnachten noch rot ist.

    Es gibt zu diesem Thema mehrere Gerichtsurteile.

    BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10: Bank haftet, wenn sie einem sicherheitsorientierten Anleger riskante Zertifikate empfiehlt.

    OLG Frankfurt, Urteil vom 23. Februar 2018 – 24 U 146/16: Verstoß gegen anlegergerechte Beratung bei Verkauf komplexer Produkte an ältere Kundin ohne Erfahrung.

    Auch wenn das viele nicht wissen: Eine Bank muss anlegergerecht und objektgerecht beraten und auf die Situation angepasste Produkte anbieten:

    • Alter
    • Vermögen / Einkommen
    • Anlageziel (z. B. Sicherheit, Altersvorsorge, Rendite)
    • Erfahrung mit Wertpapieren
    • Risikobereitschaft
    • das Produkt selbst muss verständlich und passend erklärt werden:
      • Funktionsweise
      • Risiken (z. B. Totalverlust, Nachrangigkeit, Emittentenrisiko)
      • Laufzeit, Kündbarkeit, Kosten

    Eine Unterschrift deiner Mutter auf einem Beratungsprotokoll, das auf die Risiken hinweist, genügt nicht!

  • Auch mir wurde von meiner Hausbank (Erste Bank Sparkassen) nach jahrelangem Andrehen diverser aktiver Fonds (diese waren immerhin nicht sehr riskant , bloß schweineteuer und unattraktiv) plötzlich zu „attraktiv verzinsten“ Anleihen geraten, weil ich „doch so viel Wert auf Sicherheit“ legen würde.

    Erst nach und nach habe ich verstanden, was das für Vehikel sind und bin entsprechend sauer auf meine Hausbank gewesen. Mittlerweile habe ich dort fast alles liquidiert.

    Ein derartiges Zertifikat habe ich - mittlerweile verstehend, was das ist und daher in Kenntnis des Risikos und der Befriedigung meines Spieltriebes - behalten.

    Vielleicht hilft es dir im Gespräch mit deiner Mutter ihr zu erzählen dass die falsche Beratung so wie sie von der Bank des Vertrauens abgelaufen ist, kein Einzelfall ist. und die das gerne mit jahrelangen Kunden so machen und v.a. Aufgrund deren Vertrauen so machen können. Und dass sie nichts falsch gemacht hat (das ist wichtig!) , sondern schlecht und eigennützig „beraten“ wurde. Das kann man zwar eh überall nachlesen u.a. bei Waltz, aber das kennt sie ja vermutlich nicht, vielleicht hilft dir daher so eine persönliche „Story“ ein bisschen weiter im Gespräch mit ihr.

    Je nach Alter der Mutter halte ich so ein Zertifikat für ein „Verbrechen“. Ich kann mir aber vorstellen, dass mit entsprechendem Insistieren der Abschluss rückgängig gemacht werden kann….auch wenn die Bank es möglicherweise „Kulanz“ nennen wird um nicht ihrerseits einen Fehler zugeben zu müssen. Aber das ist am Ende ja zweitrangig.

    Hauptsache die Mutter kommt da wieder raus, soferne sie sich nachdem sie verstanden hat worum es sich hierbei wirklich handelt, sie da auch wieder rauskommen will.

    Für das Gespräch mit der Bank würde ich mir aber auf jeden Fall - soferne Ihr das nicht gemeinsam führt - bereits eine Vollmacht der Mutter und/oder einen Rücktritt vom Vertrag mitgeben lassen. Auch wenn die ohne notarielle Beglaubigung oder weil sie nicht vor der Bankbeamtin abgegeben wurde noch nicht formvollendet sein mag …Aber sie verhindert jedenfalls den ersten Regkex der Bank gar nicht mit dir sprechen zu müssen/dürfen wenn die sieht was da auf sie zukommen wird.

  • Angesichts der geschilderten Umstände würde ich schriftlich vom Kauf zurücktreten.

    Genau so.

    Ich würde mir einen Rechtsanwalt nehmen

    Das ist hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen und vermutlich bleibt sie auf den Kosten sitzen.

    Eine Bank muss anlegergerecht und objektgerecht beraten

    Expresse sind nicht generell Teufelszeug, aber man muss sich damit auskennen und sich den Risiken bewusst sein. Das ist hier definitiv nicht gegeben.

    Was mich überhaupt wundert, meine Mutter hat gar kein Depot

    Das wurde vermutlich gleich mit eröffnet!

  • Das ist hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen und vermutlich bleibt sie auf den Kosten sitzen.

    Genau diese Denke ist der Hauptgrund, warum die Sparkassen und andere aus dem Provisionsvertrieb seit Jahrzehnten den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen und faktisch ,,legalen Betrug" begehen. Sie wissen genau, dass sich die Leute nicht wehren und sich im schlimmsten Fall nur beim (eingeweihten) Vorgesetzten beschweren. Man macht einen Rückzieher und verarscht den nächsten Kunden. Würde jeder Kunde rechtlich draufhauen, wäre es ziemlich schnell Schluss mit lustig. ,,Spatzen" sind das nämlich nicht. Sie zerstören Existenzen von den vulnerabelsten Gruppen dieser Gesellschaft. Das ist schäbig und durch nichts zu entschuldigen.

    Zitat von Hornie

    Expresse sind nicht generell Teufelszeug, aber man muss sich damit auskennen und sich den Risiken bewusst sein.

    Das kann man von jedem Mist behaupten.

    Heroin ist nicht generell Teufelszeug, aber man muss sich damit auskennen und sich den Risiken bewusst sein.

  • ...

    Das Institut will sie auf keinen Fall wechseln....

    ....

    Zunächst gilt: Paragraph 1: Jeder macht seins!

    Leider sind ältere Kunden mit langjähriger Kontoverbindung häufig Opfer bei zu platzierenden Produkten. Hat mMn nichts mit der Kreissparkasse zu tun, kann man im gesamten Filialbankenbereich beobachten. Die Berater haben häufig auch gar kein schlechtes Gewissen. Nicht selten haben sie es auch den eigenen Eltern angeraten und ihnen ist das Risiko einer solchen Anlage gar nicht bewusst (Barriere, Laufzeit, etc.)


    Da Deine Mutter ja offensichtlich das Institut gar nicht wechseln möchte halte ich die Hinweise auf Anwalt und Klage für nicht zielführend. Deine Mutter fühlt sich beim nächsten Besuch in der Sparkasse wahrscheinlich nicht wirklich wohl, wenn diese gerade von ihr verklagt wird.

    Rede mit denen (möglichst mit einer Vollmacht) mit dem Ziel, dieses Geschäft aus "Kulanzgründen" rückabzuwickeln mit dem Hinweis auf die offensichtlich nicht ausreichende Risikoaufklärung bei einer 82-jährigen ohne Erfahrung in diesem Bereich.

    Vorteil: Deine Mutter fühlt sich dabei wahrscheinlich wohler als mit einer Klage.

    In Zukunft erledigst Du mit Deiner Schwester mittels Vollmacht diese Bankgeschäfte, mit Deiner Mutter zusammen oder nach Absprache.

    Das psychische Wohl meiner Mutter wäre mir in so einem Fall wichtig.

  • Vorteil: Deine Mutter fühlt sich dabei wahrscheinlich wohler als mit einer Klage.

    Ich habe nichts von einer Klage geschrieben. Diese Frau wurde von ihrer Bank aufs Übelste betrogen. Man kann das ruhig beim Namen nennen. In welchem anderen Bereich wäre es auch nur ansatzweise gerechtfertigt bei Betrug ,,um Kulanz zu bitten" und ,,auf weiterhin gute Beziehungen" zu hoffen. Geht's noch? Mit was für einem Ziel? Das die Frau in ein paar Jahren den nächsten Mist unterschreibt oder ihr Nachbar das nächste Opfer wird?

    Man muss hier mal Tacheles reden. Sowohl mit der Bank, als auch mit der Mutter. Das was da jeden Tag abläuft ist eine bodenlose Sauerei und keiner macht was, weil er sich aus falscher Höflichkeit nicht traut.

    Diese Vollpfosten müssen spüren, dass man so nicht mit der alten Dame umspringen kann und sofort Druck kommt, wenn sie es nochmal versuchen. ,,Kulanz"? Ich würde morgen auf die Filiale gehen und mal richtig auf den Tisch hauen. Genauso wie man es bei jedem Betrüger machen würde.

  • Ich habe nichts von einer Klage geschrieben. .....

    Und ich habe Dich doch gar nicht zitiert / ansgesprochen.

    Und grundsätzlich bin ich bei Dir. Persönlich würde ich sogar noch schärfer reagieren und direkt mit RTL, SAT und wasweißich anrücken. Also die ganz große Nummer.

    Aber meiner Mutter (bzw. taunides Mutter) würde ich das nicht antun.

    Das unterscheidet uns.

  • Das kann man von jedem Mist behaupten.

    Heroin ist nicht generell Teufelszeug

    Mit Expressen kenne ich mich aus, mit Heroin nicht. Das sollten wir eher in einem anderen Strang vertiefen.

    Eine Zeichnung kann in der Zeichnungsfrist einfach widerrufen werden. Das hat nichts mit Kulanz zu tun.

    Die Berater haben häufig auch gar kein schlechtes Gewissen.

    Der "Berater" ist Verkäufer und hat Zielvorgaben, wieviel er verkaufen muss. Hier hat er auf einen Schlag 4.610€ Provision vereinnahmt, da lacht sein Herz.

    [Ist es das? DekaBank Express-Zertifikat Memory 02/2031 bezogen auf den MSCI World Climate Change ESG Select 4.5% Decrement | DK1GXG | DE000DK1GXG6]

    Wenn ich ihr das Verlustrisiko von 40% erkläre

    Das Verlustrisiko ist 100%. Es greift aber erst, wenn der Index mindestens 40% gefallen ist. Also entweder es läuft gut, oder Du hast mindestens 40% Verlust.

    Klingt jetzt gar nicht so schlimm, denn Indices fallen ja nur selten so stark, könnte man meinen. Beachte aber, das es hier kein "seriöser" MSCI World o.Ä. ist, sondern ein Index mit dem Zusatz "4.5% Decrement Index". Das bedeutet, das bereits im Index 4,5% Gebühren pro Jahr berechnet werden (taggenau). Bei konstanten Kursen fällt der Index also 4,5% pro Jahr!!

    Rückgaben sind jährlich im Februar möglich ab 02/2027.

    Das ist sehr missverständlich. Es bedeutet nicht, dass Deine Mutter es vorzeitig zurückgeben kann, sondern dass der Emittent es zu diesen Terminen kündigt, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (autocall). Deine Mutter ist der "Stillhalter" der Option.

    Sie hat nur die Möglichkeit, das Zertifikat zum aktuellen Geld-Kurs (abz. Gebühren) an die DEKA zu verkaufen. Das geht börsentäglich (ist aber selten empfehlenswert).

  • Man muss hier mal Tacheles reden. Sowohl mit der Bank, als auch mit der Mutter. Das was da jeden Tag abläuft ist eine bodenlose Sauerei und keiner macht was, weil er sich aus falscher Höflichkeit nicht traut.

    Diese Vollpfosten müssen spüren, dass man so nicht mit der alten Dame umspringen kann und sofort Druck kommt, wenn sie es nochmal versuchen. ,,Kulanz"? Ich würde morgen auf die Filiale gehen und mal richtig auf den Tisch hauen. Genauso wie man es bei jedem Betrüger machen würde.

    Du schaffst es einfach nicht, dich in die Bedürfnisse anderer Menschen hineinzuversetzen.

    Hier nicht, und in vielen anderen Threads nicht.

    Deine Empfehlung taugt für Menschen, die sich nach umfassender Eigenrecherche selbstbewusst entscheiden, ihre Sache zu vertreten.

    Das ist die 82jährige Frau, die den Kindern bereits eine Kontovollmacht geben wollte, vorher aber in die Falle der Hausbank getappt ist, weil sie schon den Vater des Beraters so nett und seriös gefunden hat, mit Sicherheit nicht.

    Der ist hochwahrscheinlich wichtig, bei dieser Bank zu bleiben und sich nicht unwohl zu fühlen wenn sie dort reinspaziert und gleichzeitig ob ihrer Geldanlage ruhig zu schlafen.

    Das erreichst Du mit deiner Strategie nicht. Damit deine Strategie für sie passt, müsste sie erst ihre Ziele/Bedürfnisse über Bord und sich Deinen unterwerfen. Dass so was keine gute Idee ist, sieht man ja daran was dabei rauskam als sie sich der Bank „unterworfen“ hat.
    Soll man von ihr verlangen, sich jetzt jemandes anderes Zielen und Strategien zu unterwerfen?

    Es gibt immer mehrere Wege nach Rom, du tust häufig so als gäbe es nur einen einzigen.

  • Vielen Dank für eure guten Antworten, das bestärkt mich jetzt doch, dementsprechend zu reagieren.

    Was mich überhaupt wundert, meine Mutter hat gar kein Depot, aber solche Papiere gehen anscheinend auch ohne.....

    Moin,

    müssen Banken solch eine Beratung nicht protokollieren und der anlegenden Person auch eine Kopie des Beratungsprotokolls aushändigen? Was steht im Protokoll??