"Rentenlücke schließen" frustrierend - raus auf Rürup, Riester & Co. - alles in ETFs?

  • Damit steigst Du halt nicht aus, sondern allenfalls um.

    Bei dem besagten Spruch ("When you have won the game, stop playing") würde ich zum einen a) dies (nur) als eine Option (von mehreren) ansehen sprich man "muß" nicht mehr unbedingt "kann" aber natürlich weiter "am Spiel" teilnehmen und b) die Aussage dahingehend verstehen, daß die US-Jungs unter "am Spiel" teilnehmen" das "Investieren" verstehen (Aktien, Immobilien, ggf. mit Leverage-Effekt) und nicht das "Anlegen" (US-Treasuries, Festgelder, Pfandbriefe, Einkauf privater Renten etc.) oder auch das "Parken" von Mitteln (Tangible Assets, Gold als "Versicherung", Fremdwährungen und fremde Sorten als Beimischung ggf. als "Versicherung" usw.).

    Rein sprachlich gesehen kann man ja nur "umsteigen" - wenn ich nun alle meines Assets liquidiere und packe die Mittel in einen einzigen Geldmarkt-Fonds oder Geldmarkt-ETF oder in einen einzigen großen Safe oder tausche den ganzen Erlös in Gold und bunkere dies dann in einem Zollfreilager ein oder ... - bin ich, rein sprachlich gesehen, immer "umgestiegen"; nämlich von meinen Aktien, Immobilien, Gold usw. einerseits dann auf den Geldmarkt-Fonds, den Geldmarkt-ETF, das physische Gold usw. andererseits. Eine Art sprachliche Sachgesetzlichkeit.

  • Damit steigst Du halt nicht aus, sondern allenfalls um.

    Wenn man das annimmt, würde man vom Risiko her Staatsanleihen oder Geldmarktfonds mit dem Aktienmarkt gleichsetzen. Das ist sicher nicht so! Jeder professionelle Fonds (z.B. interne Fonds von Großbanken) zur Altersvorsorge schichtet mit dem Alter der betreffenden Personen anteilig und gestuft von Aktien in Staatsanleihen um, genau zu dem Zweck, Risiko (Volatiliät) rauszunehmen aus dem Portfolio!

    Wenn ich mit den 100.000 statt dessen bei Scalable in meinen MSCI World (SRI) thesaurierend investiere, habe ich in 10 Jahren vielleicht 8%, vielleicht 4, vielleicht aber auch minus 8.

    Da werden im blödesten Falle minus 8% sicher nicht reichen! In schlechten Marktphasen bzw. Finanzkrisen sind das gerne mal -50% und mehr! Und dann dauert es eben 10-15 Jahre, bis die Kurse wieder in die Gewinnzone gestiegen sind!

    Und genau deshalb reduziert man in der Regel im Alter den Aktienanteil im Portfolio, da eben nicht mehr beliebig viel Zeit bleibt, um die Krise auszusitzen und zu warten, bis die Kurse wieder gestiegen sind. Wer dann seine Aktien-ETF verkaufen muss, dem geht halt eher zu früh als zu spät das Geld aus. Daher hatte ich eingangs geschrieben: Erst mit sicheren Rentenversicherungen (insb. GRV) eine Basis schaffen, bevor man mit dem Rest ins Aktienrisiko geht!

    Die komplette Altersversorgung nur mit Aktien-ETF bestreiten zu wollen, wäre für die allermeisten (nicht wirklich Reichen) Harakiri!

  • Interessante Diskussion, die viel auch mit Werten, Haltung, Lebenseinstellung und Zielen zu tun hat.

    Dem ist wohl so. Neben den rein objektiven Daten spielt dabei auch die persönliche sprich subjektive Risikotragfähigkeit eine Rolle (Risikotoleranz). Das sollte man sorgsam prüfen, weil sich daraus die (individuelle) passenden sprich "richtige" Asset-Allocation im Einzelfall ableiten sollte. Ist diese nämlich "falsch" eingestellt (Anteil risikoarm vs risikoreich) kann man leicht auf Abwege geraten. Habe ich oft genug gesehen.

    trotzdem möchte ich es nochmal ganz konkret machen, denn diese Entscheidung steht nun für mich an - ich vereinfach das mal etwas: wenn ich die 100.000 vom Tagesgeldkonto bei der Leaseplanbank für 5 Jahre als Festgeld anlege bekomme ich knapp 4%. Wenn das Geld frei wird und ich es nicht brauche, kann ich es wieder für fünf Jahre anlegen - dann wahrscheinlich nur für (frei) geschätzte 2% .

    Das scheint mir in Sachen Festgeld (zu) stark vereinfacht:

    * Wo die Zinsen in 5 Jahren (!) stehen werden, entzieht sich seriösen Prognosen

    * Wie sich die Inflation über die nächsten 5 Jahre (!) entwickeln wird ebenso

    * Wie dann die steuerlichen Rahmenbedingungen sind, kann man auch nicht sicher sagen

    um nur einige Beispiele zu nennen.

    Wenn ich mit den 100.000 statt dessen bei Scalable in meinen MSCI World (SRI) thesaurierend investiere, habe ich in 10 Jahren vielleicht 8%, vielleicht 4, vielleicht aber auch minus 8.

    Auch das scheint mir in Sachen MSCI insoweit (zu) stark vereinfacht, weil

    * 5 gegen 10 Jahre zwei schon sehr unterschiedliche (zeitliche) Anlagehorizonte sind

    * die Range nach oben/nach unten deutlich größer sein kann (z. B. minus 50% oder mehr)

    * es sehr lange dauern kann, bis man wieder Einstandskurse sieht (weit > 10 Jahre)

    Für meinen Teil würde ich mich dem Thema eher so versuchen anzunähern: Welchen maximalen (hoffentlich temporären) Verlust bezogen auf mein Gesamtvermögen (inkl. Rentenanspruch, inkl. Immobilie, inkl. sonstige Anlagen usw.) kann ich verkraften - und zwar objektiv aber auch subjektiv. Das kann übrigens muß aber nicht immer identisch sein. Geht man dann von einem MDD des Aktienanteils von um die - 50 oder - 60 Prozent aus, kann man den Teil, den man in Aktien schieben kann bzw. will schon recht gut definieren.

  • Für meinen Teil würde ich mich dem Thema eher so versuchen anzunähern: Welchen maximalen (hoffentlich temporären) Verlust bezogen auf mein Gesamtvermögen (inkl. Rentenanspruch, inkl. Immobilie, inkl. sonstige Anlagen usw.) kann ich verkraften - und zwar objektiv aber auch subjektiv. Das kann übrigens muß aber nicht immer identisch sein. Geht man dann von einem MDD des Aktienanteils von um die - 50 oder - 60 Prozent aus, kann man den Teil, den man in Aktien schieben will schon recht gut definieren.

    Um Abkürzungen wie „MDD“ zu konkretisieren hilft vielleicht ein gutes Buch? Ich hab die Tage mal in die Erstauflage des roten Buchs von Kommer („Souverän Investieren für Einsteiger“) reingelesen und fand es für den Einstieg ziemlich brauchbar! Zumindest in der Erstauflage ist er auch auf Fragen Rund um die Rente mit ETF eingegangen:

    Bücher – Gerd Kommer
    Bücher von Gerd Kommer zu den Themen souveränes Investieren mit Indexfonds und ETFs sowie Immobilienkauf und -finanzierung.
    gerd-kommer.de

    Eine Alternative wäre (etwas anspruchsvoller) das „Souverän Investieren vor und im Ruhestand“, was sicher noch besser zur Fragestellung des Threads passt!

  • Wenn man das annimmt, würde man vom Risiko her Staatsanleihen oder Geldmarktfonds mit dem Aktienmarkt gleichsetzen.

    Du wirst lachen: Bei den Staatsanleihen sollte man das auch tun. Bei den Geldmarktfonds allerdings nicht.

    Jeder professionelle Fonds (z.B. interne Fonds von Großbanken) zur Altersvorsorge schichtet mit dem Alter der betreffenden Personen anteilig und gestuft von Aktien in Staatsanleihen um, genau zu dem Zweck, Risiko (Volatiliät) rauszunehmen aus dem Portfolio!

    ... denn in allen Lehrbüchern steht ja, daß Aktien und Renten sich gegenläufig bewegen, man also Stabilität gewinnt, wenn man bei fallenden Aktien das Geld in Renten umschichtet.

    Das haben all die Fondsmanager und auch die algorithmisch so programmierten Robos im Frühjahr 2022 auch getan. Zum deutlichen Schaden ihrer Anleger. Ich habe meine Hochrisikopapiere gehalten (Standardaktien und ETFs auf breite Indizes, wie sie hier im Forum propagiert werden). Die haben sich 2022 um für mich tolerable 7% nach unten gewackelt und schon im Folgejahr deutlich erholt. Und die Sicherheitsbausteine, die langen Renten? Haben die sich denn auch schon erholt?

    Früher war es in der Tat anders, und die Fondmanager und die Robos wurden 2022 kalt erwischt. Die Aktien sind eingeknickt und die Renten auch. Zur gleichen Zeit. Nicht gegenläufig, sondern unerwartet gleichläufig.

    Wir haben im Moment (und seither) eine inverse Zinsstrukturkurve: Das längere Papier, das die längere Bindefrist (und somit das höhere Risiko) mit einem Zinsaufschlag bezahlen sollte, bringt aktuell weniger als das kürzere Papier, als das Tagesgeld. Ich halte das für pathologisch, andererseits sieht es im Moment nicht danach aus, als daß die Zinskurve sich wieder umdrehen wird und dann all die Überlegungen, die seit Jahrzehnten geradezu für axiomatisch gehalten wurden, wieder zutreffen.

    Ich bin neulich auf einen Text von Hartmut Walz gestoßen, in dem er vehement von langen Renten abrät. Das hat mich verblüfft, glaubte ich doch zu wissen, daß das Gegenteil wahr ist, daß nämlich lange Renten ein Hort der Sicherheit seien. So war das ja auch jahrzehntelang! Aber seit der Zinskrise ist das halt nicht mehr so, oder besser gesagt: Ab dem Tiefpunkt der Zinskrise ist das nicht mehr so. Als die Zinsen seit Mitte der 1990er abbröckelten, hat der Anleger mit einer langen Rente ja noch zusätzlichen Gewinn gemacht! Wer aber im Tiefpunkt Geld anlegen mußte (etwa die Lebensversicherungsgesellschaften), der war gekniffen und ist es eigentlich bis heute.

    Ich lese oben, daß thomassaron sich ein 5jähriges Festgeld kaufen möchte. Das ist ganz klar alte Denke. Da bekommt er noch 3,5%, das ist aber kein bißchen mehr als Geldmarktzins. Festgeldanleger kümmern sich typischerweise nicht um das Marktgeschehen, einen offiziellen Kurs hat ein Festgeld ja auch nicht. Sie kümmern sich auch nicht ums Zinsniveau, denn sie bekommen ja ihren vereinbarten Zins. Steigt in der Welt um sie herum das Zinsniveau um 1 Prozentpunkt, verliert rechnerisch eine festverzinsliche Anlage mit 5 Jahren Restlaufzeit 5% am Kurs; ein 10jähriges Papier verliert 10% am Kurs.

    Die Republik Österreich hat ein 100jähriges (!) Papier mit einem Coupon von 2,1% auf den Markt gebracht, das man ihr aus den Händen gerissen hat. Der Hebel ist unglaublich. Nein, ist er eigentlich nicht, eigentlich ist er sogar ausgesprochen regelhaft. Die ultrasichere Rente erweist sich als Zockerpapier erster Ordnung. Sie ist bis jetzt gestiegen auf über 200% und gestürzt auf 50%. Ist ja auch klar: So ein Papier reagiert enorm auf jede kleine Zinsänderung.

    In diesem Artikel steht mehr darüber, auch ein Chartbild ist dabei. Hier ist der Chart nochmal separat.

    Der langen Rede kurzer Sinn: Wäre ich in der Pflicht, aktuell Renten anlegen zu müssen, ich wüßte nicht, was ich verantwortlich tun könnte. Als Privatmann könnte ich noch sagen: Ich kaufe mir ein Festgeld von 3 oder 5 Jahren Laufzeit, das bringt zwar nicht mehr als Tagesgeld, aber dann habe ich mir die 3,5% wenigstens für diese Zeit "gesichert". Aber Seelenruhe gibt mir das nicht, spätestens in 3 oder 5 Jahren stehe ich vor der gleichen Frage. Das Geschäft der Rentenanleger ist mit Sicherheit nicht einfacher geworden. Ich möchte im Moment in diesem Sektor kein Profi sein.

    Mittlerweile verstehe ich, wenn mir einer sagt: Laß die Finger von Renten, mach allenfalls Tagesgeld! Stabilität und Sicherheit bringen Renten im Moment nicht. Ich habe diesbezüglich viel vermeintlich unerschütterliches "Wissen" über Bord werfen müssen. Du wirst darum auch nicht herumkommen.

    Die komplette Altersversorgung nur mit Aktien-ETF bestreiten zu wollen, wäre für die allermeisten (nicht wirklich Reichen) Harakiri!

    Wie gut, daß es die gesetzliche Rente gibt!

    Die Rende is sischä!

    Natürlich, sicherer als festverzinsliche Wertpapiere allemal, möglicherweise auch sicherer als Aktien (= Weltwirtschaft). Geldanlage ist halt doch kein schlichtes Rechenexempel!

  • Du wirst lachen: Bei den Staatsanleihen sollte man das auch tun. Bei den Geldmarktfonds allerdings nicht.

    Gleichsetzen? Das Risiko von Aktien und Staatsanleihen?! Glaube das weißt du besser! Oder willst du ernsthaft behaupten, Aktien hätten

    a) das gleiche Ausfallrisiko und

    b) die gleiche Volatilität

    wie (kurzlaufende) Staatsanleihen?

    Anleihen von AAA/AA-Staaten, gerade die kurzlaufenden, sind seit jeher der Sicherheitsanker in praktisch allen größeren Portfolios! Bessere Geldmarktfonds sind bestehen doch auch aus nichts anderem als 0-6 oder 0-12 Monate laufenden sicheren Staatsanleihen. Dazu müssen sie gar nicht zwangsläufig und immer (häufig tun sie es!) negativ mit den Aktien korrelieren. Es reicht völlig, wenn sie grundsätzlich die o.g. Kriterien erfüllen!

    Was ist denn dein Punkt? Dass sichere Anleihen nach Steuer und Inflation gerade mal wieder negativ rentieren? Meine Güte, dass war über weite Teile der Kapitalmarktgeschichte so und das ist halt der Preis, den man für die Absicherung des Portfolios zahlt. War auf lange Sicht schon immer so und ist absolut nichts neues!

    Wie gesagt: Privatpersonen können unter 100T€ auch auf auf Tagesgeld/Festgeld ausweichen, um den Aktienanteil sinnvoll und passend zum eigenen Risikoprofil festzulegen! Die Rendite nach Steuern und Inflation ist da nur ähnlich.

    Als Umkehrschluss zu einer niedrigen oder nach Steuer oder Inflation leicht negativen Rendite eines Sicherheitsbausteins dann zu 100% Aktienquote zu raten, halte ich für unlogisch und für fahrlässig!

  • Eure kleine Diskussion berührt - aus meiner Sicht - einen sehr bis ganz wesentlichen Punkt. Schaut man da nämlich ganz grundsätzlich drauf, stellt sich die Frage, inwieweit heute die moderne Portfoliotheorie (Harry Markowitz) überhaupt noch (Allgemein)Gültigkeit hat. Obwohl diese Theorie ja seit vielen Jahrzehnten das Denken und Handeln der meisten Teilnehmer an den Kapitalmärkten prägt. Wenn es meine Zeit erlaubt, würde ich darauf gerne in einem weiteren noch folgenden Beitrag eingehen.


    Um beispielhaft nur einige Punkte aus Nr. 47 aufzugreifen

    Du wirst lachen: Bei den Staatsanleihen sollte man das auch tun.

    Das könnte man - wenn auch pointiert - durchaus fast so formulieren (also, daß Staatsanleihen ein dem Aktienmarkt vergleichbare bis ähnliches Risiko haben). Von den Kursschwankungen ganz abgesehen (siehe Dein treffendes Beispiel mit der 100jährigen Austria-Anleihe ... (!) und deren dramatischen Kursabsturz).

    Das betrifft aber nicht nur den Kurs sondern auch die Solvenz bzw. die Insolvenz: Allein seit dem Jahr 1800 mit nämlich deutlich über 220 Staatspleiten ... (!) In der Eurozone ist die Insolvenz eines Staates und damit der Herausfallen aus der Eurozone aber politisch "unerwünscht" und wird mit allen Mitteln versucht zu verhindern sprich "nicht geduldet" ("Whatever it takes" also "Koste es, was es wolle"; Mario Draghi, London 2012 - zum Höhepunkt der Eurokrise). Eine klassische Marktbereinigung (samt Anreizsetzung) kann also nicht mehr stattfinden (mit entsprechenden Folgen wie Moral Hazard, Tragik der Allmende usw.). Die Gesetze des Marktes wurden in der Eurozone damals ausgeschaltet.

    Das hat dann zu bizarren Situationen geführt, in denen sich beispielsweise ein Land wie Greece (!) via Staatsanleihen zu günstigeren Zinsen verschulden konnte als ein Land wie die USA (!) ... mit allen damit verbundenen Fehlanreizen.

    ... denn in allen Lehrbüchern steht ja, daß Aktien und Renten sich gegenläufig bewegen, man also Stabilität gewinnt, wenn man bei fallenden Aktien das Geld in Renten umschichtet.

    Diese sog. "negative Korrelation" scheint - nach meinen Beobachtungen - schon seit längerer Zeit immer schwächer zu werden oder teilweise auch ganz zu verschwinden.

    Wir haben im Moment (und seither) eine inverse Zinsstrukturkurve ...

    ... Ich halte das für pathologisch

    Das ("pathologisch") kann man durchaus so einschätzen. Da der Zins der "Preis für Geld" ist, wie kann dieser Zins dann bei Null sein oder sogar negativ ? Und wenn doch: Wer sollte zu einem (schon nominal) negativen Zins noch Geld anlegen ? (Außer er wird dazu gezwungen natürlich; s. u. staatliche Regulatorik).

    Mittlerweile verstehe ich, wenn mir einer sagt: Laß die Finger von Renten, mach allenfalls Tagesgeld! Stabilität und Sicherheit bringen Renten im Moment nicht. Ich habe diesbezüglich viel vermeintlich unerschütterliches "Wissen" über Bord werfe

    Ist - in weiten Kreisen und auch in meinem Umfeld - inzwischen der vorherrschende Tenor (für Private). Wobei sich bei größeren Beträgen - aus meiner Sicht - die Frage aufdrängt, ob dann im Ernstfall (beispielsweise in einer größere Bankenkrise samt "Bail-In" sprich "Haircut" bei den Konten der Kunden oberhalb der Grenze der sog. Einlagensicherung von garantierten 100.000 €) der Rentner von seinen 150.000 € auf der Bank wirklich 50.000 € verliert - während der Privatanleger mit 10 Tagesgeldkonten a 100.000 € bei 10 verschiedenen Banken wirklich seine Million via der Einlagensicherung und als Millionär erstattet bekommt ...

    Für Institutionelle (mit ungleich höheren Volumina) sieht es natürlich noch problematischer aus, da diese bedingt durch staatliche regulatorische Vorgaben in praxi gezwungenermaßen (auch oder vorwiegend) in Staatsanleihen anlegen müssen. Diese Käufe von Staatsanleihen sind also nicht über den Preis (sowie die Ratio Risiko/Rendite) determiniert, sondern vor allen Dingen durch staatliche Vorgaben.

    Dazu kommen weitere Fehlanreize, wie die Tatsache, daß dafür bankseitig wohl kein EK vorgehalten werden muß, weil Staatsanleihen "ausfallsicher" seien ...

    Der langen Rede kurzer Sinn: Wäre ich in der Pflicht, aktuell Renten anlegen zu müssen, ich wüßte nicht, was ich verantwortlich tun könnte.

    Geht mir ähnlich. Halte z. B. einige Mittel in US-Treasuries - aber aus ganz anderen Überlegungen wie früher einmal bezüglich Anleihen (Diversifikation, Zinserträge, negative Korrelation zu anderen Anlageklassen) - nur noch als "Versicherung", da im Ernstfall immer alles Geld in US-Anleihen strömt; bislang war das jedenfalls noch immer so ... (so wie bei mir Gold eine "Versicherung" darstellt, aber keine Anlage oder gar ein Investment).

    Ich möchte im Moment in diesem Sektor kein Profi sein.

    Ich auch nicht.

    Um nur zwei Beispiele aus der Praxis zu nennen:

    In einem persönlichen Gespräch konnte ich einem dekorierten Fondsmanager (Multi-Asset) seine persönliche Asset-Allocation entlocken (verbunden mit der Zusicherung seinen Namen auf keinen Fall zu nennen): Je ein Fünftel Liquidität (verschiedene Währungen, verschiedene Sorten), Anleihen (Staats- und Unternehmensanleihen weltweit), Aktien (weltweit), Immobilien (weltweit), Gold (physisch; gelagert in der Schweiz und Liechtenstein). Der Mann wird dafür (gut) bezahlt sich zu den Finanzmärkten eine eigene Meinung (!) zu bilden (sprich Gewichtungen (!) in der Asset-Allocation vorzunehmen) verwaltet über 20 Mrd. € und kann auf ein erfahrenes Research-Team zurückgreifen - traut sich aber für sein eigenes (nicht unerhebliches) Vermögen (!) keine eigene Meinung mehr zu ... Zitat: "Märkte im eigentlichen Sinne existieren schon lange nicht mehr" ... Und das Gespräch liegt schon länger zurück.

    In einem ebensolchen persönlichen Gespräch verriet mir ein langjähriger Rentenprofi (Anleiheexperte) einer kleinen aber feinen Schweizer Fonds-Boutique, daß aus seiner Sicht "die zahlreichen staatlichen Beschränkungen der freien Preisbildung an den Finanzmärkten" sein Bild stark bis völlig verändert haben. Statt sich wie früher klassisch mit Staats- und Unternehmensanleihen zu beschäftigen, baue er nunmehr a) teilweise Strategien einiger wenig bis kaum regulierter Hedgefonds nach, da diese dem "Prinzip des Handelns nach ökonomischen Prinzipien noch am nächsten kämen" und versucht b) mit Derivaten insbesondere Kreditderivaten neue "Auszahlungsprofile" zu erschließen und man sei im Hause inzwischen c) auch sehr an "alternativen Anlagen wie Tangible Assets" interessiert und versuche diese einem breiten Kundenkreis näher zu bringen und zugänglich zu machen, da man vermutlich von "dauerhaft unterdrückten Märkten" mit "unterdrückter Preisbildung" ausgehen müsse.

    Ich habe diesbezüglich viel vermeintlich unerschütterliches "Wissen" über Bord werfen müssen.

    War bei mir schon Ende der 90er Jahre so, weil ich - nach eigener Recherche - die geplante Europäische Einheitswährung für ein reines Kunstprodukt ("Esperantogeld" a la Esperantosprache) einstufen mußte, noch dazu behaftet mit schweren Konstruktionsfehlern.

    In den Folgejahren (bedingt durch die Finanzkrise (2007/2008) aber insbesondere auch durch den Umgang mit der Eurokrise (ab 2010)) habe ich mich von meinem restlichen sprich noch verbliebenen (überschaubaren) "unerschütterlichen Finanzwissen" auch noch verabschiedet (besonders viel Finanzwissen hatte ich ohnehin nie - was aber natürlich immer relativ zu sehen ist; insbesondere in einem Land wie Deutschland).

    Seit langer Zeit vertraue ich da eher nur noch auf eine Mischung aus persönlichen Erfahrungen (auch solchen aus der Finanzhistorie), aus Realitätsbezug und dem gesundem Menschenverstand.

  • Gleichsetzen? Das Risiko von Aktien und Staatsanleihen?!

    Aktien bieten Chancen (gerade ein breitgestreutes, gut diversifiziertes Portfolio). Staatsanleihen bieten Sicherheit - nämlich die Sicherheit auf eine negative Realrendite.

    Die meisten Riester- und Rürup-Sparer werden das bestätigen. Nicht ohne Grund sind klassische Lebensversicherungen massiv zurückgegangen und die Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke werden auch noch die Augen aufmachen.

    Oder willst du ernsthaft behaupten, Aktien hätten

    a) das gleiche Ausfallrisiko und

    b) die gleiche Volatilität

    wie (kurzlaufende) Staatsanleihen?

    Ich will ernsthaft behaupten, daß Tagesgeld und Geldmarktfonds ein geringeres Risiko haben als langlaufende Staatsanleihen. Das langlaufend und den mit der Laufzeit einhergehenden Unterschied im Anlegerrisiko habe ich oben ausführlich erläutert. An sich ist der dahinterstehende Mechanismus aber bekannt.

    Ich habe eingangs @Sovereigns Standardspruch "When you've won the game, stop playing" aufgespießt und gefragt, wie man denn bei der Geldanlage aussteigen könne.

    Bisher ist noch kein vernünftiger Vorschlag gekommen, wie das gehen soll.

    Da Du ja offensichtlich der Meinung bist, daß Anleihen Sicherheitsbausteine seien, könntest Du doch einfach mal Stimmen zitieren, die zur Geldanlage in Anleihen raten. Mir ist nämlich aufgefallen, daß viele von denen, die das früher taten, heute zu Tagesgeld oder Geldmarktfonds raten - und das ist ja wohl keine Geldanlage, sondern eine schlichte Warteposition.

    Wie sich Privatanleger mit Festgeldern etwas in die Tasche lügen, habe ich oben ja schon ausführlich dargelegt.

    Ich bin gespannt, ob diesbezüglich von Dir eine substantiierte Antwort kommt.

    Was ist denn dein Punkt? Dass sichere Anleihen nach Steuer und Inflation gerade mal wieder negativ rentieren? Meine Güte, das war über weite Teile der Kapitalmarktgeschichte so und das ist halt der Preis, den man für die Absicherung des Portfolios zahlt. War auf lange Sicht schon immer so und ist absolut nichts Neues!

    Das ist mein Punkt: Der sichere Verlust durch übertriebenes Sicherheitsstreben.

    Ansonsten: Jeder legt sein eigenes Geld nach seinem Gusto an. Gerade die Deutschen hängen sehr an Festverzinslichem, die Aktionärsquote ist geringer als in den meisten anderen Ländern - mit entsprechenden Anlageergebnissen.

    Wenn Dir nicht gefällt, was ich schreibe, mach es doch einfach mit Deinem Geld anders!

  • Seit langer Zeit vertraue ich da eher nur noch auf eine Mischung aus persönlichen Erfahrungen (auch solchen aus der Finanzhistorie), aus Realitätsbezug und dem gesundem Menschenverstand.

    Auch Du weißt also keine Methode, wie man aus dem "game" aussteigen kann, wenn man es "gewonnen" hat. :(

  • Das besagte Phänomen ist mir (nicht nur schon Ende der 90er Jahre; Stichwort: Einheitswährung als rein politisches Projekt) damals auch schon (im Kontext mit der Finanzkrise (2007/2008) aber insbesondere auch im Zusammenhang mit der Eurokrise (ab 2010)) aufgefallen: Die Protagonisten samt Profis schauten kaum noch bis gar nicht mehr (wie früher üblich) auf die Fundamentaldaten sondern eher auf die staatlichen Notenbanken (bei der Eurokrise nur noch auf die staatliche Notenbank EZB; sowie die Rettungsschirme der Staaten der Eurozone).

    Ähnlich wieder ganz aktuell. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für eine langjährige Bekannte hatte ich auf ihre Bitte hin (mit Vollmacht ausgestattet) ein Bankgespräch bezüglich ihrer dort verwalteten Mittel (nach dem Tode ihres Mannes) geführt: Fundamentaldaten spielten da bankseitig bei der Ausrichtung des Depots praktisch keine Rolle mehr - es wurde aber auf jede Silbe im Wording der EZB geachtet ... (und auch im Wording der Fed).

    Die ganz grundsätzliche Frage dahinter ist aus meiner Sicht: Inwieweit können solche klassischen Denkmodelle (wie z. B. die Portfolio-Theorie; siehe Nr. 49, 1. Abs.) noch funktionieren, wenn staatliche Notenbanken (und auch Staaten selbst) eine derart dominierende Rolle an den Finanzmärkten übernommen haben ?!

    Die gigantisch aufgeblähte Billionen-Bilanz der EZB (samt Folgen) war hier ja auch schon mal an anderer Stelle ein Thema.

    Solche Theorien (wie auch die Portfoliotheorie) gehen ja immer (vereinfachend) von dem rationalen Anleger in einer Welt vollständiger Informationen und mit vollkommen funktionierenden Kapitalmärkten aus, an denen die dort agierenden Anleger (auf der Grundlage von Rendite und Risiko ausgerichteter Abwägung) ihre rationalen Entscheidungen treffen.

    Inwieweit dies aber heute noch der Fall ist, wäre die Frage. Man könnte das auch fast als eine längst "wirklichkeitsfremde" Annahme beschreiben - um nur einige Stichworte zu nennen: Massivste Eingriffe der staatlichen Notenbanken, staatliche Zentralbanken als dominante Marktteilnehmer, staatliche Auflagen, Vorgaben und Regulatorik, direkte Eingriffe in den Preismechanismus und damit in die Gleichgewichte der Finanzmärkte durch den Staat, bis hin zu dem Verbot bestimmte Geschäfte überhaupt noch auszuführen (Beispiel: "Leerverkaufsverbot").

    Man könnte also fast von einer neuen Marktstruktur sprechen (so weit das Wort "Märkte" hier überhaupt noch passt), die ganz erhebliche Auswirkungen auf die Preismechanismen (Preisbildung) der Märkte haben. Dazu kommen dann auch noch weitere "neuere Trends und (ggf. dies weiter verstärkende) Phänomene" wie die "Sozialen Netzwerke", "staatliche Regeln zum nachhaltigen Investieren" und der Hype um "passive Investments".

    Die zunächst mehr als seltsam anmutenden Aussagen professioneller Protagonisten (siehe Nr. 49; Multi-Asset Fondsmanager sowie der (frühere)Rentenspezialist) sind dann so abwegig eben doch nicht mehr.

    Ein Finanz-Journalist sprach jüngst von nur noch "vermeintlichen Kapitalmärkten", da diese schon lange eher "unterdrückten" bzw. "manipulierten" Märkten entsprächen - ein anderer sprach von Märkten denen eine "Art der staatlichen Garotte" umgelegt sei.

    Insoweit fand ich euere ( Achim Weiss  FinanztipUser) kleine Diskussion recht interessant - und habe mich zu diesem kleinen (grundsätzlichen) Diskurs verleiten lassen.


    Gute Gedanken und ebensolche Finanz-Entscheidungen wünsche ich allerseits !

  • Aktien bieten Chancen (gerade ein breitgestreutes, gut diversifiziertes Portfolio). Staatsanleihen bieten Sicherheit - nämlich die Sicherheit auf eine negative Realrendite.

    Sorry, aber das stimmt - Stand heute - einfach noch weniger als es in einer solchen Pauschalität vor 2 oder 5 Jahren gestimmt hätte. Man muss Markowitz doch gar nicht bemühen um zu sehen, dass Aktien und Anleihen völlig unterschiedliche Risikoprofile in fast allen relevanten Bereichen (Ausfallrisiko, Volatilität, Währungsrisiken, u.s.w.) haben! Und genau aus allen diesen Gründen eignen sie sich heute wieder besser denn je als Ergänzung zu Aktien! Wenn man das aktuell ausblendet, hängt man wirklich gedanklich noch im Nullzinszeitalter fest… Und natürlich: Die reale Rendite einer sicheren Anlage ging fast immer gegen Null, was aber die anderen Risikoaspekte oben überhaupt nicht tangiert.

    Spannend ist aus meiner Sicht die Frage, ob die Inflation gekommen ist um zu bleiben. Da spricht m.E. einiges dafür, gerade auch die Demographie in Europa. Wenn dem so ist, wird auch ein entsprechender Leitzins bestand haben. Und der ist aktuell ja schon seit einiger Zeit wieder ein einer Größenordnung, die selbst die alten 60/40-Portfolios wieder funktional und attraktiv werden lassen!

    Ich halte es für einen echt gefährlichen Trugschluss auf Grund der Schwächen von Anleihen dann für eine 100%-Aktienquote zu plädieren! Gerade in Hinblick auf die Rente tut man sich damit überhaupt keinen Gefallen!

  • Ich halte es für einen echt gefährlichen Trugschluss auf Grund der Schwächen von Anleihen dann für eine 100%-Aktienquote zu plädieren! Gerade in Hinblick auf die Rente tut man sich damit überhaupt keinen Gefallen!

    Gilt das jetzt speziell für diesen Thread oder generell?

    Ich meine damit, on ein 25 jähriger am Beginn seiner beruflichen Laufbahn jetzt auch schon auf Anleihen setzen, und von seiner 200€/Monat-Sparrate 60% in Aktien und 40% in Anleihen investieren sollte?

    Sollte man die ganze Sache nicht differenzierter betrachten?

    Ich habe z.B. keine direkten Anleihen. Über meine KLV und meine bAV bin allerdings wohl überwiegend in Anleihen investiert.

    Wie stufe ich jetzt in dem Zusammenhang meinen Anspruch an die GRV ein?

    Fragen über Fragen.

  • Auch Du weißt also keine Methode, wie man aus dem "game" aussteigen kann, wenn man es "gewonnen" hat. :(

    Natürlich "weiß" ich eine "Methode".

    Einige Leute in meinem Umfeld haben diese "Methode" (nur um Deine Formulierung aufzugreifen) in praxi ja umgesetzt. Was man hier (siehe Nr. 32) schon hätte ganz leicht nachlesen können:

    Kenne einige Leute, die das relativ entspannt und locker in die Praxis umgesetzt haben. Einfach, weil genug Geld akkumuliert worden war - selbst unter Berücksichtigung der üblichen Unwägbarkeiten. Nicht jeder will und/oder muß Angehörigen, Freuden oder fremden Dritten usw. erhebliche Mittel hinterlassen. Auch gibt es Menschen, für die eine Stiftung beispielsweise nie in Frage käme, weil sie "selbst möglichst viele Erlebnisse und Genuß" aus ihrem Geld ziehen wollen.

    So wie ich übrigens (für einen Teil meiner Mittel) übrigens auch. Was man hier (siehe Nr. 32) schon hätte ganz leicht nachlesen können:

    By the way: : Mein "Fall" ist ähnlich. Meine private Altersvorsorge samt Ruhestandsplanung war mit etwa 40 Jahren in trockenen Tüchern (das habe ich dann mit - weiterhin recht - defensiver Aufstellung einfach weiterlaufen lassen). Teilgenommen "am Spiel" habe ich ganz bewußt nur noch mit dem abgesonderten (für die Stiftung) bestimmten Teil: Hier aber mit deutlich "heißerem Reifen" (kreditgehebelte Investments - um nur ein Beispiel zu nennen).

    Dazu kommt, daß es schon rein semantisch unmöglich ist, aus dem "Game" (nur um Deine Formulierung zu verwenden) "auszusteigen" (nur um Deine Formulierung zu verwenden) - ohne in irgendein anderes (wie auch immer geartetes Finanzinstrument) "einzusteigen". Was man hier (siehe Nr. 41) schon ganz leicht hätte nachlesen können:

    Rein sprachlich gesehen kann man ja nur "umsteigen" - wenn ich nun alle meines Assets liquidiere und packe die Mittel in einen einzigen Geldmarkt-Fonds oder Geldmarkt-ETF oder in einen einzigen großen Safe oder tausche den ganzen Erlös in Gold und bunkere dies dann in einem Zollfreilager ein oder ... - bin ich, rein sprachlich gesehen, immer "umgestiegen"; nämlich von meinen Aktien, Immobilien, Gold usw. einerseits dann auf den Geldmarkt-Fonds, den Geldmarkt-ETF, das physische Gold usw. andererseits. Eine Art sprachliche Sachgesetzlichkeit.

    Dazu kommt noch (siehe schon Nr. 41):

    Bei dem besagten Spruch ("When you have won the game, stop playing") ... und b) die Aussage dahingehend verstehen, daß die US-Jungs unter "am Spiel" teilnehmen" das "Investieren" verstehen (Aktien, Immobilien, ggf. mit Leverage-Effekt) und nicht das "Anlegen" (US-Treasuries, Festgelder, Pfandbriefe, Einkauf privater Renten etc.) ...

    Daher statt Deinem traurigen :( von meiner Seite ein freundliches :)


    Dir weiterhin viel Glück im Umgang mit Deinen Finanzen !

  • Gilt das jetzt speziell für diesen Thread oder generell?

    Ich meine damit, on ein 25 jähriger am Beginn seiner beruflichen Laufbahn jetzt auch schon auf Anleihen setzen, und von seiner 200€/Monat-Sparrate 60% in Aktien und 40% in Anleihen investieren sollte?

    Klar: Je länger die Laufzeit, desto eher wären die 100% Aktienquote vertretbar! Nur jemandem kurz vor der Rente zu 100% Aktienanteil raten? Das mit dem Argument, man könnte Geld nur entweder a) in Aktien oder b) unter die eigene Matratze packen? Und mit der Annahme, dass Asset-Klassen keine positiven Wechselwirkungen haben?! Ich weiß nicht… 😉

  • Ich habe z.B. keine direkten Anleihen. Über meine KLV und meine bAV bin allerdings wohl überwiegend in Anleihen investiert.

    Wie stufe ich jetzt in dem Zusammenhang meinen Anspruch an die GRV ein?

    Fragen über Fragen.

    Ist natürlich individuelle Bewertungssache! Technisch gesehen ist deine BAV weniger sicher als die zu Grunde liegenden Anleihen, weil kein Sondervermögen im Fall der Insolvenz. Was garantiert der AG und ist der solide?!

    Wogegen ich mich wehre ist diese 100/0% oder 0/100% Logik! Es gibt so viele Zahlen zwischen 0 und 100, dass ein graduelles Aussteigen aus dem Aktienrisiko meiner Meinung nach

    a) einfach möglich,

    b) je nach Lebensphase sehr sinnvoll und

    c) sogar für die Erben sehr vorteilhaft sein kann!

    Warum mit 100% Aktien in Rente gehen, um dann im Crash übermäßig die Aktien-ETF zu verkaufen bzw. verkaufen zu müssen? Wäre blöd für einen selbst und für die Erben! Wie die dann anschließend das Vermögen strukturieren, bleibt dann denen je nach Zeitraum überlassen! Die können dann gerne wieder auf 80+% Aktienanteil hochgehen, wenn es zum Zeitraum, zum Risikoprofil und zu den eigenen Präferenzen passt…

  • Klar: Je länger die Laufzeit, desto eher wären die 100% Aktienquote vertretbar! Nur jemandem kurz vor der Rente zu 100% Aktienanteil raten? Das mit dem Argument, man könnte Geld nur entweder a) in Aktien oder b) unter die eigene Matratze packen? Und mit der Annahme, dass Asset-Klassen keine positiven Wechselwirkungen haben?! Ich weiß nicht… 😉

    Hatte zu dem Ansatz hier mal in einem anderen Kontext (Rubrik: Geldanlage; "Depotcheck brauche Rat") etwas geschrieben (Nr. 42 dort):

    Hatte erst jüngst ein Gespräch mit zwei "Profis", die einer neueren Untersuchung folgend (Cederburg-Studie ?) wohl der Meinung anhingen, daß 100% Aktien (ggf. + kleine Rücklage für Notfälle) - auf lange Sicht - immer und generell das Beste sind: Beim Vermögensaufbau, beim Vermögensverzehr, bei der Reduzierung des Pleiterisikos bei regelmäßigen Entnahmen aus dem Depot usw.

    Das mag rein objektiv so sein. Wäre ja auch nur logisch, wenn man davon ausgeht, daß Aktien - jedenfalls auf lange Sicht - die lukrativste Asset-Klasse darstellen (war jedenfalls in der Vergangenheit so - die Zukunft kennt halt keiner).

    Allerdings bekam ich in dem Gespräch schon darauf keine Antwort:

    Auf meine Rückfrage, ob dabei auch Fälle wie veränderte Lebenssituationen (Familiengründung, Heirat, Kinder usw. beispielsweise), Kauf von Wohneigentum (aufgrund veränderter Wünsche, Prioritären, Rahmenbedingungen usw. beispielsweise), die persönliche Risikotragfähigkeit (Risikoprofil, objektive Risikotoleranz aber auch insbesondere subjektive Risikobereitschaft usw. beispielsweise) berücksichtigt werden, ließ sich den beiden nicht so recht entlocken ...

    Die Thematik "Geldanlage/Vermögensaufteilung im Alter" (sprich 60 oder 65 +) also im Ruhestand bzw. als Rentner - wenn das früher so wichtige bzw. entscheidende Humankapital gen Null tendiert oder schon bei Null steht - hatte ich daraufhin gar nicht mehr angesprochen. Auch unter dem Aspekt der subjektiven Risikotragfähigkeit als Älterer (nach meiner Erfahrung ändert sich diese persönliche Risikotoleranz nämlich nicht selten bis häufig mit zunehmendem Alter).

    Zum Realitätsbezug: In meinem weiten Umfeld sind mir nur max. 2 bis 3 Fälle bekannt, die auch im höheren Alter noch sehr hohe Aktienquoten (90% +) fahren. Von der objektiven Risikotragfähigkeit her wären solche Aktienquote aber sehr viel mehr dieser Protagonisten möglich (beispielsweise ab einem achtstelligen Gesamtvermögen dürfte die Altersvorsorge (samt Versorgung eventuell vorhandener Partner, Angehöriger usw.) objektiv gesehen jedenfalls (in den meisten Fällen) stets gesichert sein; auch bei einem erheblichen (temporären oder länger andauernden) MDD im Aktienbereich) ...

    Natürlich nur anekdotische Evidenz (allerdings aus verdammt vielen "Einzelfällen" ...) und auch nur persönliche Empirie. Ein reiner Zufall dürfte meine Beobachtung daher aber eher nicht sein.


    Gute Gedanken und ebensolche Finanzentscheidungen wünsche ich allerseits !

  • Das mag rein objektiv so sein. Wäre ja auch nur logisch, wenn man davon ausgeht, daß Aktien - jedenfalls auf lange Sicht - die lukrativste Asset-Klasse darstellen (war jedenfalls in der Vergangenheit so - die Zukunft kennt halt keiner).

    Das ist es rein objektiv eben nicht, wenn einem alters- bzw. rentenbedingt eben nur noch 10-15 Jahre bleiben! Da ist es sehr rational, Volatilität aus dem Portfolio rauszunehmen, da man eben nicht mehr die Zeit hat, um Kurseinbrüche auszusitzen! Volatilität ist nur unter zwei Prämissen tragbar:

    1.) Erholung des Kurswertes erfolgt sicher, wovon man bei breiter Streuung ja immer ausgeht… und

    2.) eine Erholung erfolgt in einem Zeitrahmen, den man selbst noch zur Verfügung hat!

    Über den ersten Punkt könnten wir theoretisch/historisch/ökonomisch/soziologisch etc. endlos diskutieren, der zweite allerdings ist ziemlich klar: Du bist heilfroh, wenn dein Portfolio z.B. aus 50% Anleihen bzw. Geldmarkt-ETF besteht und du nur zu 50% im Aktienrisiko bist, wenn die Aktienkurse um 50-60% abschmieren und dir absehbar weniger als 10 Jahre bleiben und du auf das Depot für die Altersversorgung angewiesen bist…

  • Das ist es rein objektiv eben nicht, wenn einem Alters-/ Rentenbedingt eben nur noch 10 Jahre bleiben! Da ist es sehr rational, Volatilität aus dem Portfolio rauszunehmen, da man eben nicht mehr die Zeit hat, um Kurseinbrüche auszusitzen!

    ???

    Siehe schon

    Das mag rein objektiv so sein. Wäre ja auch nur logisch, wenn man davon ausgeht, daß Aktien - jedenfalls auf lange Sicht - die lukrativste Asset-Klasse darstellen (war jedenfalls in der Vergangenheit so - die Zukunft kennt halt keiner).

    (nachträglich gefettet von mir)

    Sowie

    Für meinen Teil würde ich mich dem Thema eher so versuchen anzunähern: Welchen maximalen (hoffentlich temporären) Verlust bezogen auf mein Gesamtvermögen (inkl. Rentenanspruch, inkl. Immobilie, inkl. sonstige Anlagen usw.) kann ich verkraften - und zwar objektiv aber auch subjektiv. Das kann übrigens muß aber nicht immer identisch sein. Geht man dann von einem MDD des Aktienanteils von um die - 50 oder - 60 Prozent aus, kann man den Teil, den man in Aktien schieben kann bzw. will schon recht gut definieren.

    (nachträglich gefettet von mir)

    So sollte eine passende Justierung des Aktienanteils in der Asset-Allocation möglich sein - ohne die Sicherheit seiner Altersvorsorge (objektiv aber auch subjektiv) zu gefährden.